Im Wortlaut: Diese Rede hat Kardinal Marx vor der Familiensynode gehalten
Kardinal Reinhard Marx (rechts) ist Erzbischof von München und Freising, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Berater des Papstes im Kardinalsrat "K9" und Präsident der Kommission der Europäischen Bischofskonferenzen, COMECE.
Von CNA Deutsch/EWTN News
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.....Doch auch eine wertschätzende und unterstützende Pastoral wird nicht verhindern können, dass Ehen zerbrechen, Ehepartner ihre Lebens- und Liebesgemeinschaft beenden und sich trennen. Auch das erneuerte Verfahren zur Feststellung der Ehenichtigkeit kann nicht alle Fälle in rechter Weise erfassen. Oftmals ist der Bruch einer Ehe weder eine Folge menschlicher Unreife noch eines mangelnden Ehewillens. Der Umgang mit Gläubigen, deren Ehe zerbrochen ist und die nicht selten nach einer zivilen Scheidung eine neue zivile Ehe geschlossen haben, bleibt daher in vielen Teilen der Welt ein drängendes pastorales Problem. Für viele Gläubige – auch solche, die in einer intakten Ehe leben – ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit der Kirche. Das weiß ich aus vielen Gesprächen und Briefen.
Dankenswerterweise haben Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. keinen Zweifel daran gelassen, dass auch zivil geschiedene und wiederverheiratete Gläubige zur Kirche gehören, und sie wiederholt eingeladen, aktiv am Leben der Kirche teilzunehmen. Es ist daher unsere Aufgabe, eine einladende Pastoral für diese Gläubigen zu entwickeln und sie immer stärker in das Leben der Gemeinden einzubinden. Ihnen gegenüber hat die Kirche die Liebe Christi zu bezeugen, die zuerst denen gilt, die mit ihren Vorsätzen und Bemühungen gescheitert und schuldig geworden sind. Denn „nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Mt 9,12). Es ist Aufgabe der Kirche, die Wunden, die das Zerbrechen einer Ehe und die Trennung der Partner geschlagen haben, zu heilen und ihnen zu zeigen, dass Gott sie auch in diesen schweren Tagen begleitet. Können wir wirklich heilen, ohne das Sakrament der Versöhnung zu ermöglichen?
Mit Blick auf die zivil geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen, die aktiv am Gemeindeleben teilnehmen, fragen viele Gläubige, warum die Kirche ihnen ausnahmslos die Teilnahme an der sakramentalen Kommunion verweigert. Viele in unseren Gemeinden können nicht verstehen, wie man zur vollen Gemeinschaft der Kirche gehören und gleichzeitig vom Sakrament der Beichte und der Eucharistie ausgeschlossen sein kann. Als Grund wird angegeben, dass zivil geschiedene und wiederverheiratete Gläubige objektiv in einem fortgesetzten Ehebruch und damit im Widerspruch zu dem leben, was in der Eucharistie zeichenhaft dargestellt wird, die Treue Christi zu seiner Kirche. Doch wird diese Antwort der Situation der Betroffenen gerecht? Und ist sie sakramententheologisch zwingend? Können Menschen, die im Zustand der schweren Sünde gesehen werden, wirklich das Gefühl haben, ganz zu uns zu gehören?
Mit der Theologie und Pastoral von Ehe und Familie haben wir uns auch in der Deutschen Bischofskonferenz in den vergangenen Jahren intensiv befasst. Wir haben den Auftrag des Heiligen Vaters ernstgenommen, in der Zeit zwischen den Synoden die Thematik zu bedenken, offen zu diskutieren und zu vertiefen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat dazu etwa gemeinsam mit den Bischofskonferenzen Frankreichs und der Schweiz im Mai 2015 einen Studientag veranstaltet, dessen Beiträge auch veröffentlicht sind. Auch an den Theologischen Fakultäten wurden die Themen in bibeltheologischer, exegetischer, kanonistischer und pastoraltheologischer Perspektive in vielfacher Form aufgegriffen und debattiert. Hinzu kamen Gespräche mit Theologen und Veröffentlichungen. Wir haben gelernt: Hier muss auch in Zukunft noch die theologische Arbeit weitergehen.
Zum Thema der zivil geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen haben die deutschen Bischöfe selbst auch im Juni vergangenen Jahres weiterführende Überlegungen und Fragen veröffentlicht, die ich kurz skizzieren möchte.
Wer nach dem Zerbrechen der Ehe eine neue zivile Ehe geschlossen hat, aus der nicht selten auch Kinder hervorgegangen sind, ist damit dem neuen Partner und den Kindern gegenüber eine sittliche Verpflichtung eingegangen, die er oder sie nicht aufkündigen kann, ohne neue Schuld auf sich zu laden. Selbst wenn eine Neuaufnahme der Beziehung möglich wäre – in der Regel ist sie ausgeschlossen –, befindet sich derjenige in einem objektiven sittlichen Dilemma, aus dem es keinen eindeutigen moraltheologischen Ausweg gibt. Der Rat, in der neuen Beziehung auf sexuelle Akte zu verzichten, erscheint vielen nicht nur unrealistisch. Es ist auch fragwürdig, ob sexuelle Handlungen isoliert vom Lebenszusammenhang beurteilt werden können. Können wir sexuelle Akte in einer zweiten zivilen Ehe ausnahmslos als Ehebruch bewerten? Unabhängig von der Bewertung der konkreten Situation?
In sakramententheologischer Hinsicht ist zweierlei zu bedenken. Können wir ruhigen Gewissens Gläubige, die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, in jedem Fall vom Sakrament der Versöhnung ausschließen? Können wir ihnen die Versöhnung mit Gott und die sakramentale Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes selbst dann versagen, wenn sie ihre Schuld am Zerbrechen der Ehe aufrichtig bereuen? Was die Frage der Zulassung zur sakramentalen Kommunion betrifft, so ist zu bedenken, dass die Eucharistie den Bund Christi mit seiner Kirche nicht nur darstellt, sondern ihn auch immer wieder erneuert und die Gläubigen auf ihrem Weg der Heiligung stärkt. Die beiden Prinzipien der Zulassung zur Eucharistie, nämlich die Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der Gnade, können bisweilen in Spannung zueinander geraten. So sagt das Konzil in der Erklärung Unitatis redintegratio (Nr. 8): „Die Bezeugung der Einheit verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen.“ Diese Aussage ist über die Ökumene hinaus von grundsätzlicher pastoraler Bedeutung. In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium ergänzt der Heilige Vater mit Bezug auf die Lehre der Kirchenväter: „Die Eucharistie ist, obwohl sie die Fülle des sakramentalen Lebens darstellt, nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen. Diese Überzeugungen haben auch pastorale Konsequenzen, und wir sind berufen, sie mit Besonnenheit und Wagemut in Betracht zu ziehen.“ (Nr. 47)
Auf der theologischen Grundlage, die das Zweite Vatikanische Konzil gelegt hat, sollten wir daher ernsthaft die Möglichkeit prüfen – je auf den einzelnen Fall bezogen und nicht in einer generalisierenden Weise –, zivil geschiedene und wiederverheiratete Gläubige zum Sakrament der Buße und zur Kommunion zuzulassen, wenn das gemeinsame Leben in der kanonisch gültigen Ehe definitiv gescheitert ist und die Ehe nicht annulliert werden kann, die Verbindlichkeiten aus dieser Ehe geklärt sind, die Schuld am Zerbrechen der ehelichen Lebensgemeinschaft bereut wurde und der aufrechte Wille besteht, die zweite zivile Ehe aus dem Glauben zu leben und die Kinder im Glauben zu erziehen.
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