Papst Franziskus warnt vor „konspirativer Hermeneutik“
9. Oktober 2015 14:13 | Mitteilung an die Redaktion
Die Synode des Papstes und der Verdacht von Synodalen Anmerkungen von Giuseppe Nardi
(Rom) Mit einer nicht angekündigten Wortmeldung warnte Papst Franziskus am vergangenen Dienstag die Bischofssynode vor einer „konspirativen Hermeneutik“, wie der Haus- und Hofvatikanist Andrea Tornielli auf Vatican Insider berichtete. Der Papst kritisierte damit angeblich kolportierte Verschwörungstheorien und Komplottgerüchte. Sein derzeit in Sachen Bischofssynode engster Vertrauter, der Jesuit Antonio Spadaro von der Civiltà Cattolica sorgte dafür, daß die päpstliche Kritik öffentlich bekannt wurde.
Doch spätestens da beginnt die Sache zu hinken.
Gefühl manipuliert zu werden – Schlechte Stimmung unter den Synodalen
Zunächst bedeutet die improvisiert eingeschobene Wortmeldung des Papstes, daß unter den Synodenvätern intensiv darüber gesprochen wird, daß eine unsichtbare Regie die Bischofssynode zu manipulieren versucht, oder noch schlimmer, die Synodalen an der Nase herumführt. So intensiv, daß der Papst sich persönlich genötigt sah, seine Autorität in die Waagschale zu werfen, um Ruhe einkehren zu lassen. Allerdings ist zu bezweifeln, daß damit der gewünschte Effekt erreicht wurde.
Aus dem Mund Spadaros klingt die Sorge vor einer „konspirativen Hermeneutik“, eine gewundene Form um Verschwörungstheorien zu meinen, wenig glaubwürdig. Spadaro ist in den umstrittenen Synodenfragen selbst buchstäblich Partei. Unter seiner Leitung bezog die römische Jesuitenzeitschrift in den vergangenen anderthalb Jahren eindeutig und einseitig Position zugunsten der Kasper-Thesen einer „neuen Barmherzigkeit“. Aufgrund der für die Zeitschrift geltenden Vorzensur durch den Heiligen Stuhl ist auszuschließen, daß dies ohne die Zustimmung und das Wollen von Papst Franziskus geschehen konnte. Wenn die Civiltà Cattolica seit ihrer Gründung vor mehr als 150 Jahren die Position des Heiligen Stuhls wiedergibt, gilt ebenso als gesichert, daß sie zur Synode die Position von Papst Franziskus widerspiegelt.
Spadaros „Geheimsynode“ im Auftrag des Papstes
Villa Malta der Jesuiten
In den beiden Wochen vor Synodenbeginn leitete Spadaro, den Papst Franziskus persönlich zum Synodalen ernannte, eine Arbeitsgruppe aus 30 Jesuiten, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit am Sitz der Civiltà Cattolica zu den Synodenthemen arbeitete. Da der Vatikan bisher weder die Existenz dieser Gruppe bestätigte noch deren Auftrag nannte, kann von einer „Geheimsynode“ gesprochen werde, die unabhängig von der Bischofssynode zu denselben Themen tagte.
Laut einem, offiziell unbestätigten, offenen Geheimnis hatte also diese im Auftrag des Papstes und unter der Leitung eines seiner engsten Vertrauten tagende Jesuitensynode ein Dokument zu erarbeiten, das von Papst Franziskus am Ende der Bischofssynode als Schlußdokument präsentiert wird. Damit würden die Synodenväter völlig sinnlos debattieren und beraten, da ihre Wortmeldungen und ihre Ratschläge an den Papst letztlich keine Rolle spielen.
An dieser Stelle könnte der Vorwurf einer Verschwörungstheorie vorgebracht werden. Kann er das aber wirklich?
Franziskus selbst läßt Warnung vor „konspirativer Hermeneutik“ ins Leere laufen
Die Warnung von Papst Franziskus vor einer „konspirativen Hermeneutik“ muß deshalb ins Leere gehen, weil er selbst durch eine Reihe von Gesten, Wortmeldungen und Entscheidungen und nicht zuletzt auch durch sein Schweigen erst den Nährboden dafür geschaffen hat.
