JAHRESKREIS 8. WOCHE - MITTWOCH
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DIENEN LERNEN
Eine große Bitte und ihr Sinn. Für die anderen dasein. In Beruf und Familie.
I. Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf1. Jesus geht seinen Jüngern voran. Der Evangelist erwähnt, daß die Leute sich wunderten und die Jünger Angst hatten. Warum? Sie müssen eine unbegreifliche Energie beim Herrn verspürt haben. Es ist die Entschlossenheit des letzten Ganges, und der Herr vertraut sich den Zwölfen an, sobald sie unter sich sind: In Jerusalem wird der Menschensohn den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben; sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Es ist die dritte Ankündigung der Passion, diesmal in erschütternder Ausführlichkeit.
Vor diesem bedrückenden Hintergrund hören wir die Bitte der Zebedäussöhne: Laß in deinem Reich einen von uns rechts und den anderen links neben dir sitzen. Das angekündigte Leiden haben sie nicht verstanden, aber doch wohl gespürt, daß Jesu Sendung - das Kommen des Reiches - vor ihrer Erfüllung steht. Sie möchten den richtigen Zeitpunkt nicht versäumen und suchen sich eine bindende Zusage Jesu zu verschaffen. »Man wird nicht bloß tadelhaften Ehrgeiz und ungestüme Geltungssucht in dem Verlangen der Jünger sehen dürfen, es war auch Liebe zum Herrn und der Eifer für seine Sache, die große Begeisterung für das messianische Reich, das sie nahe glaubten. So kommt die Bitte aus dem ganz heißen Herzen der Jünger heraus, wo Eifersucht und Eifer für Gott, Liebe zu sich und Liebe zum Meister echt menschlich eng und dicht beisammen wohnen.«2
Wieder einmal können wir beobachten, wie Jesus ein Gesprächsthema aufgreift und auf eine höhere Ebene führt. Der Herr ist nicht empört wie die anderen Jünger, die wahrscheinlich dachten, sie verdienten mindestens ebensoviel Anerkennung oder gar mehr als die beiden Brüder. Ihr wißt nicht, um was ihr bittet: Jesus macht die beiden auf ihre Ahnungslosigkeit aufmerksam und belehrt sie über das Sitzen neben ihm und über die wahre Größe des Dienens.
Der Herr erklärt, »was die Bitte eigentlich meint, wenn man sie ernst nimmt: Sie ist die große Bitte um die Gemeinschaft mit ihm in seinem Leiden. Das Trinken aus dem Kelche - ein der Schrift geläufiges Bild - lag hier nahe, weil die Jünger ja um das Sitzen zur Rechten und Linken gebeten hatten. Jedenfalls dachten sie an eine Tischgemeinschaft beim messianischen Freudenmahl. Der Meister aber will ihnen sagen, daß nicht das Sitzen die Hauptsache ist, daß sich die Gemeinschaft vielmehr in dem Trunk aus dem gleichen Becher bewährt. Der Becher, den er trinken muß, ist aber das Todeslos, das ihm der Vater bestimmt.«3
Die zweite Belehrung erläutert, was Herrschen in seiner Nachfolge bedeutet. Bei euch aber soll es nicht so sein - nämlich wie bei den Mächtigen der Erde. Von der Nachfolge Jesu her ist Herrschen Dienen, Größe Erniedrigung: wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Der Herr nennt auch den Grund: Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Das ganze Leben Christi ist Ausdruck dieser Sendung. Er ist das Vorbild für alle in der Kirche. Der Menschensohn, der Erlöser und Richter der Welt, gibt das Leben hin für alle: dies ist seine Art und Weise, der Erste zu sein. Sie ließ die Apostel, zumal nach der Herabkunft des Heiligen Geistes, verstehen, daß ihr Auftrag Dienen war: Petrus beruft sich darauf, daß er ein Zeuge der Leiden Christi ist, und ermahnt die Ältesten: Seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde.4 Und Paulus sagt, er habe sich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen5.
