"You stink!"-Demos: Beiruts Kirchenführer warnen vor Infiltration
In der libanesischen Hauptstadt drangen Dutzende Demonstranten ins Umweltministerium ein und demonstrierten dort stundenlang
Beirut, 02.09.2015 (KAP) In der libanesischen Hauptstadt Beirut, wo die Müllabfuhr zusammengebrochen ist, sind am Dienstag Dutzende Antiregierungsaktivisten in das Umweltministerium eingedrungen und haben dort etwa sechs Stunden lang demonstriert. Nach Angaben von Augenzeugen wurde das Gebäude am Dienstagabend von einem Sondereinsatzkommando der Polizei gestürmt. Die Demonstranten erklärten auf ihrer Facebook-Seite, die Polizisten hätten mehrere ihrer Aktivisten geschlagen.
Die Aktion fand im Rahmen der "You stink!"-Bewegung statt, die sich gegen die gesamte politisch-soziale Führungsschicht und den verkrusteten Konfessionalismus im Land richtet. Viele Beobachter befürchten allerdings ein Abgleiten des Lande in die völlige Unregierbartkeit und ins Chaos. Den mit immer radikaler werdenden Methoden versuchen die "You stink"!-Demonstranten, die Politik zum Handeln zu bewegen, nachdem sich seit Wochen der Müll in der Hauptstadt Beirut türmt und unerträglichen Gestank verursacht.
Die Demonstrationen seien zwar ein legitimes Mittel der "demokratischen Druckausübung" gegen unglaubwürdige Politiker, die für die Krise im Land verantwortlich seien, betonten die christlichen Patriarchen am Dienstag bei einem Treffen am Sitz des maronitischen Kirchenoberhaupts in Bkerke. Zugleich machten sie aber darauf aufmerksam, dass die durch die dramatische "Müll-Krise" befeuerten Demonstrationen auch Gefahren bergen, "insbesondere wenn sich die Spannungen zuspitzen und die Flammen, die rund um den Libanon brennen, die Stabilität des Landes in Gefahr bringen".
Die Patriarchen warnten vor "gewalttätigen Infiltrationen unter friedlichen Demonstranten" und beklagten Gewalt und Vandalismus bei Demonstrationen im Zentrum von Beirut. Man müsse verhindern, dass der Libanon "ins Unbekannte" abstürzt und die Tragödien der Nachbarländer auf die Zedern-Republik übergreifen.
Im Hinblick auf die Lähmung der Institutionen des Landes - es gibt seit mehr als einem Jahr keinen Präsidenten, das Parlament hat aus eigener Machtvollkommenheit die längst abgelaufenen Mandate der Abgeordneten verlängert - verurteilten die Patriarchen "die Unfähigkeit der Führungskräfte, die nicht in der Lage sind, die elementaren Bedingungen zu garantieren, die für ein würdiges Leben notwendig sind".
An erster Stelle forderten die Patriarchen die Wahl des Staatsoberhaupts (das auf Grund des "Pacte national" von 1943 immer ein maronitischer Christ sein muss) in Übereinstimmung mit den konstitutionellen Normen und die Überwindung der bisher eingelegten Vetos; seit Mai 2014 ist deshalb das Präsidentenamt nicht besetzt ist. Die Wahl des neuen Präsidenten müsse der Abhaltung von Neuwahlen für das Parlament vorausgehen.
Damit lehnten die Kirchenführer Vorschläge jener politischen Zirkel ab, die der Ansicht sind, dass die Krise nur durch die Auflösung des Parlaments gelöst werden könne. Die amtierende Regierung, heißt es in der gemeinsamen Botschaft der Patriarchen, müsse im Amt bleiben, bis ein neuer Präsident gewählt ist. Danach müsse eine neue Regierung Reformen des Wahlrechts und institutionelle Reformen auf den Weg bringen, damit weitere Lähmungen und ein erneutes Machtvakuum verhindert werden.
An dem Treffen in Bkerke nahmen mit dem "Hausherrn", Kardinal-Patriarch Boutros Bechara Rai (maronitische Kirche), die Patriarchen Youhanna X. (antiochenisch-orthodoxe Kirche), Aram I. (armenisch-apostolische Kirche), Gregorios III. Laham (melkitische griechisch-katholische Kirche), Ignatius Yousef III. Younan (syrisch-katholische Kirche) sowie der Apostolische Nuntius, Erzbischof Gabriele Caccia, teil. Eingeladen waren auch die muslimisch-sunnitischen und muslimisch-schiitischen Muftis. Bisher wurden noch keine detaillierten Gründe für deren Abwesenheit bekannt.
Dieser Text stammt von der Webseite http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/72133.html des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich.
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