OSTERZEIT 3. WOCHE - DIENSTAG
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LAUTERe ABSICHT
Ausschießlich Gott im Blick haben. Die Gefahren von Eitelkeit und Selbstsucht. Wie unsere Absicht läutern?
I. Stephanus, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen, hören wir in der heutigen Lesung1. Sie steinigten ihn. Er aber betete und rief: Herr, Jesus, nimm meinen Geist auf! Es ist ein Gebet auf den Spuren des gekreuzigten Herrn: »Das >Suscipe<, das im christlichen Gebet eine so große Rolle spielt, wird hier zum erstenmal gesprochen.«2
Das Geschehen betrachtend, eröffnet sich uns ein Zusammenhang zwischen dem Emporschauen zum Himmel und dem Gebet des Stephanus für seine Henker: Herr, rechne ihnen dies nicht zur Sünde an. Hier vernehmen wir einen Tonfall, der in seiner Radikalität neu und nur aus der Kraft des Glaubens erklärlich ist: die lautere Absicht hat ausschließlich Gott und das Heil der anderen im Blick, das eigene Ich tritt zurück und ruft nicht einmal nach Gerechtigkeit.
Der Bericht aus der Apostelgeschichte über Stephanus' Tod versetzt uns in die Zeit des Urchristentums. Hin und wieder erfahren wir von der tapferen Entschlossenheit, mit der die ersten Gläubigen Zeugnis gaben. Sie suchten nicht nach Auswegen oder bequemem Rückzug, sie ließen sich auch nicht von der Stimmung ringsum beeindrucken; ihr Blick war auf den Herrn gerichtet, vielleicht besonders auf sein stummes Zeugnis vor den Richtern: »Die Gestalt und das Wirken des Herrn sind so lauter, daß es auch der vollkommenen Skrupellosigkeit nicht gelingt, ein Verbrechen zurechtzubringen. Jesus antwortet auf keine Anklage. (...) Es wäre ihm ein Leichtes, die Widersprüche in den Aussagen hervorzuheben; den Eindruck der Reinheit, den seine Sache macht, zu verstärken; selbst zum Angriff gegen die Ankläger vorzugehen. Es hat geradezu etwas Quälendes, wie er nichts, gar nichts tut, um den Gang des Verhängnisses aufzuhalten - bis man sich darauf besinnt, daß er es nicht aufhalten will. In der Nacht von Getsemani hat er es ja angenommen; und was nun geschieht, was all die verhärteten, verlogenen, feigen, verworrenen Menschen wider ihn tun, all das dunkle Werk Satans bildet nur die Gestalt, in welcher sich der Wille des Vaters ausdrückt. Erst dann stehen wir wirklich in diesem Geschehen, wenn wir die tiefe, gefaßte Ruhe empfinden, die in Jesus ist. Nichts Dumpfes. Nichts Verzweifeltes. Kein Gehenlassen. Kein Trotz. Nichts derart; nur vollkommen gegenwärtige, wache, bis ins Letzte bereite Ruhe.«3
Dies ist lautere Absicht in ihrer reinsten Form. Aber was heißt lautere Absicht außerhalb solcher Extremsituationen? Es heißt, zum Himmel aufschauen - bewußte Gegenwart Gottes. Wem Gott im Denken zutiefst gegenwärtig ist, der will ihn auch im Handeln gegenwärtig haben. In dem Maße, in dem Christus das Herz eines Menschen erfüllt, kreist das Denken dieses Menschen um das, was Christus bewegt, befreit sich sein Wille von eigensüchtigen Motiven, öffnet sich sein Blick für heilsmächtige Anliegen.