II. Die Worte des Herrn gelten nicht nur jenen, die damals um ihn waren, sondern allen Jüngern aller Zeiten, drücken sie doch ein charakteristisches Merkmal der christlichen Berufung aus: Dazusein für die anderen. »Weil christlicher Glaube den einzelnen fordert, ihn aber für das Ganze will und nicht für sich selbst, darum ist in dem Stichwort >Für< das eigentliche Grundgesetz der christlichen Existenz ausgedrückt. (...) Deshalb wird im christlichen Hauptsakrament, welches das Zentrum des christlichen Gottesdienstes bildet, die Existenz Jesu Christi als Existenz >für die vielen< - >für euch< erläutert, als die offene Existenz, die die Kommunikation aller untereinander durch die Kommunikation in ihm ermöglicht und schafft.«6
Wer als Jünger Christi leben will, soll die besonde Würde einer in Christus begründeten Dienstwilligkeit entdecken: »Diese Würde drückt sich aus in der Bereitschaft zum Dienst nach dem Beispiel Christi, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Wenn man also im Licht dieser Haltung Christi nur wirklich herrschen kann, indem man dient, verlangt das Dienen gleichzeitig eine solche geistige Reife, die man geradezu als herrschen bezeichnen muß. Um würdig und wirksam den anderen dienen zu können, muß man sich selbst zu beherrschen vermögen, muß man jene Tugenden besitzen, die diese Beherrschung ermöglichen.«7
Christus ließ am Abend vor seinem Leiden dem Für euch bei der Einsetzung der Eucharistie ein zeichenhaftes Geschehen vorangehen, einen Akt tiefster Herablassung, der zeigt, was er unter Dienen versteht. Während des Mahles stand er auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goß er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.8 Er leistet seinen Jüngern den niedrigsten Sklavendienst. »Wieder einmal hat er durch das Beispiel, durch die Tat gepredigt. Jesus kniet sich vor seine Jünger hin, aus deren Unterhaltung Hochmut und Eitelkeit sprechen, und verrichtet freudig den Dienst eines Knechtes. (...) Mich bewegt die feinfühlige Art unseres Herrn. Er sagt ja nicht: Wenn ich schon dies tue, um wieviel mehr sollt ihr es tun. Nein, er stellt sich auf die gleiche Ebene wie sie, er zwingt sie nicht, sondern er tadelt liebevoll ihren Mangel an Großmut.
Auch uns, wie den ersten Zwölf, will der Herr dies zu verstehen geben: Exemplum dedi vobis (Joh 13,15), ich habe euch ein Beispiel gegeben, ein Beispiel der Demut. Ja, er führt es uns ständig vor Augen: Ich bin zum Knecht geworden, damit ihr versteht, von Herzen sanftmütig und demütig allen Menschen zu dienen.«9
Unseren Mitmenschen dienen gründet im Beispiel des Herrn. Das heißt zuallererst, den anderen sein Leben und seine Lehre zu bekunden. Denn »die religiöse Indifferenz und die fast inexistente religiöse Praxis, auch angesichts schwerer Probleme der menschlichen Existenz, sind nicht weniger besorgniserregend und zersetzend als der ausdrückliche Atheismus«10. Das, was den Laien in besonderer Weise zukommt, ist Recht, Pflicht und Dienst zugleich: »Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als einzige und wahre Antwort - die alle mehr oder weniger bewußt erkennen und nennen - auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt. Dieses Zeugnis wird möglich, wenn es den Laien gelingt, den Gegensatz zwischen dem Evangelium und dem eigenen Leben zu überwinden und in ihrem täglichen Tun, in Familie, Arbeit und Gesellschaft eine Lebenseinheit zu erreichen, die im Evangelium ihre Inspiration und die Kraft zur vollen Verwirklichung findet.«11
III. Souverän verkündet Jesus eine ganz neue Art der Beziehung der Menschen zueinander: sich nicht bedienen lassen, sondern dienen. »Damit wurde auch der Sinn des Lebens aller Menschen geoffenbart: Es ist Dienst, Dienst an Gott und Dienst am Mitmenschen. Sträubt man sich gegen den Dienst, so fällt man der Sinnlosigkeit anheim, hat sich von der Wirklichkeit entfernt, hat einen Weg betreten, der zur Unsicherheit und zur Neurose führt. Nur dienende Menschen kosten die Wahrheit und die Tiefe der Existenz aus.«12
Ein wichtiges Feld des Dienens sind Beruf und Familie. Ein praktizierender Christ sieht den Beruf nicht nur als Unterhaltssicherung, sondern auch als weiten Bereich, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Bei manchen Berufen ist dies von selbst gegeben; sie sind ein direkter Dienst am Menschen, aber »im Grunde ist jeder Beruf nichts anderes als ein Dienst, ein Dienst an der Gesellschaft, ein Dienst am Nächsten, und gerade daraus erwächst jeder beruflichen Tätigkeit ihre spezifische Würde und Güte«13.
