OSTERZEIT ZWEITER SONNTAG
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DER GLAUBE DES THOMAS
Den Skeptikern und Distanzierten sagen: Christus lebt. Thomas' Zweifel heilt die Wunden unseres schwachen Glaubens. Den Glauben kennen, um ihn bekennen zu können.
I. Der erste Tag der Woche1 - der Tag der Auferstehung - ist voll aufregender Erlebnisse, vom frühen Morgen, als eben die Sonne aufging2, bis am Abend3, als Jesus den Seinen erschien und sie mit dem Friedensgruß aufrichtete. Nicht alle konnten Christi Wort - Der Friede sei mit euch! - und Gebärde - er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite - wahrnehmen. Thomas war nicht dabei.
Wer war Thomas? Das Evangelium überliefert uns von ihm nur wenige Worte. Sie charakterisieren ihn als einen mutigen Freund Jesu - dann laßt uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben, sagt er einmal in kritischer Situation4 - und als einen Menschen, der sich nicht scheut, einzugestehen, daß er etwas »nicht versteht« Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?5, warf er ein, als Jesus beim Letzten Abendmahl sagte: Wohin ich gehe, den Weg dorthin kennt ihr.6»Vielleicht haben ihn die Apostel überall gesucht, bis sie ihn fanden. Die gewandelte Atmosphäre beeindruckt jedoch den Realisten nicht: Wir haben den Herrn gesehen! Der Herr ist tot: gekreuzigt und begraben. Ist das nicht die Wirklichkeit? Und also: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.7
Die übrigen Apostel können nur wiederholen: Aber wir haben ihn doch gesehen! Erst Christus selbst wird Thomas zeigen, daß seine Einstellung die Wirklichkeit verkürzt, weil sie nicht mit der Macht Gottes rechnet.
Auch wir spüren hin und wieder eine Art Ohnmacht gegenüber Menschen, die nur die Dimension des Greifbaren, Berührbaren gelten lassen. In unserem Christus lebt erblicken sie den eitlen Versuch, die Trostlosigkeit zu bemänteln. Sie mögen Christus bewundern, aber als einen Toten, als ein Stück wundervoller menschlicher Geschichte, das aber ins reale Leben nicht einzugreifen vermag. Wir können solcher Kurzsichtigkeit selten mit Worten abhelfen; aber wir können um Licht für diese Menschen bitten und ihnen durch unsere Art zu leben zeigen, daß der Glaube an den Auferstandenen unverbrüchlich trägt. Wir können diese Menschen nachdenklich stimmen und ermutigen, den Anfang einer Öffnung zu wagen. Gelegentlich werden auch wir die Erfahrung machen: »Was tagelange Glaubensdiskussionen mit einem zweifelnden oder ungläubigen Gesprächspartner nicht bewirkten, nämlich Klarheit zu gewinnen, bewirkte die Befolgung eines praktischen Rates, einfach wieder zu beten oder erst einmal zur Beichte zu gehen. Es ist der Rat, der in die gleiche Richtung weist wie jener, den Jesus seinen suchenden und fragenden Jüngern gab: >Kommt und seht!<«8
II. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!9
Die Antwort des Thomas ist keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung. Im Mein Herr und mein Gott! fallen Anbetung, Glaube, Hingabe und Reue zusammen. Auf einen Schlag muß er einsehen, wie kurzsichtig vermeintlicher Realismus und Objektivität waren. Er erfährt den österlichen Realismus, der jede menschliche Logik und alle »Fakten« hinter sich läßt.
Gregor der Große sieht den Zweifel des Thomas als Stärkung des Glaubens für alle, die nach ihm den Glauben an Christus angenommen haben: »Meint ihr etwa, es sei Zufall gewesen, daß jener Apostel abwesend war und daß er heimkehrend von der Erscheinung hörte, hörend zweifelte, zweifelnd nach Greifbarem verlangte und beim Ergreifen glaubte? Es war kein Zufall, sondern Gottes Fügung. Die göttliche Barmherzigkeit erwies sich wieder einmal als wunderbar: als der zweifelnde Apostel die Wunden am Leib seines Meisters berührte, heilte er in uns die Wunden des Unglaubens.«10
Wenn unser Glaube stark ist, werden andere sich auf ihn stützen. Und unser Glaube wird stark, wenn wir es lernen, Tag für Tag Menschen und Dinge im Licht des Evangeliums zu sehen und unser Tun so auszurichten, daß es auf die Lebendigkeit der Lehre Christi schließen läßt. Und wenn uns trotzdem - wie Thomas - Zweifel oder Anfechtungen überkommen: bei Schwierigkeiten im Apostolat, bei Ereignissen, die uns unbegreiflich erscheinen, oder bei innerer Dunkelheit, dann, weil Gott uns läutern will. In einem Text des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt es: »Nur im Licht des Glaubens und in der betenden Versenkung in Gottes Wort wird es möglich, immer und überall Gott zu erkennen, in dem >wir leben, uns bewegen und sind< (Apg 17,28), in allem Geschehen seinen Willen zu suchen, in allen Menschen, ob sie uns nahe- oder fernstehen, Christus zu sehen und richtig zu beurteilen, welche Bedeutung und welchen Wert die zeitlichen Dinge in sich selbst und in Hinordnung auf das Ziel des Menschen haben.«11
