OSTERZEIT OSTEROKTAV - FREITAG
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DIE GEDULD DES FISCHERS
Christus steht am Ufer: »Es ist der Herr!« Menschenfischer in Geduld. Geduld nach dem Beispiel Christi.
I. Entsprechend der Weisung des Herrn sind die Apostel von Jerusalem nach Galiläa gegangen.1 Einige treffen sich am See von Tiberias2, Schauplatz ihres Berufes und Ort ihrer Berufung. Es ist Abend. Viele Boote sind bereits zum Fischfang ausgelaufen. Die altvertraute Atmosphäre scheint Petrus anzuregen: Ich gehe fischen ... Er ist sich wohl unschlüssig über den Fortgang der Dinge, denn alles scheint jetzt in der Schwebe. Der Herr ist auferstanden - wie soll es weitergehen? Papst Johannes Paul II. sieht hierin Berührungspunkte mit der heutigen Situation in der Kirche: »Es klingt nach Resignation: Ich gehe fischen ..., wir kommen auch mit. Der Aufbruch zu neuen Ufern in der Nachfolge Christi scheint vorbei. Und selbst in ihrem kleinen begrenzten Erfahrungsbereich als Fischer am See bleiben sie ohne Erfolg: In dieser Nacht fingen sie nichts. Obwohl die Jünger sich die ganze Nacht abgemüht hatten, blieb ihr Netz leer. Diese Erfahrung der Erfolglosigkeit, die leicht zu Mutlosigkeit führt, wird heute von vielen Menschen geteilt.«3
Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war. Sie sind etwa hundert Meter vom Ufer entfernt und können die Stimme verstehen, die ihnen zuruft: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie müssen ihr Scheitern eingestehen. Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen. Petrus gehorcht, das Netz ist randvoll - sie konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Johannes ahnt: Es ist der Herr! Der ungestüme Petrus springt in den See, er will nicht warten, bis die Boote das Ufer erreicht haben, es drängt ihn, sich Jesus zu Füßen zu werfen.
»Die Liebe! Die Liebe sieht den Herrn schon von weitem. Die Liebe ist es, die zuerst jene aufmerksame Geste Christi gewahr wird. Der jugendliche Apostel, der Jesus mit der ganzen Festigkeit, Reinheit und Zartheit eines Herzens liebt, das niemals verdorben war - er ruft: Es ist der Herr.«4 Und Petrus? »Petrus ist der Glaube. Mit bewundernswertem Übermut stürzt er sich ins Wasser. Mit der Liebe des Johannes und mit dem Glauben des Petrus - wie weit werden wir kommen?«5
Es ist nicht schwer, diese österliche Begebenheit auf unseren Alltag zu übertragen: die vergebliche Mühe eines Schaffens gleichsam in der Nacht, ohne das Licht Christi, und die reiche Frucht der Arbeit am Morgen, im Licht seines Wortes. »Jesus steht am Ufer; wir erkennen ihn zunächst nicht, aber durch die Stimme der Kirche hören wir: Er ist es. An uns liegt es, aufzubrechen, ihn zu suchen und ihm näher zu kommen. Im Hören auf die Schrift, im Mitleben mit den Sakramenten, in der Begegnung des persönlichen Gebetes mit ihm, in der Begegnung mit denen, deren Leben von Jesus erfüllt ist, in verschiedenen Erfahrungen unseres Lebens und auf vielerlei Weisen begegnen wir ihm, sucht er uns, und so lernen wir ihn kennen.«6
Viele Menschen leben heute verbittert, denn sie haben Christus vergessen. »Das Leben ohne Gott und gegen Gott, das zunächst so verlockend und befreiend erscheint, hat in Wirklichkeit nur eine große Traurigkeit und einen wachsenden Zorn geschaffen. Der Mensch ist wütend gegen die Gesellschaft, gegen die Welt, gegen sich und gegen die anderen; sein Leben erscheint ihm als eine Fehlkonstruktion. (...) Er hat sein Lebenselement verloren, und alles schmeckt ihm nach Salz - nach Tod und nach Bitterkeit.= 7 Erst wenn er sich wieder der Gnade öffnet - Es ist der Herr! -, gelingt es ihm, den perspektivischen Punkt wiederzuentdecken, in den die Linien seines Lebens münden.
II. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriß das Netz nicht. Viele Kirchenväter sehen im Fischerboot und im Netz, das nicht zerreißt, ein Sinnbild für die Kirche im weiten Meer der Welt. Auch die große Menge der gefangenen Fische deuten sie als symbolischen Hinweis auf die Universalität der Kirche und auf die Zahl der von Gott Berufenen. Und die Fischer? Hätte Jesus nicht gebildetere Menschen als seine ersten Jünger berufen können? Selbstverständlich, und einige waren es. Aber die Berufung so einfacher Menschen verdeutlicht, daß der Herr die Nachfolge anders bewertet als nach »Bildung= im herkömmlichen Sinn. Alle - gebildet oder nicht - können zu ihm stoßen. Was zählt, ist ein schlichtes, offenes Herz.Anhand der Arbeit eines Fischers läßt sich besonders gut verdeutlichen, was Christus eigentlich will: »Menschen fischen« Für die Urchristen besaß das Fischsymbol eine Fülle von Bedeutungen. Es wurde sehr früh - schon auf Katakombenfresken - zur Bezeichnung der getauften Christen verwendet. Allmählich entwickelte sich aus diesem Symbol die reizvolle Vorstellung, die Christ»n seien die »pisciculi« die kleinen Fische im Gefolge des einen Fisches Jesus Christus. Dabei sah man in den Buchstaben des griechischen Wortes für Fisch »ichtys« ein komprimiertes Glaubensbekenntnis, das ins Deutsche übersetzt lautet: »Jesus Christus, Gottes Sohn und Heiland«.7
Wir verbinden mit dem Bild des Fischers Geduld und Wartenkönnen auf die Frucht der eigenen Mühe. Das gilt nicht anders für »Menschenfischer« Die Geduld ist Bestandteil der Tugend des Starkmutes. »Geduldig sein heißt: sich durch die Verwundungen, die aus der Verwirklichung des Guten erwachsen, nicht die Heiterkeit und Klarsichtigkeit der Seele rauben lassen. Geduld bedeutet nicht den Ausschluß von energisch zupackender Aktivität, sondern just und ausdrücklich und einzig den Ausschluß von Traurigkeit und Verwirrung des Herzens.«8 Als Menschenfischer brauchen wir Geduld, um die natürlichen Mittel und die Mittel des Glaubens beharrlich einzusetzen, aber auch um eigene wie fremde Fehler gelassen zu ertragen.
III. »Der Glaube ist eine unerläßliche Voraussetzung für das Apostolat. Er erweist sich oft darin, mit Ausdauer von Gott zu sprechen, auch wenn die Früchte lange auf sich warten lassen.
Wenn wir durchhalten und unsere Sendung in uns lebendig bleibt, überzeugt davon, daß der Herr es so will, dann wird man nach und nach überall, auch in deiner Umgebung, die Anzeichen einer >christlichen Revolution< wahrnehmen: Die einen werden sich Gott ganz hingeben, die anderen ihr inneres Leben ernst nehmen und wieder andere - die etwas Bequemeren - zumindest wachsamer werden.«9
Auch der Herr hat Geduld. Die Fehler und Armseligkeiten seiner Apostel kennt er nur zu genau. Doch sie sind kein Hindernis für die Liebe. Als sie an jenem Morgen des wunderbaren Fischfangs gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? (...) Weide meine Lämmer! (...) Weide meine Schafe!10 Der Herr rechnet mit diesen Menschen, um seine Kirche zu bauen. Er hat Geduld und nimmt sich Zeit, sie nach und nach zu bilden.
Auch uns gegenüber rechnet der Herr mit der Zeit. Er formt uns allmählich und paßt sich jeweils der Eigenart dessen an, dem er sein Bild einprägen und den er zum Werkzeug seiner Gnade für andere machen will. Der Herr läßt in seiner Sorge um uns niemals nach. Warum sollten wir da nachlassen in unserer Sorge um jene, die wir für Christus und als seine Zeugen gewinnen möchten?
Die eigene Erfahrung hilft uns, geduldig jenen gegenüber zu sein, die nicht gleich auf unsere apostolischen Bemühungen eingehen. Der eine reagiert gleichgültig, der andere zögert, ein dritter wehrt ab ... Auf dem langen Weg zum Himmel schenkt der Herr nur selten seine Gaben so, daß man in kurzer Zeit die Heiligkeit erlangt. Als Menschenfischer im Namen Christi werden wir diesen Freunden durch unser Gebet und unser Opfer nahe bleiben, bemüht, die bestehende Freundschaft mit der Zeit zu festigen.
Aus der Geduld erwächst jene gewinnende Art des Umgangs, wie sie in Episoden am Rande der eigentlichen Aussage des Evangeliums durchschimmert: Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Der Herr vergißt nicht das Naheliegende. Diese Jünger, die Christus hier liebevoll umsorgt, werden später als seine Gesandten, als seine Freunde, das Leben für ihn hingeben.
Mit der Hilfe Unserer Lieben Frau wird es uns gelingen, die Freundschaft und den guten menschlichen Kontakt zu den uns Nahestehenden nicht bloß passiv zu verstehen. »Zu einem echten Freund kannst du nur werden, wenn du deinen Freunden hilfst. Vor allem mit dem Beispiel deiner Lebensweise, dann auch mit deinem Rat und durch den Einfluß, der auf deiner absoluten Vertrauenswürdigkeit beruht.«11
1 vgl. Mt 28,7. - 2 Joh 21,1-14. - 3 Johannes Paul II., Homilie im Gelsenkirchener Parkstadion, 2.5.87. - 4 J.Escrivá, Freunde Gottes, 266. - 5 ebd. - 6 J.Kard.Ratzinger, Diener eurer Freude, Freiburg 1988, S.63. - 7 ebd., S.67. - 8 J.Pieper, Vom Sinn der Tapferkeit, München 1963, S.51. - 9 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.207. - 10 Joh 21,15-17. - 11 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.731.
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