Der Begriff Verschwörungstheorie ist kein Synonym für die Nichtexistenz von Verschwörungen, geheimen Strategien, Absprachen oder verdeckten Aktionen. Zentrales Schutzmittel gegen falsche Verschwörungstheorien ist Vertrauen. Das aber hat der Papst durch konspirativ anmutende Parallelaktionen, durch Signale einseitiger Parteinahme und durch die Weigerung, ein klares Bekenntnis zur Unauflöslichkeit der Ehe in Theorie und Praxis abzulegen, selbst untergraben.
Papst Franziskus selbst ebnete der heterodoxen Einseitigkeit den Weg, indem er Kardinal Walter Kasper zum Relator des Kardinalskonsistoriums vom 20. Februar 2014 ernannte. Und zwar nur ihn allein. Wie der deutsche Kardinal später bekanntgab, wußte der Papst vorab genau, was Kasper vortragen würde, was dessen Billigung voraussetzt. Die Bestätigung seiner Zustimmung lieferte Franziskus durch sein überschwengliches „Danke, Danke“, mit dem er am nächsten Morgen, nachdem im Kardinalskollegium heftige Kritik an Kaspers-Thesen laut geworden war, auf die Ausführungen des deutschen Kardinals reagierte und diesem vor den staunenden Kardinälen bescheinigte, eine „Theologie auf den Knien zu betreiben“. Daß nicht eine „offene“ Diskussion geführt, sondern eine gezielte Strategie verfolgt wurde, fand rund um die Kasper-Rede reiche Bestätigung. Ein Vorgang, der um so schwerwiegender ist, als die Grundlage der Kasper-These eine nachgewiesene Verzerrung der Kirchenväter und der Kirchengeschichte ist.
Kasper war es auch, der in dieser Frühphase bekanntgab, daß die Bischofssynode nicht nur zum Diskutieren oder gar Bekräftigen der katholischen Lehre einberufen werde, sondern um etwas zu verändern. Ein Hinweis, der seither mehrfach von den Kasperianern wiederholt wurde, in den vergangenen Tagen von Synoden-Sondersekretär Bruno Forte und Kurienerzbischof Celli.
Kasperianer lediglich Synonym für Bergoglianer?
Wenn von Kasperianern die Rede ist, so darf nicht verhehlt werden, daß man richtigerweise eigentlich von Bergoglianern sprechen müßte. Die Annahme, der Papst sei bloßer Zuschauer, super partes, der der Richtung um Kasper eben ein bißchen mehr Spielraum lasse als anderen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Es geht auch nicht um Kasper oder Spadaro. Es geht um Inhalte. Kasper oder Spadaro sind dabei Weggefährten und Instrumente zur Umsetzung einer Idee.
Es steht die Annahme und zugleich Sorge im Raum, der Papst habe konkrete Vorstellungen zur Ehe- und Morallehre, die er wegen der zu erwartenden Widerstände, die er sich ohnehin in diesem Ausmaß nicht erwartet hatte, nicht offen äußert. Weder das angestrebte Ziel noch die Beweggründe dafür. Damit verbunden ist der Verdacht auf ein Versteckspiel, ein Taktieren, möglicherweise sogar ein Hintergehen und Täuschen.
Der Papst sollte sich als Letzter darüber wundern.
Geheime päpstliche Parallelaktionen
Papst Franziskus mit Synodalen Für den 5.-19. Oktober 2014 hatte Franziskus eine außerordentliche Bischofssynode der jüngeren Kirchengeschichte einberufen, um über Ehe und Familie zu sprechen. Gleichzeitig beauftragte er aber geheim bereits am 27. August, und damit mehr als einen Monat vor Synodenbeginn, eine Kommission von Kirchenrechtlern, einschneidende Reformen zum Ehenichtigkeitsverfahren auszuarbeiten. Davon erfuhr die Öffentlichkeit, auch die alten und neuen Synodenväter, erst im September 2015, als der Papst – wiederum im Alleingang und wiederum einen Monat vor Beginn einer von ihm einberufenen ordentlichen Bischofssynode – diese Reformen einführte, die am kommenden 8. Dezember in Kraft treten. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang offen von der Einführung einer „katholischen Scheidung“.