Und umgekehrt: wer den lauten Beifall anderer Menschen sucht, überhört die Stimme seines Gewissens; und bald handelt er nicht mehr nach dem Willen Gottes, sondern nach dem Willen anderer. Zunächst mag er vielleicht noch verschämt anders denken, schließlich aber wird er zum ängstlichen Kollaborateur der sogenannten »öffentlichen Meinung« Das Salz wird schal, das Zeugnis fahl.»Eine heidnisch gewordene Atmosphäre kann nicht nur »aktiv« ansteckend sein, sie kann auch »passiv« lähmend wirken. Am Anfang steht der Wunsch, nicht aufzufallen. Dann fragt man sich, ob nicht die eigene Glaubensüberzeugung auch nur eine »Einstellung« unter vielen im pluralistischen Meinungskaleidoskop ist. Warum denn dann noch so mühselig gegen den Strom schwimmen, statt sich in einem mehrheitlichen Meinungsklima wohl zu fühlen? So sinkt man allmählich ins schlaffe Mittelmaß ab. Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos erläutert dies am Beispiel der Pharisäer: »Es ist die Ehrsucht, die sie von Gott trennte und auf einen fremden Kampfplatz stellte, wo sie zugrunde gingen. Denn je nachdem die Zuschauer sind, die man hat und denen man gefallen will, richtet man auch seinen Kampf ein. Wer unter den Augen tapferer Menschen ringt, kämpft auch selber tapfer; wer vor Furchtsamen und Feiglingen kämpft, wird selbst zum Schwächling.«4 Wie anders dagegen Stephanus und viele Urchristen!
Lautere Absicht: das ist ein anderes Wort für das ausschließliche Bestreben, Christus zu gefallen. Denn, wie Paulus sagt: Wollte ich noch den Menschen gefallen, dann wäre ich kein Knecht Christi.5 Christen, die sich kritisch über ihn äußern, schreibt er: Mir macht es allerdings nichts aus, wenn ihr oder ein menschliches Gericht mich zur Verantwortung zieht; ich urteile auch nicht über mich selbst (...), der Herr ist es, der mich zur Rechenschaft zieht.6
II. Unlautere Absicht - Eitelkeit oder Selbstsucht - höhlt den Wert eines Tuns aus. Selbst ein wohltätiges Werk wird vor Gott wertlos, wenn seine Absicht nicht lauter ist.
Ein Wort des Lobes kann gelegentlich eine willkommene Geste der Ermunterung sein. Geben wir aber uns statt Gott die Ehre, dann verlangen wir bald nach mehr. Wer Lob erntet, muß wachsam bleiben, denn - so Gregor der Große - »die schwache Seele weicht häufig vom Wege ab, wenn sie von Menschen schmeichelnden Beifall bekommt (...), und sie findet mehr Gefallen darin, glücklich genannt zu werden, als darin, wirklich glücklich zu sein (...). So wird das, was für sie ein Grund des Lobes an Gott sein sollte, zum Grund der Trennung von ihm.«7
Jene, die nur in den Augen der Menschen gut sein wollen, haben ihren Lohn bereits erhalten8: Zustimmung, Lob, Bewunderung. Aber wie viel haben sie gegen so wenig eingebüßt! Denn nichts von all dem hat für die Ewigkeit Bestand. Ganz anders, wenn wir nach den Worten des Paulus zu handeln suchen: Tut alles zur Verherrlichung Gottes!9 Alles ... auch wenn wir meinen, dieses alles sei kaum mehr wert als die zwei kleinen Münzen, die die arme Witwe in den Opferkasten des Tempels warf.10
Stellen wir uns den Herrn in einer ähnlichen Erwartungshaltung vor wie damals im Tempel. Er schaut uns an und streckt seine Hand aus, Tag für Tag. Er nimmt uns nichts von dem weg, was wir in Händen halten, er zwingt uns nicht, die Geste des Gebenden zu vollziehen. Er überläßt es uns, ob wir das armselige Entgelt der Menschen erstreben, oder seinen Lohn.
»Lautere Absicht. - Die Verlockungen des Hochmuts und die Begierde des Fleisches erkennst du sogleich ... und kämpfst und siegst mit Hilfe der Gnade.
Dennoch scheinen dir die Motive, die dich selbst in den bestgemeinten Handlungen bewegen, nicht klar zu sein ... Du vernimmst eine Stimme im Inneren, die dir menschliche Beweggründe nennt, mit solcher Raffinesse, daß in deiner Seele der beunruhigende Gedanke aufkommt, du handeltest nicht so, wie du solltest - aus reiner Liebe, um Gott und nur Gott zu verherrlichen.