Es gibt - im Beruf wie in der Familie - Aufgaben, die unumgänglich, aber eher unangenehm sind. Es gilt dann, eindringlicher als sonst, das Wort unseres Herrn zu beherzigen, daß er nicht gekommen sei, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Diensterweise, um die wir uns lieber drücken würden, fallen uns im Blick auf Christus leichter: Kranken in ihren vitalen Bedürfnissen beizustehen, geistig schwachen Menschen Geduld und Warmherzigkeit entgegenzubringen, Behinderten eine kurzweilige Stunde zu bereiten.
Dient dem Herrn mit Freude14, heißt es in der Schrift. Wir können uns den vor seinen Jüngern knieenden Christus doch nicht mißmutig, den eine aufmerksam lauschende Menge lehrenden Christus doch nicht gestreßt, sondern im Gegenteil nur froh, dienstbereit und herzlich vorstellen. Jesus lehrt uns nicht nur das Dienen, sondern auch die erforderliche innere Einstellung. Und jedem, der sich darum bemüht, verheißt er die innere Freude: Selig seid ihr, wenn ihr das wißt und danach handelt15, sagt er nach der Fußwaschung zu den fassungslosen Jüngern.
Viele Menschen besitzen die natürliche Gabe, sich froh und gutgelaunt für andere zu verausgaben. Manch anderer muß sich da eher überwinden. Auf jeden Fall gewinnt auch die geringste Aufmerksamkeit an Wert, wenn sie mit einem aufrichtigen Lächeln getan wird. Gerade bei besonders unangenehmen Diensten können wir an das Beispiel eines jungen Mannes denken, der in einem Krankenhaus bei einer ekelerregenden Arbeit leise vor sich hin sagte: »Jesus, laß mich ein freundliches Gesicht dabei machen!«16
Dienstwilligkeit und Freude machen einen Dienst angenehmer. Und er wird besonders »menschlich« wenn er ganz uneigennützig und ohne auf Gegenleistung zu spekulieren getan wird. Christus belohnt uns reichlich, er würdigt die kleinste Aufmerksamkeit.»Bitten wir Maria, ancilla Domini, die Magd des Herrn, um die innere Größe, uns an die anderen zu verschwenden.
1 Mk 10,32-45. - 2 J.Dillersberger, Markus, Salzburg 1937, S.139. - 3 ebd., S.140. - 4 vgl. 1 Petr 5,1-3. - 5 1 Kor 9,19. - 6 J.Ratzinger, Einführung in das Christentum, München 1968, S.205. - 7 Johannes Paul II., Enz. Redemptor hominis, 21. - 8 Joh 13,4-5. - 9 J.Escrivá, Freunde Gottes, 103. - 10 Johannes Paul II., Apost. Schreiben Christifideles laici, 30.12.1988, 34. - 11 ebd. - 12 J.B.Torelló, Psychologie des Alltags, Linz 1993, S.137. - 13 ebd. - 14 Ps 100,2. - 15 Joh 13,17. - 16 vgl. J.Escrivá, Der Weg, Nr.626.
http://www.hablarcondios.org/de/tagesmeditation.asp
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