Sonntäglicher Gemeindegottesdienst ohne Priester Wie genau verhält sich das dabei mit der Sonntagspflicht?
Rom, 31. Juli 2015 (ZENIT.org) Edward McNamara LC | 55 klicks
P. Edward McNamara, Professor für Liturgie und Studiendekan der Theologischen Fakultät am Päpstlichen Athenäum „Regina Apostolorum“ in Rom, beantwortet eine Frage zur Sonntagspflicht, wenn es keine Messfeier gibt.
Frage: Vor kurzem hat unser Pfarrer uns wissen lassen, dass er für zwei Wochen in Urlaub geht. Die Priester aus den Pfarreien der Umgebung wären im Notfall, bei Beerdigungen oder in ähnlichen Bedarfsfällen verfügbar. Es wird für die Zeit seiner Abwesenheit, das heißt während der beiden Sonntage, keine Urlaubsvertretung geben. Stattdessen wird unser Diakon eine Wortgottesdienstfeier mit Kommunionausteilung leiten, wobei die Hostien aus dem Tabernakel entnommen werden. Es gibt in der näheren Umgebung, das heißt 10 - 20 Minuten Fahrweg entfernt, andere Pfarreien. Erfülle ich meine Sonntagspflicht, wenn ich zu dem Sonntagsgottesdienst gehe, dem der Diakon vorsteht? Oder sollte ich eine der nahen Nachbarpfarreien besuchen? – J.S., Nova Scotia, Kanada.
P. Edward McNamara: Meiner Meinung nach sind hier zwei Fragen zu beantworten. Eine bezieht sich auf die Sonntagspflicht, d.h. für den einzelnen Gläubigen die Pflicht zur Teilnahme an der Messfeier, die andere bezieht sich auf die pastorale Frage, ob man einen Gemeindegottesdienst mit Kommunionausteilung organisieren sollte, wenn ein Priester fehlt.
Zur ersten Frage findet man im Codex des kanonischen Rechts unter cann. 1247 und 1248 zwei Bestimmungen.
Can. 1247 handelt von der Pflicht zur Teilnahme an der sonntäglichen Messfeier. Für den Fall, dass die Teilnahme an einer Eucharistiefeier unmöglich ist, weil es an einem geistlichen Amtsträger fehlt oder ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, wird in can. 1248 § 2 sehr empfohlen, dass die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen, wenn ein solcher in der Pfarrkirche gefeiert wird.
Die kirchenrechtlichen Vorschriften sind klar: Die Teilnahme an der Messfeier ist verpflichtend, es sei denn es liegen „schwerwiegende Gründe“ vor, die dies unmöglich machen. Der Ausdruck „schwerwiegende Gründe“ weist darauf hin, dass die Pflicht sehr ernst zu nehmen ist. Bei anderen Pflichten, die eher eine Ausnahme zulassen, wird im Kirchenrecht in der Regel die Formel „aus gerechtem Grund“ verwendet.
Wichtig ist es auch, darauf hinzuweisen, dass die Pflicht des Katholiken darin besteht, an der Messe teilzunehmen und nicht „zur Messe zu gehen“. Wenn aber etwas objektiv gesehen unmöglich ist, erlischt die dementsprechende Pflicht, was nach dem im Kirchenrecht verankerten Moralprinzip „ad impossibilia nemo tenetur“ geschieht („niemand ist verpflichtet, das Unmögliche zu tun”). Allerdings empfiehlt die Kirche den Katholiken – verpflichtet sie aber nicht dazu – den Sonntag in irgendeiner anderen Weise zu heiligen, wie zum Beispiel durch die Teilnahme an Wortgottesdiensten mit Kommunionausteilung, durch das Mitverfolgen einer im Fernsehen übertragenen Messfeier oder durch das Gebet.
Sofern die Teilnahme an einer Messfeier tatsächlich unmöglich ist, besteht die Sonntagspflicht gar nicht mehr, denn in Übereinstimmung mit klassischen moraltheologischen Prinzipien erlischt diese Pflicht immer dann und nur dann, wenn dieser Fall vorliegt. Durch die Teilnahme an einem Gemeindegottesdienst mit Kommunionausteilung erfüllt man also nicht seine Sonntagspflicht, sondern folgt der im Kirchenrecht ausgesprochenen Empfehlung, den Sonntag in anderer Weise zu heiligen.
