OSTERZEIT OSTEROKTAV - SAMSTAG
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GEHT HINAUS IN DIE GANZE WELT
Recht und Pflicht zum christlichen Zeugnis. Der Widerspruch der Welt. Neuevangelisierung.
I. Die Apostel erfuhren die Auferstehung »als die entscheidende Selbsterschließung des Herrn, die sie überwältigte, als den Aufgang eines sieghaften Glaubens, als die endgültige Einführung in den Sinn des Christusereignisses, als die Erfüllung mit Heiligem Geist und als die Bevollmächtigung zu einem universalen Sendungsauftrag.«1 Diese Bevollmächtigung ruft zum Zeugnis für ihn bis zum Ende der Zeiten auf. jede Erscheinung des auferstandenen Christus mündet in einen Auftrag und eine Sendung. Zu Maria von Magdala spricht er: Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater.2 Den anderen Frauen trägt er auf: Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen.3 Die Jünger von Emmaus fühlen den Drang, gleich aufzubrechen und den Elfen zu sagen, daß Jesus lebt.4 Im heutigen Evangelium hören wir den gebieterischen Befehl, der von nun an für immer gelten wird: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!5
Die Apostel beginnen alsbald, im Namen des Herrn allen Völkern, angefangen in Jerusalem, zu verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.6 Sie verkünden keine Theorien, sondern bezeugte Heilstaten: Ihr seid Zeugen dafür7, hatte der Herr ihnen gesagt. Als nach dem Tode des Judas die Zwölfzahl ergänzt werden mußte, suchte man den Nachfolger im Kreis jener, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr bei uns ein und ausging. Denn nur ein solcher konnte zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein.8
In den Elf ist die ganze Kirche präsent. Der Auftrag an sie setzt sich durch die Jahrhunderte in jedem Christen fort. Christen verkünden, daß ihr Herr lebt, daß er Sünde und Tod besiegt hat und uns Anteil am göttlichen Leben gibt. Diese Verkündigung macht Freude - sie ist ein Recht und eine Pflicht, denn »die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat t«9. »Alle Gläubigen, vom Papst bis zum jüngsten Täufling, haben Anteil an derselben Berufung, am selben Glauben, am selben Geist, an derselben Gnade (...). Alle haben aktiven und verantwortlichen Anteil an der einen Sendung Christi und der Kirche.«10
Die erste Lesung der heutigen Messe zeigt uns, wie tief die Apostel sich ihres Auftrags bewußt waren: Die Führer des Volkes haben ihnen verboten, im Namen Jesu zu lehren. Petrus und Johannes antworten: Ob es vor Gott recht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, das entscheidet selbst. Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.11
Es gibt in unserer Welt viele, die unwissend sind und orientierungslos, die Irrwege gehen. Nur Menschen, die die Freude, Christ zu sein, kennen, können ihnen Zeugnis vom Heil geben: »>Man zündet nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter, dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.<
Und als die Zeit seines Wirkens auf Erden vollendet ist, befiehlt der Herr: >Euntes docete< - geht hin und lehrt! Er will, daß sein Licht in den Taten und Worten seiner Jünger aufleuchte - auch in deinem Handeln, in deinem Reden...«12
II. Mit dem Beginn des mutigen Zeugnisses für Christus erfahren die Apostel zugleich auch Widerspruch, Verfolgung, schließlich das Martyrium. »Ein Zeugnis bloßer Worte wiegt nicht schwer; es kann auch falsches Zeugnis sein. Wo aber mit dem Zeugnis des Leidens das Leben selbst zum Zeugnis wird, sind andere Gewichte im Spiel. Die Apostel zeugen für Jesus mit ihrem Leben, weil er selbst lebendig, das Leben, ist und weil sie dessen völlig sicher sind. Das Zeugnis des Lebens gilt dem, den sie als Lebendigen gesehen haben.«13
Unverständnis und Widerspruch begleiten die christliche Botschaft: Ein Jünger steht nicht über seinem Meister14. Sie sind wie eine Feuerprobe für den Christen und eine Gelegenheit, in Glaube, Hoffnung und Liebe zu wachsen. Durch sie finden wir leichter zum Gebet, zum Opfer und zum inneren Gleichmut, den Rat des Apostels beherzigend: Besiege das Böse durch das Gute!15
