07.09.2015 15:30 Die Kirche gibt Zuflucht Bereits jetzt folgen viele Pfarreien, Klöster und Gemeinschaften in Europa dem Appell des Papstes, Flüchtlinge aufzunehmen
Willkommenskultur im Zeichen des Kreuzes:
Rom/München/Wien (DT/KNA/KAP) Papst Franziskus hat alle Pfarreien, Gemeinschaften und Klöster in Europa aufgerufen, eine Familie aufzunehmen. Das wäre eine konkrete Geste der Solidarität und der christlichen Nächstenliebe zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, sagte er am Sonntag in Rom (siehe Seite 7). Nach Ansicht des chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Raphael Sako kann dies nur eine „Teil-Lösung“ sein. Im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR sagte er, Solidarität sei eine Notwendigkeit: „Wir müssen unsere Herzen öffnen, mit den anderen teilen, was wir haben.“ Aber das sei provisorisch. Notwendig sei eine Dauerlösung. „Es ist sehr traurig, mitanzusehen, wie die Menschen alles verlassen, um eine Zuflucht zu finden. Es ist auch die Schuld der internationalen Gemeinschaft, die diesen Ländern nicht hilft, einen Weg des Friedens und der Versöhnung zu finden und damit zulässt, dass der Exodus weitergeht, während man alles tun müsste, um den Frieden in den Herkunftsländern aufzubauen.“ Sako verlangte im Gespräch mit SIR eine „politische Lösung“, um das Problem des Exodus aus dem Nahen Osten an der Wurzel anzugehen.
Bereits jetzt folgen viele kirchliche Einrichtungen dem Appell des Papstes: Ins Sankt-Beda-Haus der Abtei Schweiklberg in Vilshofen sollen ab 1. November unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einziehen. Die Abtei stellt das Grundstück und das ehemalige Gäste- und Tagungshaus zur Verfügung. Die Diözese Passau mietet die Liegenschaft an und wird 380 000 Euro in die Instandsetzung investieren. Im Bistum Fulda haben mehrere Pfarreien Flüchtlinge aufgenommen, ebenso das Priesterseminar. Im Bistum Trier werden 40 von Kirchengemeinden zu Verfügung gestellte Unterkünfte für Flüchtlinge genutzt. Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker bat seine Kirchengemeinden, zu überprüfen, wo Wohnraum bereitgestellt werden könne. Es gebe in Paderborn Beispiele, bei denen Pfarrheime erfolgreich in Wohnungen umgewandelt worden seien. Der Flüchtlingsfonds, der es Kirchengemeinden ermögliche, vor Ort Hilfe für Flüchtlinge zu leisten, sei ein Beispiel gelebter Nächstenliebe.
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, hat den Einsatz der Bürger für die Flüchtlinge gewürdigt. Dabei sei das Engagement der Caritas in den Aufnahmeeinrichtungen hervorzuheben, sagte Eterovic am Sonntag. Zugleich rief er die Katholiken auf, gegenüber den 40 Prozent Nichtchristen im Land die biblische Botschaft entschieden und unverfälscht zu vertreten.
Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hießen aus Ungarn kommende Flüchtlinge am Samstag am Münchner Hauptbahnhof willkommen und dankten den Helfern. Magdeburgs Bischof Gerhard Feige rief zur Solidarität mit den nach Europa strömenden Flüchtlingen und zum Schutz für verfolgte Christen auf. „Politische Interventionen für ihren Schutz sind gefragt, materielle Unterstützung für die Flüchtlinge an den neuen Aufenthaltsorten und wenn sie bei uns Zuflucht suchen, die Bereitschaft, sie freundlich aufzunehmen.“ Es müsse für Christen selbstverständlich sein, Flüchtlingen unabhängig von deren Religion und Weltanschauung zu helfen, so Feige. Nach Auffassung des Görlitzer Bischofs Wolfgang Ipolt ist die Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen ein Ansporn für Christen zum Bekenntnis ihres Glaubens. Bei einer Wallfahrt am Sonntag wandte er sich dagegen, „über fremde Religionen zu klagen“. Christen müssten sich „bewusst outen und zu ihrem Glauben stehen“.
Die ungarische Benediktinerabtei Pannonhalma setzt sich über staatliche Verbote hinweg und nimmt Flüchtlinge auf, berichteten ungarische Medien am Samstag. Die Mönche wollten nicht mehr nur „diskret“ helfen, wie Kardinal Peter Erdö in einer Pressekonferenz die kirchliche Flüchtlingshilfe bezeichnet hatte, sondern direkt. „Wir dürfen niemanden vor der Tür stehen lassen, denn dies stünde im Gegensatz zum Evangelium“, so Erzabt Asztrik Varszegi. Laut Berichten seien Familien aufgenommen worden, die in der Nacht – vermutlich von zivilen Helfern – auf der Autobahn im Raum Györ aufgegriffen worden waren, wo sie zu Fuß in Richtung der österreichischen Grenze unterwegs waren. Triebfeder des Engagements der Benediktiner soll eine Initiative von Schülern des zur Abtei gehörenden Gymnasiums gewesen sein: Als diese vom Fußmarsch der Flüchtlinge in Richtung Grenze erfuhren, hätten sie sich entschlossen, diese Menschen als Pilger zu begleiten. Man werde die Türen offen halten, so der Erzabt, eine Begrenzung gebe es nur in Form der räumlichen Kapazitäten.
Angesichts der Entwicklung an der ungarischen Grenze mit tausenden Flüchtlingen stellt die Diözese Eisenstadt kurzfristig Notquartiere zur Verfügung. Bischof Ägidius Zsifkovics bot auch Gästezimmer im Bischofshaus als Notquartiere an. Die Diözese Graz baut ihre Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen aus und wird in den nächsten Monaten 300 neue Quartiere zur Verfügung stellen. Aktuell sind 709 Asylbewerber in kirchlichen Räumlichkeiten untergebracht. In Oberösterreich ist die Kirche der größte private Quartiergeber für Flüchtlinge. Aktuell sind in der Diözese Linz 6 900 Flüchtlinge in der Grundversorgung des Landes untergebracht, 1 300 davon leben in 60 kirchlichen Quartieren, die im Besitz der Diözese stehen oder angemietet wurden. Das Zisterzienserstift Wilhering beherbergt 20 Asylbewerber.
Im Stift Schlägl steht ein Gebäude mit 15 Plätzen zur Verfügung. Im ehemaligen Kapuzinerkloster in Braunau leben 40 Flüchtlinge, im Kapuzinerkloster Ried sind 20 Menschen untergebracht. Im ehemaligen Stift Steyr-Gleink werden 35 Asylsuchende von der Caritas betreut. Die Benediktinerinnen in Steinerkirchen haben 14 Asylwerber aufgenommen. Die österreichische Caritas stellt 5 000 Grundversorgungsplätze zur Verfügung, davon 260 für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 11 900 Personen, die in anderen Quartieren untergebracht sind, werden von der Caritas mobil betreut.
Wiens Kardinal Christoph Schönborn hat an die Bischöfe in der EU appelliert, eine gemeinsame Linie zu finden: „Wir fordern von der EU eine gemeinsame Position in der Flüchtlingsfrage, das dürfen wir aber auch von den Bischöfen erwarten.“ Schönborn äußerte sich im Vorfeld der Vollversammlung des „Rates der Europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE), die ab 11. September im Heiligen Land stattfinden wird tagespost
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