Damit etwas objektiv gesehen unmöglich ist, muss nicht unbedingt eine dramatische Situation vorliegen. Beispiele hierfür könnten alters- oder krankheitsbedingte Situationen sein, die Notwendigkeit, für einen kranken Verwandten zu sorgen, oder auch verschiedene Wetterbedingungen, die das Verlassen des Hauses zu einer gefährlichen Angelegenheit werden lassen. Katholiken, die als Polizisten, medizinisches Personal oder Flugbegleiter unerlässliche Sonntagsarbeit leisten, sind auch von dieser Pflicht enthoben.
Da sich aber die Umstände von Person zu Person ändern, ist es nicht immer leicht zu beurteilen, was objektiv unmöglich ist. Doch sollten Katholiken ihre Entscheidung nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn sie eine Bestandsaufnahme ihrer Schwierigkeiten machen. Sie sollten bereit sein, angemessene Opfer auf sich zu nehmen, um an der Messfeier teilzunehmen.
Wenn also ein Katholik an einer Messfeier in einer anderen Pfarrei teilnehmen kann, ohne dass sich deswegen für ihn große Schwierigkeiten ergeben, dann ist er oder sie vom Gewissen her verpflichtet, das zu tun.
Die zweite Frage bezieht sich auf die pastorale Entscheidung, wann in einer Pfarrei statt einer Messfeier ein Gemeindegottesdienst mit Kommunionausteilung angeboten werden sollte. Mit dieser Maßnahme würde man Katholiken, die nirgendwo anders an einer Messfeier teilnehmen können, erlauben, der Empfehlung der Kirche Folge zu leisten und den Sonntag auf eine andere Weise zu heiligen.
Der Heilige Stuhl hat 1988 ein Direktorium mit Leitlinien veröffentlicht, damit die Bischöfe, falls in ihren Bistümern solche Feiern notwendig würden, über genaue Vorschriften verfügen. Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Sonntagsgottesdienste in Abwesenheit von Priestern gefeiert werden können, sind unter anderem folgende:
„18. Wenn an einem Ort am Sonntag keine Messe gefeiert werden kann, ist zunächst zu überlegen, ob die Gläubigen eine in der Nachbarschaft gelegene Kirche aufsuchen können, um dort an der Feier der Eucharistie teilzunehmen. Diese Lösung ist auch heute noch zu empfehlen und — soweit möglich — beizubehalten. Erforderlich dafür ist, dass die Gläubigen — über die große Bedeutung der sonntäglichen Versammlung unterrichtet — sich den neuen Verhältnissen bereitwillig anpassen.
19. Auch wenn keine Messe stattfindet, ist es zu wünschen, dass den Gläubigen bei den verschiedenen Formen der sonntäglichen Versammlungen die Reichtümer der Heiligen Schrift und des Gebetes der Kirche dargeboten werden; sie sollen nicht auf die im Laufe des Jahres bei der Messe vorgetragenen Lesungen und auf die Gebete der verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres verzichten müssen.
20. Von den verschiedenen Arten der Gottesdienste, die gemäß der liturgischen Überlieferung dann gehalten werden, wenn keine Messfeier stattfinden kann, wird der Wortgottesdienst sehr empfohlen, der — wo es angemessen erscheint — durch die Kommunion abgeschlossen werden kann. So können die Gläubigen gleichzeitig mit dem Wort und dem Leib Christi genährt werden. Wenn sie nämlich das Wort Gottes hören, erkennen sie, dass die Wundertaten des Herrn, die verkündigt werden, ihren Höhepunkt im Pascha-Mysterium erreichen, dessen Gedächtnis in der Messe sakramental gefeiert wird und an dem sie durch den Empfang der heiligen Kommunion teilhaben.
Darüber hinaus kann in bestimmten Fällen die Feier des Herrentages passend mit den Feiern von Sakramenten und vor allem auch von Sakramentalien entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Gemeinde verbunden werden.
21. Den Gläubigen muss der Ersatzcharakter derartiger Feiern klar sein, damit sie sie nicht für eine optimale Lösung der heutigen Schwierigkeiten oder für ein Zugeständnis an die Bequemlichkeit halten. Versammlungen und Zusammenkünfte dieser Art dürfen daher niemals an einem Sonntag an Orten gehalten werden, an denen am selben Tag schon eine Messe gefeiert wurde oder noch gefeiert wird oder am Vorabend gefeiert wurde, auch nicht in einer anderen Sprache; zudem sollten nicht mehrere derartige Versammlungen stattfinden.
