21.09.2015 15:20 „Die Familie ist ,präpolitisch‘“
Interview mit Erzbischof Charles Joseph Chaput OFMCap von Philadelphia, Gastgeber des Weltfamilientags. Von Katrin Krips-Schmidt ANZEIGE: Über die Stadt Philadelphia verteilt bieten die Veranstalter des Weltfamilientags in den kommenden Tagen ihr buntes und vielsprachiges Programm am. Die Aufnahme zeigt einen der zentralen Veranstaltungsorte, das Pennsylvania Convention Center. Foto: Reuters vergrößern Unter dem Motto: „Liebe ist unsere Mission – die Familie ist ganz lebendig“ findet das achte Welttreffen katholischer Familien vom 22. bis zum 27. September 2015 in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania statt. Die Tagespost sprach mit dem Oberhirten von Philadelphia, Erzbischof Charles Joseph Chaput. 1965 trat Chaput, Jahrgang 1944, in den Kapuzinerorden ein. Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1988 zum Bischof von Rapid City (South Dakota), 1997 zum Erzbischof von Denver (Colorado) und 2011 schließlich zum Erzbischof von Philadelphia (Pennsylvania), womit er der erste Indianer der Kirchengeschichte ist, der das Amt eines Erzbischofs bekleidet.
Exzellenz, Sie sind der offizielle Gastgeber des Weltfamilientreffens 2015. Welche Themen werden in diesem Jahr im Vordergrund stehen? Die zentralen Themen des Treffens werden in der Vorbereitungskatechese des Weltfamilientreffens 2015 skizziert. Der Text wurde in mehreren Sprachen, aber leider nicht auf Deutsch herausgegeben (www.worldmeeting2015.org/about-the-event/catechesis/). Alle Grundsatzreferate und kleineren Veranstaltungen werden sich darauf konzentrieren, Menschen zu helfen, gesunde Ehen und Familien aufzubauen. Der Inhalt wird sehr praxisnah und nicht theoretisch ausgerichtet sein, und er wird sich mit den Problemen der „realen Welt“ auseinandersetzen, mit denen die Menschen konfrontiert sind: Kindererziehung, Schaffung und Aufrechterhaltung ehelicher Intimität, der Verlust eines Ehepartners oder eines Kindes, Betreuung älterer Menschen, gleichgeschlechtliche Anziehung, Scheidung – all die Dinge, die das moderne Leben ausmachen. Das größte Geschenk für die Teilnehmer wird jedoch die Gemeinschaft sein, die sie durch die Begegnung mit anderen stabilen christlichen Familien aus der ganzen Welt erfahren. Wir möchten, dass das Treffen mehr als nur eine Bildungsveranstaltung ist: Wir haben es als ein Fest konzipiert – als eine Quelle der Freude, der Freundschaft und des Vergnügens.
Sie treten für eine radikale Nachfolge Christi ein. Warum ist es so wichtig, seinen persönlichen Glauben und das alltägliche Leben nicht voneinander zu trennen, wie Sie das in Ihrem Buch „Render Unto Caesar – Serving the Nation by Living Our Catholic Beliefs in Political Life“ beschreiben? Politik ist wichtig, weil sie mit der Ausübung von Macht verbunden ist. Und Macht hat eine moralische Dimension, weil sie den Kurs der Gesellschaft – im Guten wie im Schlechten – gestaltet. Daher können es sich Christen, als Einzelne und als Kirchengemeinschaft, niemals leisten, sich aus der öffentlichen Debatte auszuklinken. Sie sollten stets danach streben, ihre politischen Entscheidungen von ihren moralischen Überzeugungen und ihrem religiösen Glauben leiten zu lassen. In diesem Sinne ist politisches Engagement ein Ausdruck christlicher Nachfolge. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, daran zu denken, dass es bei einem christlichen Leben um weitaus mehr als um Politik geht – das Evangelium zu leben, ist ergiebiger und lohnender als Politik. Und die Politik hat sehr wenig mit dem Geist des Weltfamilientreffens zu tun. Das Treffen in Philadelphia steht jedem Menschen offen, der guten Willens ist und aufrichtig gewillt ist, seine Ehe oder Familie zu stärken. Die Familie ist „präpolitisch“. Sie ist die Keimzelle jeder menschlichen Gesellschaft. Wenn Ehen und Familien stark sind, wird der politische Kurs einer Kultur eher solide sein. Wenn wir die Gesellschaft also erneuern wollen, müssen wir mit dem Wiederaufbau des Fundaments, das die Familie ist, beginnen.
Machen Ihre Stellungnahmen Ihren Brüdern im Bischofsamt Mut, Ihrem Beispiel zu folgen? Ich lerne viel und ich erfahre viel Trost durch die guten Worte meiner Brüder im Bischofsamt. Daher hoffe ich, dass einiges von dem, was ich tue, wiederum ihnen hilft. Doch ich denke nicht viel darüber nach – jeder Bischof hat in seiner eigenen Diözese mehr zu tun, als er erledigen kann.