Das heutige Evangelium ruft uns zur Besinnung auf. »Wir wollen wieder unsere Aufmerksamkeit dem Meister zuwenden. Vielleicht vernimmst auch du in diesem Augenblick den Tadel, den Christus an Thomas richtete: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände. Reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht mehr ungläubig, sondern gläubig. Ebenso wie Thomas rufe auch du in aufrichtiger Reue: Mein Herr und mein Gott! - Ich erkenne dich an für immer als meinen Meister, und für immer will ich, mit deiner Hilfe, deine Lehren wie einen Schatz hüten und in Treue zu befolgen suchen.«12
III. Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.13 Gregor der Große schreibt dazu: »Darin sind auch wir mitgemeint, die wir im Geiste den bekennen, den wir im Fleische nicht gesehen haben. Mitgemeint sind wir, vorausgesetzt, daß wir nach dem Glauben leben; denn nur der glaubt wirklich, der tut, was er glaubt.«14
Christi Auferstehung ist ein Aufruf an jeden Christen zum Zeugnis durch die Echtheit seines Lebens. Bei den Urchristen wurde die Evangelisierung »ohne sonderlichen Auftrag allein durch die Kraft des in der Taufe gegründeten Glaubens betrieben und geht in der Regel von jedem beliebigen Christen aus. Wir treffen auf Priester, aber die Laien sind in der Mehrzahl. Das Christentum sickert durch, es breitet sich im Bereich der Familie, der Arbeit und des persönlichen Umgangs aus (...). Erstaunlich an den Christen des 2. Jahrhunderts ist ihre Präsenz im Leben der Menschen, in den Läden und Werkstätten, in den Lagern und auf den öffentlichen Plätzen. Sie nehmen am wirtschaftlichen und sozialen Leben teil, sie sind in den Alltag verwoben und leben wie jedermann (...). In diesem Miteinander des gemeinsamen Lebens bereiten sich die Bekehrungen vor.«15
Glaubenszeugnis verlangt Glaubenskenntnis. Die Kirche hat deshalb die wichtigsten Glaubensaussagen im Katechismus zusammengefaßt. Der heilige Augustinus weist in seinen Predigten für die Katechumenen, die sich auf die Taufe vorbereiten, darauf hin: »Nun also, wir werden am nächsten Samstag die Vigil feiern. Ihr werdet, so Gott will, nicht das Gebet (das Vaterunser) durchnehmen, sondern das Symbolum (das Glaubensbekenntnis). Ihr sollt es jetzt lernen, denn später, in der Kirche, werdet ihr es nicht jeden Tag vom betenden Volk hören. Nachdem ihr es gelernt habt, betet es täglich, damit ihr es nicht vergeßt: betet euer Symbolum beim Aufstehen und beim Schlafengehen, betet es zu Gott, bringt es euch ins Gedächtnis, säumet nicht damit. Denn Wiederholung ist zum Behalten gut. Sagt also nicht: >Ich habe es schon gestern gebetet und heute und jeden Tag, ich habe es mir also gut eingeprägt.< Denn es soll wie ein Denkzettel deines Glaubens und wie ein Spiegel sein, in welchem du dich anschaust. Schau dich also an in diesem Spiegel, prüfe dich, ob du weiter all die Wahrheiten glaubst, die du im Worte bekennst, freue dich Tag für Tag am Glauben. Denn diese Wahrheiten sollen dein Reichtum sein und wie das schöne Kleid deiner Seele.«16 Diese Worte sind auch heute aktuell, da viele Christen wesentliche Inhalte des Glaubens nicht mehr gegenwärtig haben.
Der Herr erwartet, daß wir ihn ebenso mit unseren Taten vor den Menschen bekennen. Es liegt nahe, sich zu fragen: Hätte ich nicht in jener Situation mutiger sein können? Haben meine Arbeitskollegen erkennen können, daß ich nach dem Glauben lebe? Bin ich furchtsam im apostolischen Zeugnis? Bin ich mit den wesentlichen Inhalten meines Glaubens gut vertraut? Fragen, die uns helfen können in unserem Bemühen, Zeugnis vom Auferstandenen zu geben. Die »treue Jungfrau« und »Königin der Apostel« möge uns dabei helfen.
1 vgl. Joh 20,1. - 2 Mk 16,2. - 3 Joh 20,19. - 4 Joh 11,16. - 5 Joh 14,5. - 6 Joh 14,4. - 7 Joh 20,25. - 8 F.Kard.Hengsbach, Plädoyer für den Glauben, Köln 1991, S.92. - 9 Joh 20,26-27. - 10 Gregor der Große, Homilien über die Evangelien, 26,7. - 11 II.Vat.Konz., Dekret Apostolicam actuositatem, 4. - 12 J.Escrivá, Freunde Gottes, 145. - 13 Joh 20,29. - 14 Gregor der Große, a.a.O., 26,9. - 15 A.Hamman, Die ersten Christen, Stuttgart 1985, S.72-75. - 16 Augustinus, Predigt 58, 15.
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