Österreich: „Es ist genug! Genug des Sterbens und der Verfolgung!"
Vor dem Parlament in Wien: Demonstrantion für Flüchtlinge - AFP
01/09/2015 09:56SHARE: 0:00
Im Wiener Stephansdom versammelte sich am Montagabend fast die gesamte österreichische Regierung und auch etliche Religionsvertreter. Sie nahmen an dem Gedenkgottesdienst für die 71 toten Flüchtlinge teil und lauschten aufmerksam der Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, der, wie auch Papst Franziskus, zu einem Ende der Katastrophe aufrief.
„Es ist genug! Genug des Sterbens, genug des Leides und der Verfolgung. Wir können nicht mehr wegschauen. Zu grauenhaft ist der Gedanke an das Todesleiden und das Sterben dieser 71 Flüchtlinge in einem Kühlwagen für Fleischtransporte. Nicht auszudenken und doch notwendig daran zu denken, zu ahnen, wie sie gestorben sind.“
Es sei eine Trauer um unsere „Geschwister, unsere Mitmenschen“, so der Kardinal wörtlich. Es sei endlich an der Zeit, „aus der Starre zu erwachen und uns entschieden der wohl größten humanitären Herausforderung Europas in den letzten Jahrzehnten zu stellen“, betonte Schönborn weiter. Das gehe nur gemeinsam, im Zusammenspiel von Staaten, Gemeinden und Religionsgemeinschaften.
Europa sei vielfach überrascht worden, dass täglich hunderte, ja tausende Flüchtlinge hier Schutz suchen, räumte der Wiener Erzbischof ein. Aber: „Man konnte ahnen, dass es zu großen Migrationen kommen wird. Jetzt ist es Realität. Und es wird Realität bleiben. Und es wird unser Leben verändern. Der schreckliche Tod auf der A4 hat uns bewusst gemacht, dass wir keinen anderen Weg haben, als gemeinsam uns dieser Realität zu stellen. Nicht erst morgen. Heute." Kardinal Schönborn verwies in seiner Predigt auch auf Papst Franziskus und dessen erste Reise als Papst 2013 auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa. Seine Worte gegen die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ seien nicht vergessen, so Schönborn. An die Politik verschiedener europäischer Staaten richtete der Kardinal die Forderung, gerechter zu handeln. „Es kann nicht sein, dass manche Länder nur minimale Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen und andere Höchststände haben.“ Es sei zugleich „aber auch keine Schande, wenn unser Land bei den Flüchtlingen einen besseren Ruf hat als andere. Einen guten Ruf in Humanität zu haben, dafür brauchen wir uns nicht zu schämen.“
Fast zeitgleich mit dem Gedenkgottesdienst demonstrierten in Wien rund 20.000 Menschen gegen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen unter dem Motto „Mensch sein in Österreich“. „Europa soll kein Massengrab werden“, „Menschenwürde an erster Stelle“ oder „Muslime und Flüchtlinge willkommen“ waren auf den Transparenten zu lesen. Zeitgleich zu der Massenkundgebung kamen am Wiener Westbahnhof hunderte Flüchtlinge an, die über Ungarn eingereist waren. Sie wurden von Polizei und freiwilligen Helfer mit Obst und Wasser versorgt, ihr ursprüngliches Ziel war München.
(kap/rv 01.09.2015 no)
Beliebteste Blog-Artikel:
|