14.10.2015 15:40 Die Nerven liegen blank
Der Synode bleiben nur noch wenige Tage, um einen Text zu beschließen, der den Sinn des Prozesses rechtfertigt. Von Guido Horst ANZEIGE: Klare Sprache: Kurienkardinal Robert Sarah warnte vor dem islamistischen Fundamentalismus und der Gender-Ideologie. Foto: KNA
Rom (DT) Halbzeit bei der Synode in Rom – oder schon der Endspurt? Da am kommenden Samstag „Feiertag“ ist, weil die Bischofssynode ihrer Errichtung vor fünfzig Jahren gedenkt, und die Synodalen am 21. und 23. Oktober frei haben, damit die Redaktionskommission am Abschlussbericht der Versammlung arbeiten kann, liegen noch fünf Arbeitstage im Plenum oder in den Sprachzirkeln vor den Bischöfen und Kardinälen. Neun haben sie bereits hinter sich gebracht. Somit wächst die Spannung bei den Teilnehmern wie bei den Berichterstattern der Medien, was denn am Ende der außerordentlichen Synode auf dem Tisch liegen wird. Das betrifft die Form als auch den Inhalt: Mit welchem Papier in der Tasche treten die Delegierten aus aller Welt ihre Heimreise an? Und was wird drinstehen, was wird die Synode dem Papst empfehlen – ganz unabhängig davon, was Franziskus mit diesen Empfehlungen am Ende machen wird?
Manchen Synodenteilnehmer plagt ein Alptraum: Grundlage der jetzt seit zehn Tagen laufenden Beratungen ist das „Instrumentum laboris“, das wiederum aus dem in einigen Paragrafen nicht klaren Abschlussbericht der außerordentlichen Synode 2014 und den anschließenden Eingaben aus der Weltkirche hervorgegangen ist. Diese Eingaben – etwa von Bischofskonferenzen – gingen an das Generalsekretariat und lagen dem Generalrelator, Kardinal Peter Erdö aus Budapest, vor, als dieser das Eröffnungsreferat der laufenden Synode vorzubereiten hatte. Doch dieses Material ist in seiner Fülle den meisten Teilnehmern der Versammlung unbekannt.
Das Eröffnungsreferat Erdös, also das aktuelle „Instrumentum laboris“, wird nun in den dreizehn Sprachzirkeln in drei Wellen, jeweils zu Teil eins bis drei des Arbeitspapiers, durch Verbesserungsvorschläge, Neuformulierungen oder Ergänzungen, die sogenannten „modi“, verändert. Insgesamt 39 „Pakete“ von „modi aus den einzelnen Sprachgruppen sind einzuarbeiten, was den Text nicht schöner, kompakter oder klarer macht, sondern zu einem Flickenteppich redaktioneller Eingriffe. Noch halten Synodenteilnehmer und die Sprecher der Versammlung daran fest, dass dieser Abschlussbericht veröffentlicht wird. Aber ein großer literarischer Entwurf, ein in Stil und Inhalt mitreißendes Dokument der Weltkirche zu Ehe und Familie wird er sicher nicht.
Das muss er auch nicht – schließlich kommt irgendwann, in welcher Form auch immer, das abschließende Wort des Papstes. Aber trotzdem will die Synode etwas sagen – zu groß sind die Erwartungen, die nach fast zwei Jahren Debatte „pro und contra Kasper“ auf der Versammlung lasten. Der Alptraum mancher Synodenteilnehmer wird noch heftiger, wenn sie an diesen inhaltlichen Aspekt des Synodenausgangs denken: Mit welcher Botschaft tritt dieses einzigartige Beratergremium des Papstes vor die Welt, wenn der zweijährige synodale Prozesse abgeschlossen ist? Eine Kirche, die nach einer zweistufigen Weltbischofsversammlung immer noch sagt und lehrt, was sie auch vorher gesagt und gelehrt hat, stellt, fünfzig Jahre nach der Errichtung der römischen Synode, deren Glaubwürdigkeit in Frage. So wächst die Nervosität – auch um die Synode herum: Statt sich mit den – weithin unbekannten – Wortmeldungen in der Aula zu befassen, haben sich die italienischen Leitmedien in den vergangenen vier Tagen hauptsächlich mit dem Brief der dreizehn – am Ende nur neun – Kardinäle an Papst Franziskus (DT vom 14. Oktober) befasst und, letzter Stand der Dinge, rekonstruiert, dass es zwei unterschiedliche Briefe mit unterschiedlichen Unterschriften geben könnte. Und einem amerikanischen Priester, der zur Berichterstattung nach Rom gereist war, wurde im Pressesaal Hausverbot erteilt, nachdem er sich im privaten Gespräch mit dem Vorsitzenden der Kanadischen Bischofskonferenz wohl im Ton vergriffen hat. Die Nerven liegen blank.