22. Jede Verwechslung von Versammlungen dieser Art mit einer Eucharistiefeier ist sorgfältig zu vermeiden. Solche Versammlungen dürfen bei den Gläubigen das Verlangen nach der Teilnahme an der Eucharistiefeier nicht mindern, sondern sollen es vielmehr verstärken und eine größere Bereitschaft zur Teilnahme wecken.
23. Die Gläubigen müssen wissen, dass das eucharistische Opfer nicht ohne Priester möglich ist und dass die Kommunion, die sie bei Sonntagsgottesdiensten ohne Priester empfangen können, auf das engste mit dem Messopfer verbunden ist. Von daher kann den Gläubigen deutlich gemacht werden, wie notwendig es ist, darum zu beten: dass die Zahl der Ausspender der heiligen Geheimnisse wachse und sie in der Liebe des Herrn bleiben.
24. Es ist Sache des Diözesanbischofs — nach Anhörung des Priesterrates — zu entscheiden, ob in seinem Bistum regelmäßig sonntägliche Gemeindegottesdienste ohne die Feier der Eucharistie stattfinden sollen, und dafür unter Berücksichtigung der örtlichen und personellen Umstände nicht nur allgemeine, sondern auch ins einzelne gehende Bestimmungen zu erlassen. Solche Versammlungen sollen also nur nach Weisung des Bischofs und unter der pastoralen Verantwortung des Pfarrers eingeführt werden.
25. Eine christliche Gemeinde wird nur auferbaut, wenn sie ihre Wurzel und ihren Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat. Bevor daher ein Bischof die Einführung sonntäglicher Versammlungen ohne Eucharistiefeier beschließt, soll er nicht nur die Organisation der Pfarreien überprüfen (vgl. Nr. 5), sondern auch die Möglichkeiten, auf Priester (auch Ordensleute) zurückzugreifen, die nicht direkt in der Seelsorge tätig sind; ebenso ist die Messhäufigkeit in den verschiedenen Pfarreien und Kirchen zu überprüfen. Die Feier der Eucharistie muss Vorrang vor anderen pastoralen Tätigkeiten behalten, vor allem am Sonntag.
26. Der Bischof soll persönlich oder durch jemand anderen die diözesane Gemeinschaft über die Gründe unterrichten, die zu solchen Maßnahmen führen, und dabei ihre Bedeutung aufzeigen sowie zur Solidarität und Zusammenarbeit auffordern. Er soll einen Beauftragten oder eine eigene Kommission einsetzen, die für die rechte Durchführung dieser Feiern sorgt. Er wähle Leute aus, die sich dieser Feiern annehmen, und er sorge dafür, dass sie entsprechend unterwiesen werden. Sein Bestreben sollte zugleich dahin gehen, dass die betroffenen Gläubigen mehrmals im Jahr auch an einer Eucharistiefeier teilnehmen können.
27. Aufgabe des Pfarrers ist es, den Bischof darüber zu unterrichten, ob in seinem Gebiet solche Feiern angebracht sind; er hat ferner die Gläubigen darauf vorzubereiten, sie zwischendurch an den Wochentagen zu besuchen und zu passenden Zeiten für sie die Sakramente, vor allem das der Buße, zu feiern. So wird eine solche Gemeinde wirklich erfahren können, dass sie sich am Sonntag nicht „ohne Priester“ versammelt, sondern nur „in seiner Abwesenheit“, besser noch „in seiner Erwartung“.
28. Wenn eine Messe nicht möglich ist, wird der Pfarrer dafür sorgen, dass die heilige Kommunion ausgeteilt werden kann. Er wird auch Vorsorge treffen, dass in jeder Gemeinde zu passenden Zeiten die Eucharistie gefeiert wird. Die konsekrierten Hostien sollen häufig erneuert und an einem sicheren Ort aufbewahrt werden.
29. Zum Vorsteherdienst für solche sonntäglichen Versammlungen sind als erste Helfer der Priester Diakone heranzuziehen. Weil nämlich der Diakon zur Leitung und Förderung des Wachstums des Volkes Gottes geweiht ist, kommt es ihm zu, das Gebet zu leiten, das Evangelium zu verkünden, die Homilie zu halten und die Kommunion auszuteilen. …
32. Wenn am Sonntag ein Wortgottesdienst mit Austeilung der heiligen Kommunion nicht stattfinden kann, wird den Gläubigen sehr empfohlen, dass sie sich eine entsprechende Zeit lang dem persönlichen Gebet oder dem Gebet in der Familie oder gegebenenfalls in Familienkreisen widmen. In diesen Fällen können auch Radio- oder Fernsehübertragungen von Gottesdiensten eine Hilfe sein.