Mit anderen Worten: Der Papst rief Kardinäle und Bischöfe zusammen, um über ein Thema zu sprechen und um ihn, so die offizielle Aufgabe, zu beraten, während er parallel und geheim bereits entschieden hatte und seine Entscheidung noch vor Synodenbeginn in die Tat umsetzte. Warum also sollte der Verdacht unbegründet sein, der Papst könnte auch zu anderen Fragen, die von der Synode diskutiert werden, gleich verfahren? Die Bischofssynode und die Betonung der „Kollegialität“ nur ein Schein? Manchen Synodalen kam dieser Verdacht und sie äußerten ihn so laut, daß es bis zu den Ohren des Papstes hörbar war.
Daß dieser Verdacht nicht einfach in das Reich der Verschwörungstheorien abgeschoben werden kann, dazu hat Franziskus selbst entscheidend beigetragen. Die Warnung aus seinem Mund vor einer „konspirativen Hermeneutik“ kann daher wenig Wirkung entfalten und schon gar nicht beruhigen. Einseitige Wegbereitung
Von der Geheimsynode der Jesuiten im päpstlichen Auftrag wurde bereits gesprochen. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus. Die Versuche des Synoden-Generalsekretariats durch zweifelhafte Fragebögen und ihre noch zweifelhaftere Handhabe, die Versuche der Civiltà Cattolica durch einseitige Artikel, die Versuche der Synodenleitung durch eine rigide und einseitige Informationspolitik 2014 und erneut 2015, die Kirche in eine bestimmte Richtung zu drängen, tun das Ihre dazu. Kasper selbst verwies im Zusammenhang mit der schon zur Bischofssynode 2014 laut werdenden Kritik an der vatikanischen Informationspolitik direkt auf Papst Franziskus.
Auf „kleinere“ Schauplätze in diesem unterirdischen Spiel soll gar nicht eingegangen werden, wie dem Telefonanruf des Papstes bei einer Argentinierin, die mit einem „wiederverheirateten Geschiedenen“ zusammenlebt. So, übrigens die deutsche Wortneuschöpfung für institutionalisierten Ehebruch, die sich mehr an zivilrechtlichen, denn kirchenrechtlichen Vorgaben orientiert. Das argentinische Ehepaar posaunte jedenfalls unwidersprochen in alle Welt, der Papst habe sie „ermutigt“, was bedeutet, daß ihr Status unverändert fortgesetzt werden könne.
Es empfiehlt sich den Artikel Die Bischofssynode, der Regisseur, die Akteure – Chronologie eines versuchten Paradigmenwechsels nachzulesen. Das Schweigen des Papstes
Zumindest erinnert sei daran, daß gerade dieser Papst, der ein geborener Kommunikator ist und ein natürliches Gespür für geeignete Situationen, für Gesten und deren maximale Breitenwirkung hat, sich der Zusammenhänge seiner Handlungen bewußt sein muß.
Schließlich widerspricht noch ein weit wichtigerer Punkt der päpstlicher Warnung vor einer „konspirativen Hermeneutik“: das päpstliche Schweigen. Papst Franziskus hätte es seit dem 20. Februar 2014 jederzeit in der Hand, durch eine klärende Aussage alle Zweifel an seiner Haltung zu den wiederverheirateten Geschiedenen und zur Homosexualität vom Tisch zu fegen. Jederzeit. Wenn er trotz mehrfacher Aufforderung von Kardinälen, von Bischöfen, von katholischen Medien, von katholischen Laien in verschiedenen Appellen, zuletzt einen, der von 800.000 Katholiken unterzeichnet wurde und einen anderen von mehr als 140 Konvertiten, darunter zwei ehemalige protestantische Bischöfe, dennoch schweigt, besteht in der Tat Grund zur Sorge. Eine Sorge, die der Papst mit wenigen Worten auch am Dienstagmorgen vor der versammelten Synode ausräumen hätte können, anstatt vor einer „konspirativen Hermeneutik“ zu warnen.
Text: Giuseppe Nardi Bild: Vatican.va/Wikicommons (Screenshots)
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