Dabei sind in der Synodenaula durchaus starke Wortmeldungen zu hören. Nur haben sie kaum eine Chance, durch die Redaktionsmühlen der Sprachzirkel und nach den anschließenden Feilarbeiten der Kommission zur Erarbeitung des Schlussberichts auch wirklich in das zu erwartende Papstwort zu kommen. Und sie werden nur bekannt, wenn die Synodalen ihre Wortmeldungen öffentlich machen oder an die Medien geben. So weiß man vom Blog des amerikanischen Kardinal Timothy Dolan aus New York, dass er im Plenum für die Paare eingetreten ist, die sich für ein eheliches Leben gemäß der kirchlichen Lehre entscheiden. Sie seien „eine Minderheit, mit Sicherheit in unserer Kultur, gelegentlich aber auch innerhalb der Kirche!“ Man könne diese Paare nicht im Stich lassen, so der Kardinal. „Woher erhalten sie Unterstützung und Ermutigung? Aus dem Fernsehen? Aus Zeitschriften und Zeitungen? Aus Filmen? Vom Broadway? Von ihren Altersgenossen? Vergesst das! Sie erwarten von der Kirche und von uns Unterstützung und Ermutigung, ein warmes Gefühl der Inklusion.“
Der afrikanische Kurienkardinal Robert Sarah hat seine Intervention (den vollständigen Wortlaut dokumentieren wir in der Samstagsausgabe) dem englischen Journalisten Edward Pentin übergeben und so weiß man, dass der Präfekt der Liturgiekongregation die Kirche zwischen „zwei apokalyptischen Tieren“ sieht: auf der einen Seite der islamistische Fundamentalismus mit dem Terror des IS und auf der anderen Seite die Gender-Ideologie im Westen. Beide Bewegungen seien dämonischen Ursprungs.
Doch was nutzen deutliche Worte in der Synodenaula, wenn bei den Verabschiedungen der „modi“ in den Sprachzirkeln – diese müssen einstimmig beschlossen werden – und dann bei der Endredaktion der Abschlussrelation nur noch die größten gemeinsamen Nenner übrig bleiben. Zu diesen größten gemeinsamen Nennern wird sicherlich nicht die Kommunionzulassung der zivil Wiederverheirateten gehören: Dafür gibt es auch auf dieser ordentlichen Synode einfach keine Mehrheiten. Aber was wird dann die positive, die Kirche aufbauende Botschaft der Synodenväter sein?
Der gestern veröffentlichte zweite Zwischenbericht des deutschen Sprachzirkels befasst sich auch mit Paaren, die sich erst allmählich der kirchlichen Lehre nähern, und zitiert dabei „Familiaris consortio“ von Johannes Paul II.: „Das pastorale Bemühen der Kirche beschränkt sich nicht nur auf die christlichen Familien in der Nähe, sondern kümmert sich... noch intensiver um alle Familien in ihrer Gesamtheit und vor allem um jene, die sich in einer schwierigen oder irregulären Lage befinden.“ (FC 65) Die Kirche, so der Sprachzirkel, „steht dabei unausweichlich in dem Spannungsfeld zwischen einer notwendigen Klarheit der Lehre von Ehe und Familie einerseits und der konkreten pastoralen Aufgabe andererseits, auch diejenigen Menschen zu begleiten und zu überzeugen, die in ihrer Lebensführung nur teilweise mit den Grundsätzen der Kirche übereinstimmen“. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch hat es für solche Wiederholungen der Aussagen des Lehramts wirklich einen zweijährigen synodalen Prozess gebraucht? Tagespost
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