Jenseits der Politik: Der radikale Papst in den USA
Franziskus mit Kardinal Wuerl von Washington - AP
24/09/2015 08:00SHARE:
Man kann derzeit in den USA – wenigstens an der Ostküste – an keinem Bildschirm vorbeilaufen, ohne dass Papst Franziskus zu sehen ist. Sein Besuch dominiert die Medien. Nicht alles ist freundlich, eine New Yorker Zeitung nannte ihn am Mittwoch den Jester-in-Chief, den Oberhofnarren. Aber das Interesse ist da, kein Medium kann wegsehen, und die meisten Berichte bemühen sich darum, möglichst viel von diesem Papst verstehbar zu machen.
Das liegt sowohl an der Botschaft dieses Papstes als auch an der Art und Weise, wie er reist, wie er sich verhält, wie er mit Menschen umgeht und was für ein Bild er dadurch von sich geschaffen hat, sagt Pater Matt Malone SJ, Herausgeber des America Magazine in New York, der wichtigsten katholischen Zeitschrift des Landes. „Das alles hat eine mediale Aufmerksamkeit geschaffen wie nie zuvor. Kein anderer Papstbesuch hatte so viel Aufmerksamkeit. Er ist unglaublich populär unter den amerikanischen Katholiken und auch allgemein unter Amerikanern. Seine Botschaft, sein einfacher Stil und die große Offenheit passen sehr gut zur Kultur der USA, die auch offen, einfach und wenig formal ist.“
Ein Blick in die Zeitungen zeigt, was die Themen sind, welche die Öffentlichkeit am meisten beschäftigen. Die New York Times zum Beispiel macht eine Liste mit den Themen, welche interessieren und wie sie vom Papst besetzt sind. Die ersten vier Themen stammen aus dem Feld der Sexualmoral und der Familie: Homosexualität, Abtreibung, Scheidung und Geburtenkontrolle. Es folgen Frauen in der Kirche und sexueller Missbrauch, auch das Konfliktthemen. Erst dann kommen Migration, Umwelt, Kapitalismus und Diplomatie, was in den USA vor allem Kuba bedeutet.
Säkular-politische Brillengläser
„Das zeigt, dass wir hier alles durch ein säkular-politisches Prisma betrachten. Das wird zum Problem, wenn wir über die Kirche reden“, sagt Pater Malone. „Die Sprache, die wir da gebrauchen, von konservativ und liberal und zwei Seiten gegeneinander, die passt nicht zur Kirche. Dieser Papst bezeugt die katholische Soziallehre, die über diese Debatten hinausgeht.
Wenn der Papst also im US-Kongress steht und etwas sagt, dann fordert er jeden einzelnen in diesem Raum heraus. Jeder fühlt sich vom Papst aber anders herausgefordert, je nachdem, wo er politisch steht. Aber das zeigt, dass das, was wir als Katholiken glauben, nicht in säkulare Politik einfach eingeordnet werden kann.“ Hier in den USA fällt es besonders auf, dass die Berichterstattung aber genau das macht, also in säkulare politische Kategorien fällt, um den Papst zu berichten, auch wenn da vielleicht gar keine böse Absicht dahintersteckt. So wird Kirche hier gesehen, zumal in einer Zeit, in der die Politik auf eine neue Präsidentschaftswahl zugeht.
Deswegen sei der Papstbesuch auch eine Chance, die ganze Geschichte zu erzählen und die gesamte katholische Identität darzustellen, nicht nur durch parteipolitische Brillengläser. „Wenn wir etwas wissen, dann ist es, dass dieser Papst keine Ideologie mag. Er lehnt beide Sichtweisen ab, nicht weil er ein Moderater wäre, das wäre nur eine andere Spielart des Problems, sondern weil er ein Radikaler ist. Er ist radikal, wie auch das Evangelium radikal ist, das jeden einzelnen Aspekt unseres Lebens herausfordert. Das kann einfach nicht in Ideologien oder politischen Programmen gefasst werden.“
Die Radikalität des Evangeliums
Es gebe einen Kampf in den USA: zwischen Katholiken, die sich selber als konservativ bezeichnen und Katholiken, die ihre Identität als progressiv sehen. Der Papst komme aber von ganz woanders her, sagt Pater Malone. Er selber sehe deswegen den Papst als jemanden, der die Christen zu den fundamentalen Dingen des Glaubens zurückrufe. Weg von den politischen und letztlich ideologischen Debatten. „Schlussendlich geht es nicht um eine Ideologie oder Philosophie oder Theologie oder Statistik oder irgend ein anderes menschliches Konstrukt. Es geht um den nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen. Das ruft der Papst in uns auf. Und das ist radikal. Das ist nicht einfach eine Platitüde, die man so sagt, jaja das glauben wir auch, aber jetzt lasst uns mal die wirklich wichtigen Fragen besprechen - das ist die wirklich wichtige Frage. Und wenn man ihm wirklich zuhört, dann hört man diese Botschaft sehr deutlich.“ Aus New York Pater Bernd Hagenkord, Radio Vatikan. (rv 24.09.2015 ord)
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