Ein Text des Zweiten Vatikanums sagt über das Verhalten vieler Gläubigen, »daß sie durch Vernachläßigung der Glaubenserziehung, durch mißverständliche Darlegung der Lehre oder auch durch die Mängel ihres religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Lebens das wahre Antlitz Gottes und der Religion eher verhüllen als offenbaren«16. Sind das nicht in der Tat Verhaltensweisen, die nicht selten die Atmosphäre, ob im Gespräch unter Kollegen oder in den Medien, prägen? Materieller Wohlstand gilt vielen als das einzig erstrebenswerte Lebensziel. Sie verschließen sich den Werten des Glaubens und sehen zu, wie andere eine Welt ohne Gott aufzubauen suchen. Ein Christ, der Glaubenszeugnis geben will, hat sich nicht selten gegen den Strom gängiger Vorstellungen und modischer Medientrends zu behaupten. »Zu den dringlichsten Aufgaben des Christen gehört die Wiedererlangung der Fähigkeit zum Nonkonformismus, das heißt die Fähigkeit, sich so manchen kulturellen Entwicklungen der Umwelt zu widersetzen.«17
Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Das Wort des Herrn gilt ganz besonders in unserer Zeit. Christus will, daß seine Jünger überall gegenwärtig und tonangebend sind: in der Familie, in der Universität, in Produktionshallen oder auf dem Feld. Überall braucht Christus Männer und Frauen, die nicht kneifen. Papst Johannes Paul II. sagt zur Neuevangelisierung Europas: »Es werden Herolde des Evangeliums gebraucht, die Experten im Umgang mit den Menschen sind, die das Herz des heutigen Menschen gründlich kennen, seine Freuden und Hoffnungen, Ängste und Sorgen teilen und zugleich beschauliche Freunde Gottes sein wollen. Dazu bedarf es neuer Heiliger. Die großen Evangelisatoren Europas waren die Heiligen.«18
III. Die Kirche entsteht aus dem österlichen Geheimnis. Nach rein irdischen Maßstäben ist sie von der Ohnmacht des Kreuzes geprägt - doch im tiefsten ist ihr Gesetz das des Lebens. Für sie gilt das Gleichnis vom Sämann19, ablesbar schon am Leben und Werk Christi selbst: »Alle wahrhaft fruchtbaren Dinge beginnen in dieser Welt im Geringen und im Verborgenen. Und Gott selber hat sich mit seinem Werk in der Welt diesem Gesetz angepaßt. Gott selber tritt in dieser Weltenzeit inkognito auf, in der Gestalt der Armseligkeit, der Ohnmacht. Und die Wirklichkeiten Gottes - die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Liebe sind geringe, getretene Wirklichkeiten in dieser Welt. Dennoch leben die Menschen, lebt die Welt von ihnen und könnte nicht bestehen, gäbe es sie nicht.«20 Die Kirche trägt in sich eine weltverwandelnde Energie. Aber es ist nötig, daß die, die ihr angehören, diese Energie weitergeben.
Ein Christ, der weiß, daß er aus dem Reichtum der Kirche lebt, wird auch in einer gottflüchtigen Welt in seinem Bemühen freudig ausharren, der Gesellschaft ein christlicheres und menschlicheres Antlitz zu geben »mit einem übernatürlichen Optimismus, der im Glauben verwurzelt ist, von der Hoffnung genährt wird und dem die Liebe Flügel verleiht. (...) Glauben: Meidet den Defaitismus und die unnützen Klagen über die religiöse Lage eurer Länder und fangt an, mit Elan zu arbeiten, indem ihr viele andere Menschen dazu bewegt. Hoffnung, denn >Gott verliert keine Schlachten< (...). Wenn die Hindernisse auch groß sind, um so größer ist das Übermaß der göttlichen Gnade: Der Herr wird sich euer als Hebel bedienen, um die Menschen aufzurichten. Liebe: Arbeitet mit größter Lauterkeit, aus Liebe zu Gott und zu den Menschen. Habt Zuneigung und Geduld für den Nächsten, sucht nach neuen (apostolischen) Möglichkeiten und Initiativen: denn die Liebe macht erfinderisch.«21
Nachdem die Elf den Auftrag des Herrn, das Evangelium zu verkünden, erhalten hatten, versammelten sie sich im Abendmahlssaal zusammen mit Maria. Die Kirche preist sie als Königin der Apostel. Sie war die Mitte der betenden Gemeinde, bis der Heilige Geist auf sie herabkam und sie mit der Kraft zum Zeugnisgeben erfüllte.
1 L.Scheffczyk, Katholische Glaubenswelt, Aschaffenburg 1978, S.237. - 2 Joh 20,17. - 3 Mt 28,10. - 4 vgl. Lk 24,33. - 5 Mk 16,9-15. - 6 vgl. Lk 24,47. - 7 Lk 24,48. - 8 vgl. Apg 1,21-22. - 9 II.Vat.Konz., Dekret Apostolicam actuositatem, 2. - 10 A.del Portillo, Gläubige und Laien in der Kirche, Paderborn 1971, S.23. - 11 Apg 4,19-20. - 12 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.930. - 13 J.Kard.Ratzinger, Diener eurer Freude, Freiburg 1988, S.62-63. - 14 Mt 10,24. - 15 Röm 12,21. - 16 II.Vat.Konz., Konst. Gaudium et spes, 19. - 17 J.Kard.Ratzinger, Zur Lage des Glaubens, München 1985, S.117. - 18 Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am 6. Symposion der europäischen Bischöfe, 11.10.1985. - 19 vgl. Lk 8,4-15. - 20 J.Kard.Ratzinger, Diener eurer Freude, Freiburg 1988, S.15. - 21 A.del Portillo, Hirtenbrief, 25.12.1985.
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