Reagiere jedesmal sofort und sprich: >Herr, für mich will ich nichts. - Alles zu deiner Verherrlichung und aus Liebe.«<11
Dieses Wort könnte zu einem Stoßgebet werden, das uns von inneren Zwängen und äußeren Rücksichten freimacht und unsere Absicht läutert: »Herr, für mich will ich nichts. - Alles zu deiner Verherrlichung und aus Liebe.«
III. Wie können wir unsere Absicht läutern? Indem wir die Beweggründe unseres Handelns prüfen. Fragen wir uns in der Gegenwart Gottes, wie wir uns in dieser oder jener Situation verhalten haben, wie wir zu reagieren pflegen. Vielleicht erkennen wir dann auch, daß unser apostolisches Zeugnis zu zaudernd gewesen ist, daß wir in einer bestimmten Situation zu sehr auf die herrschende Meinung geachtet haben, daß wir uns zu leicht einer permissiven Atmosphäre anpassen.
Der Herr gibt uns eine klare Norm: Wenn du Almosen gibst, laß es also nicht vor dir herposaunen12. Und: Deine linke Hand soll nicht wissen, was deine rechte tut. Sprechen wir manchmal nicht allzu selbstgefällig über eine gute Tat?
Der Herr möchte daß unsere guten Taten sozusagen ohne den Seitenblick auf Zeugen geschehen. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten13. Ihm ist nichts gleichgültig, Motiv genug, unser Verhalten - beruflich, familiär, apostolisch - zu läutern. »Ein allzu ungeduldiger und hemmungsloser beruflicher Ehrgeiz kann manchmal die Eigenliebe mit dem Gewande der vermeintlichen >dienenden Nächstenliebe< drapieren. Mit Raffinesse - kein i-Tüpfelchen nehme ich davon zurück! - erfinden wir uns Selbstrechtfertigungen wie etwa: ein solches Angebot dürfe man doch nicht leichtfertig ausschlagen, oder: jetzt lägen besonders günstige Umstände vor ...
Blicke auf Christus: Er ist ja >der Weg<. Auch ihm boten sich während der Jahre seines verborgenen Lebens >besonders günstige< Umstände und >geeignete< Anlässe, um der Zeit seines öffentlichen Wirkens vorzugreifen; zum Beispiel als Zwölfjähriger im Tempel, wo ihn die Gesetzeslehrer seiner Fragen und Antworten wegen bestaunten ... Aber Jesus erfüllt den Willen des Vaters und wartet: Er gehorcht!
Sei unbesorgt, daß dein heiliger Eifer, die ganze Welt zu Gott hinführen zu wollen, verloren gehen könnte. Schleichen sich aber einmal ichhafte Ambitionen ein - möglicherweise Fluchtversuche -, dann halte daran fest, daß auch du zu gehorchen hast. Diese glanzlose Arbeit im Verborgenen - sie ist deine Aufgabe, solange der Herr nicht etwas anderes von dir möchte: Er hat >seine< Zeiten und >seine< Wege .«14
Der Herr erwartet außerdem, daß wir wachsam bleiben, um nicht aus Feigheit, Menschenfurcht oder, angepaßt an Trends und Meinungen, das Gute zu unterlassen. Gelingt es uns dagegen, ausschließlich auf die Erwartungen Gottes zu achten, sind wir freier, weil unabhängig von menschlicher Dankbarkeit oder Kritik. Beides ist, anders als der Lohn Gottes, vergänglich. Wachsamkeit bedeutet, den Blick wie ein Wettkämpfer auf das Ziel gerichtet halten: Darum laufe ich nicht wie einer, der ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt.15 Paulus will also sagen: Sieh stets auf den Preis des ewigen Lebens, dann wird dich kein Trug des zeitlichen Lebens verführen können.
1 Apg 7,51-8,1a. - 2 Th.Schnitzler, Die Heiligen im Jahr des Herrn, Freiburg 1989, S.38. - 3 R.Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S.462. - 4 Johannes Chrysostomos, Homilien über das Matthäusevangelium, 72. - 5 Gal 1,10. - 6 1 Kor 4,3-4. - 7 Gregor der Große, Moralia, 10,47-48. - 8 Mt 6,2. - 9 1 Kor 10,31. - 10 Mk 12,41-44. - 11 J.Escrivá, Der Weg, Nr.788. - 12 Mt 6,2-4. - 13 Mt 6,4.6. - 14 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.701. - 15 1 Kor 9,26.
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