Die Standesbeamtin Kim Davis aus dem US-Bundesstaat Kentucky wurde verhaftet, weil sie es abgelehnt hatte, Homosexuellen Trauscheine auszustellen. Mittlerweile ist sie wieder frei. Auch wenn sie nicht katholisch ist: Ist ein Katholik, der wie sie handeln würde, ein Vorbild für diese „katholische Identität“, von der Sie oft sprechen, seinen katholischen Glauben auch in der Öffentlichkeit zu leben? Ich bewundere Kim Davis für ihre Überzeugungen und ihren Mut. Ich freue mich, dass sie aus dem Gefängnis freigekommen ist. Die amerikanischen Medien haben sie mit einer Verachtung behandelt, die unentschuldbar war. Darüber hinaus kenne ich die Einzelheiten des Rechts von Kentucky nicht. Die Bischöfe von Kentucky sind da besser als ich in der Lage, das zu kommentieren. Wir sollten aber daran denken, dass Thomas Morus seinen Mut mit einer guten Portion Vorsicht und Behutsamkeit abwog. Er wollte kein Märtyrer sein. Er gab sich große Mühe, das zu vermeiden. Doch da er ein Mann des Gebets war, wusste er auch, wann man auf seinen Prinzipien bestehen und den Preis für sie bezahlen musste, um sie einzuhalten. Wir müssen Gott um die gleiche Weisheit bitten.
Einige Medien schlachten mit Vorliebe das Vorleben von apostolisch engagierten Personen aus, wenn es nicht gerade in einem „christlichen Sinne“ verlaufen war. Von Ihnen stammt der bemerkenswerte Satz: „Wir können nicht zulassen, dass uns unsere Fehler und Sünden lähmen; ansonsten hätten selbst die Apostel geschwiegen.“ Können Sie das näher erläutern? Jesus kam nicht in die Welt, um ihren Heiligen zu schmeicheln. Er kam, um ihre Sünder zu erlösen – und das bedeutet: uns alle. Er kannte damals und er kennt auch heute die Makel, die wir alle als Menschen haben. Doch all das spielt letztlich keine Rolle, wenn wir zum Lieben bereit sind. Durch die Forderung Jesu, das Evangelium zu predigen, zeigt er uns die Liebe seines Vaters für uns. Er fordert uns auf, der Größe gerecht zu werden, die Gott einem jeden von uns zugedacht hat, indem wir anderen gegenüber die gleiche Liebe zeigen. Und die Wahrheit zu predigen, ist trotz unserer eigenen Schwäche und unserer eigenen Sünden vor allem ein Ausdruck der Liebe.
Die katholischen Bischöfe ernten von den Medien häufig Widerspruch – sollten sie sich zu diesen Reizthemen wie „Homosexualität“ und „Unauflöslichkeit der Ehe“ überhaupt noch zu Wort melden? Oder ist der Kampf schon „verloren“? Nichts ist verloren. Der Kampf ist bereits gewonnen. Jesus Christus hat ihn bei der Auferstehung gewonnen. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Momentan ist der Zeitpunkt da, sich mit Eifer und Freude zu engagieren, im Dienst des Willens Gottes zu stehen – gerade deshalb, weil es unbequem ist. Jesus selbst sagte uns, dass die Welt uns oftmals hassen werde. Wenn wir wirklich an das Evangelium Jesu Christi glauben – wenn wir an unseren katholischen Glauben als an etwas glauben, das mehr ist als ein schönes Märchen, das wir uns erzählen, um uns die Welt zu erklären – dann wissen wir schon jetzt, dass Probleme auftreten werden. Und wir wissen auch schon jetzt, dass wir schließlich nichts zu befürchten haben.
Kurz vor der Bischofssynode im Herbst veröffentlichte Papst Franziskus nun ein Motu Proprio für eine Vereinfachung der Eheannullierungen. Was halten Sie von dieser Erleichterung der Ehenichtigkeitsverfahren? Die Kirchenrechtler, mit denen ich gesprochen habe, haben das in ihren Kommentaren im Allgemeinen sehr positiv aufgenommen. Ich glaube, dass die Reformen des Heiligen Vaters vielen ehrenhaften Menschen helfen werden.
Welche Erwartungen und Hoffnungen verknüpfen Sie mit der bevorstehenden Bischofssynode? Die Synode ist ein besonderer Moment, um die christliche Lehre über die Ehe, Familie und menschliche Sexualität erneut zu bestätigen. Ich glaube, dass die Synode weitaus einträchtiger verlaufen wird, als es sich Kritiker auf der rechten und der linken Seite vorstellen. Wir leben in einem Zeitalter, in dem sich alles in der Kirche durch die Massenmedien in einen Konflikt verwandelt. Und dennoch wissen diese Massenmedien normalerweise sehr wenig – und es kümmert sie noch nicht einmal – über die wirkliche Dynamik des Kirchenlebens und über ernste Glaubensdinge. Daher müssen wir unser Vertrauen auf den Heiligen Vater, den guten Willen und die Einsicht der Synodenväter und am allermeisten auf die Gegenwart Gottes setze
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