Herumfliegendes Popcorn
Publiziert 9. Oktober 2015 | Von admin
Noch gleicht die Bischofssynode in Rom einem grossen Palaver, in dem viele alles Mögliche zu vielem sagen
Papst Franziskus hat die Synodenväter ermahnt, nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern sich um Einheit zu bemühen.
Von Guido Horst
Rom, Die Tagespost, 09. Oktober 2015
Ein kurzer Rundgang über die Touristenmeile rund um den Petersdom in Begleitung eines deutschen Fernsehteams offenbart Bedrückendes. Die in Rom zur Familiensynode reichlich versammelten Medien aus aller Herren Länder müssen sich die Zeit vertreiben. Die Wortmeldungen der Kardinäle und Bischöfe in der Synodenaula sind nicht öffentlich und auch die Informationen aus den dreizehn Sprachzirkeln flossen bis gestern Mittag eher spärlich.
Also fischen sich die Reporter mit Kamera und Mikrofon deutschsprachige Touristen und Pilger aus der Menge heraus und stellen meistens Paaren die üblichen Fragen: Ob sie wüssten, dass in Rom derzeit eine Familiensynode stattfinde, wie sie zur kirchlichen Ehelehre stünden und welche Änderungen sie sich wünschten? Der erste Befund: Niemand der Befragten weiss, dass im Vatikan eine Synode tagt – auch wenn sich die meisten als durchaus gläubige Katholiken outen. Die Antworten auf die zweite Frage sind eher vage, bringen aber alle zum Ausdruck, dass die Kirche etwas der Zeit hinterherhinken würde. Und nach den Änderungswünschen befragt, ist keiner in der Lage, den Sachstand richtig wiederzugeben. Da ist davon die Rede, dass auch die Wiederverheirateten wieder zur Kirche gehen dürfen oder man den Geschiedenen erlauben möge, am Altar Eucharistie zu feiern. Irgendwie hat die Berichterstattung über den seit zwei Jahren laufenden synodalen Prozess zu Ehe und Familie zumindest in deutschsprachigen Landen zwar den Fokus auf Trennung, Scheidung, Wiederverheiratung gelegt – ohne aber das Wissen über die katholische Ehelehre zu vertiefen.
Dass es auf der Synode nicht nur um Scheidung und Wiederverheiratung geht, hat die erste Woche der Beratungen gezeigt. Im Plenum und in den Sprachzirkeln stand eine globale Bestandsaufnahme an, ein alle Kontinente umfassendes Panorama der “Herausforderungen im Hinblick auf die Familie“. Am dramatischsten waren die Schilderungen der katholischen Kirchenführer aus dem Orient. Der syrisch-katholische Patriarch von Antiochien, Ignatius Joseph III. Younan, trat am Donnerstag vor die Journalisten und warf dem Westen Tatenlosigkeit angesichts der Christenverfolgung im Nahen Osten vor. “Der Westen hat uns vergessen und geradezu verraten”, die westliche Politik verfolge wirtschaftliche Interessen und dies gehe auf Kosten der verfolgten Christen im Orient.
Bereits am Mittwoch hatte der Gastgeber des letzten Weltfamilientreffens, Kardinal Charles Chaput aus Philadelphia, vor Journalisten nochmals zu der ungewöhnlichen Intervention des Papstes am zweiten Synodentag Stellung genommen. “Der Papst hat uns am Dienstagvormittag gesagt, dass wir vermeiden sollen so zu denken, als würde der eine gegen den anderen konspirieren, sondern dass wir für die Einheit unter den Bischöfen arbeiten.” Dieser Aufruf, so Chaput, betreffe alle in der Kirche, nicht nur die Bischöfe. Gleichzeitig, so der Kardinal, “bin ich nie auf einer kirchlichen Versammlung gewesen, auf der es nicht Gruppen gab, die sich trafen und Lobby-Arbeit gegen eine bestimmte andere Richtung betrieben haben“.
Stellungnahmen und Stimmen aus der Synode spiegeln eine dermassen weite und unterschiedliche Bandbreite wider, dass der australische Erzbischof Mark Coleridge die Wortbeiträge der ersten Synodentage in einem Interview mit “herumfliegendem Popcorn” verglich. Warum der kanadische Erzbischof Paul-Andre Durocher im Plenum die Einrichtung eines Ständigen Diakonates für Frauen und die Predigterlaubnis für verheiratete Männer und Frauen vorgeschlagen hat, erweist sich angesichts des Themas der ersten Synodenwoche als nicht ganz einsichtig. Oft sind es auch Journalistenfragen, die ganz bestimmte Meldungen produzieren. So wurde der afrikanische Erzbischof Gabriel Charles Palmer-Buckle von einem Journalisten im vatikanischen Pressesaal gefragt, ob die Vertreter Afrikas mögliche Reformen der Synode blockieren wollten. “Wir sind nicht hier, um zu blockieren, sondern um unsere Werte zum grösseren Nutzen der Kirche einzubringen”, gab daraufhin der Erzbischof von Ghanas Hauptstadt Accra zurück. Das Wort von den “blockierenden Afrikanern“ war aber somit in die Welt gebracht.
Stark beobachteter deutscher Sprachzirkel
Erwartungsgemäss vertrat Erzbischof Heiner Koch aus Berlin in der Synodenaula den mehrheitlichen Standpunkt der Deutschen Bischofskonferenz, als er, schon in der ersten Woche, als es noch um die Herausforderungen der Familie ging, die Kommunionzulassung der Wiederverheirateten thematisierte: “Ist für Menschen, die unumkehrbare Brüche in ihrem Leben erlebt und erlitten haben, kein Platz am Tisch des Herrn? Wie fehlerlos und wie heil muss man sein, um zum Mahl des Herrn eingeladen zu werden?“, fragte Koch. Bei diesem Thema gehe es für zahlreiche Gläubige “um den christlichen Glauben und um Gott und seine Barmherzigkeit“.
Gestern gab es dann auch noch eine Zusammenfassung der ersten Beratungen in dem kleinen, aber stark beobachteten deutschen Sprachzirkel. Dort hat man sich auch mit der Sprache der abschliessenden, dem Papst zu übergebenden Empfehlungen der Synode befasst. In dem von Erzbischof Koch als Relator der Sprachgruppe im Plenum vorgetragenen Zwischenbericht heisst es, bei der Abfassung der Texte solle darauf geachtet werden, “dass kirchliche und theologische Positionen nicht nur intern verständlich, sondern auch in einer säkularen Umwelt zugänglich sind“. Daraus folge bei der Redaktion des Gesamtdokuments, so der Zwischenbericht weiter, “ob eine negativ abgrenzende und normativ verurteilende Sprache vorherrscht (forensischer Stil) oder eine positive, die christliche Position entfaltende Sprache, die damit implizit zur Sprache bringt, welche Positionen christlich inkompatibel sind”. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, von der Gesellschaft positive Entwicklungen aufzugreifen.
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