Vatikan-Journalist Politi: Synode im Herbst wird zum Gradmesser
Unter Wölfen: Der Papst und seine Feinde" - Noch nicht klar, ob Franziskus Kampf um Reform und Zukunft der Kirche gewinnen kann
Wien, 04.09.2015 (KAP) Als "Gradmesser" für das Pontifikat von Franziskus bezeichnete der deutsch-italienische Journalist und Vatikankenner Marco Politi die im Oktober stattfindende Familiensynode. Sie sei deswegen so wichtig, da hier die Konflikte innerhalb der Kurie und der Weltkirche "offen zur Schlacht getragen werden". Über den Ausgang der Synode könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Prognose abgeben. Allerdings würde der Kreis der Gegner des Papstes in letzter Zeit zunehmend aggressiver agieren. Politi stellte am Donnerstagabend in Wien sein neues Buch mit dem Titel "Franziskus unter Wölfen: Der Papst und seine Feinde" (Herder-Verlag) vor. In diesem diskutiert der Autor die Frage, ob der Papst den entscheidenden Kampf um die Reform und die Zukunft der Kirche überhaupt gewinnen kann. Die Gegner des Papstes würden ihren Widerstand zwar weniger mit Worten formulieren, aber durchaus auf indirektem Wege agieren. "Erst wird dem Papst applaudiert, aber dann passiert nichts, diese Passivität ist auch ein deutliches Signal", so Politi. Die Umfrage an das Kirchenvolk im letzten Jahr habe viele in der Kurie verunsichert. Sichtbar sei dadurch geworden, welche Bischöfe den Vorhaben des Papstes skeptisch gegenüberstehen, da sie sich in der Verbreitung und Aufarbeitung der Umfrage äußerst passiv verhielten. Diese Passivität sei bei nahezu allen Vorstößen des Papstes deutlich zu erkennen, so Politi. Franziskus sei der erste Papst, der die Globalisierung der Welt in seiner ganzen Bandbreite kennengelernt habe. Es sei ihm deswegen ein besonderes Anliegen, auch die Kurie so international wie möglich zu gestalten. Er wünsche sich, dass sich die Mitglieder der Kirche so frei und offen wie möglich untereinander austauschen können. Dieser Versuch, die Kirche in eine Gemeinschaftskirche zu wandeln, würde aber bei einer Reihe von Kardinälen und Bischöfen auf wenig positive Resonanz stoßen, da sie einen Autoritätsverlust der katholischen Kirche fürchten. "Ich schätze die Anhänger des Papstes auf zwanzig Prozent. Zehn Prozent sind offene Gegner, siebzig Prozent sind unentschlossen und geben sich bedeckt." Es sei von großer Bedeutung, in welche Richtung sich die Unentschlossenen entwickeln, so Politi. Trotz seines stets offenen und fröhlichen Wesens beschreibt Politi Franziskus als eher zurückgezogenen Charakter. "Er ist als Gläubiger stark nach innen gekehrt, das ist auch in seinen Messen, die oft von Momenten der Stille geprägt sind, zu spüren." Diese zwei Seiten machen ihn zu einem äußerst komplexen Menschen. Auch durch sein Leben in Südamerika, in dem er systematisch und intensiv den Kontakt zu den ärmsten Mitgliedern der Gesellschaft gesucht hat, sei seine Vorstellung von Kirche nachhaltig geprägt worden. "Kirchenvolk ist gefragt" Unter dem Kirchenvolk ortete Politi eine zunehmende Passivität bei der Unterstützung des Papstes. Im Großen und Ganzen fehle eine Reformbewegung innerhalb der Kirche, die den Papst von der Basis aus stärke. Die Gefahr sei, "dass alle dem Papst zuhören und ihn schätzen, ihn aber bei der Umsetzung alleine lassen", so Politi. Marco Politi schrieb 20 Jahre lang für die italienische Tageszeitung "La Repubblica" und war für das Blatt Berichterstatter aus dem Vatikan. Er gilt als profunder Kenner des Vatikan und der römischen Kurie. O-Töne von Marco Politi sind in Kürze unter www.kathpress.at/audio abrufbar.
Dieser Text stammt von der Webseite http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/72181.html des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich.
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