33. Vor allem soll man die Möglichkeit in Betracht ziehen, einen Teil der Stundenliturgie — z. B. die Laudes oder die Vesper — zu feiern, in die auch die Sonntagslesungen eingefügt werden können. Denn wenn die Gläubigen zur Feier des Stundengebetes gerufen werden und in ihrer Versammlung Herz und Stimme vereinen, wird in ihnen Kirche sichtbar, die das Mysterium Christi feiert. Am Ende dieser Feier kann die Kommunion ausgeteilt werden (vgl. Nr. 46).
34. Die einzelnen Gläubigen oder Gemeinden, die aufgrund von Verfolgungen oder durch den Mangel an Priestern für kürzere oder längere Zeit die Eucharistiefeier entbehren müssen, gehen deshalb der Gnade des Erlösers keineswegs verlustig. Wenn sie, zutiefst vom Wunsch nach dem Sakrament geleitet und im Gebet mit der ganzen Kirche vereint, den Herrn anrufen und ihre Herzen zu ihm erheben, haben sie in der Kraft des Heiligen Geistes Gemeinschaft mit der Kirche, die der lebendige Leib Christi ist, und mit dem Herrn selbst ... und sie empfangen daher die Früchte des Sakramentes.“
Bischöfe und Pfarrer müssen die verschiedenen Faktoren im Lichte dieses Dokuments ernsthaft erwägen.
Bei diesen Erwägungen ist es wichtig, auf die Lage jener Menschen zu schauen, denen sich kaum eine Alternative bietet. Man denke dabei zum Beispiel an die Armen, die Kranken und die alten Menschen. Sie sollen nicht um den Trost gebracht werden, wenigstens die Kommunion zu empfangen. Solch eine Situation könnte allerdings auch Chancen bergen, um die Nächstenliebe auf Pfarreiebene zu üben und auszubauen, indem man nämlich die Gläubigen dazu aufruft, Bedürftigen auf freiwilliger Basis Transportmöglichkeiten zur Messfeier in einer anderen Pfarrei anzubieten.
Wenn das nicht möglich sein sollte und eine bedeutende Anzahl keine Kommunion empfangen würde, dann wäre es wahrscheinlich am besten, beim Bischof die notwendige Erlaubnis einzuholen, um sonntägliche Gemeindegottesdienste mit Kommunionausteilung zu halten. Doch sollte man die Gläubigen davon in Kenntnis setzen, dass diese Feiern für diejenigen angeboten werden, die keine Alternativen haben und dass jene, denen es möglich ist, an der nächstgelegenen Messfeier teilzunehmen, dies tun sollten.
Natürlich würde ein Katholik, der auch nur einen kleinen Einblick in die volle Bedeutung einer Messfeier hat, sie nie freiwillig für einen Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung eintauschen.
Trocken gesagt bedarf Gott selbst unserer Anwesenheit bei der Messfeier nicht und wenn wir hingehen, tun wir ihm damit keinen Gefallen. Wir sind es vielmehr, die seine Gegenwart brauchen und von seinen Gnaden profitieren.
Ich würde die Frage also nicht vom Gesichtspunkt einer Verpflichtung angehen, sondern die eigene Anwesenheit als liebevolle Annahme des Angebots Gottes sehen, der mich dazu einlädt, am Opfermahl seines Sohnes teilzunehmen. Aufgabe des Pfarrers ist es daher, darauf hinzuwirken, dass seine Pfarrgemeinde im Eifer wächst und den tiefen Wunsch hegt, am größten Geheimnis, das es diesseits des Himmels gibt, voll und ganz teilzunehmen.
Wie das oben erwähnte Direktorium uns in Erinnerung ruft, ist es schließlich auch wichtig daran zu denken, dass die Vorgaben für Sonntagsgottesdienste in Abwesenheit eines Priesters immer als eine Ausnahmeregelung angesehen werden. Das sollte uns Grund genug sein, um Gelegenheiten zu schaffen, bei denen wir den Herrn der Ernte um Arbeiter für seine Ernte bitten.
(31. Juli 2015) © Innovative Media Inc.
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