Synodenberater P. Sievernich für Einzelfallregelung
Der deutsche Jesuit Pater Michael Sievernich
29/10/2015 10:50SHARE:
Der Frankfurter Theologieprofessor und Jesuit Michael Sievernich spricht sich für eine sorgfältige Einzelfallprüfung aus, wenn wiederverheiratete Geschiedene gerne wieder zur Kommunion gehen möchten. „Genau für solche Fälle gibt es keine verallgemeinerbare Regelung, da jede Situation eine Person mit ihrer Biografie und ihrem unverwechselbaren Kontext betrifft“, sagte Sievernich in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur am Donnerstag. Sievernich hatte als von Franziskus berufener Berater an der Synode teilgenommen. Er kennt den Papst, seit er ihn als seinen Ordensmitbruder 1986 in Deutschland einige Monate lang beim später aufgegebenen Projekt einer Doktorarbeit betreute.
Bei den Paaren in einer zivilen Zweitehe sei eine pastorale Unterscheidung der Situation erforderlich, sagte Sievernich. Es mache einen großen Unterschied, „ob jemand eine gültige Ehe durch sein Verhalten zerstört hat oder ob er jemand zu Unrecht verlassen worden und eine neue zivile Ehe eingegangen ist, die einen sittlichen Rang erlangt hat“.
Betroffene und Seelsorger müssten gemeinsam „unter Berücksichtigung der kirchlichen Vorgaben und der Gewissenssituation“ prüfen, welcher Zugang zu den Sakramenten, vor allem zu Buße und Kommunion möglich sei. Im geschützten Raum der pastoralen Begleitung und des Sakraments der Versöhnung liege die Chance, „im großen Fluss der Barmherzigkeit angemessene Lösungen zu finden“. So könnten auch zivil geschiedene und wiederverheiratete Personen, „die ja voll der Kirche angehören und nicht exkommuniziert sind“, sich wieder stärker in das kirchliche und sakramentale Leben integrieren.
Vielleicht, so Sievernich, habe ein Kind den Weg gezeigt, von dem ein Teilnehmer während der Familiensynode im Vatikan gesprochen habe: „Ein Erstkommunionkind sei zu seinen wiederverheirateten geschiedenen Eltern gegangen und habe mit ihnen die Hostie, den Leib des Herrn, geteilt.“
Entscheidend für das Denken und Handeln von Papst Franziskus, so der Theologe und Ordensmann, sei das jesuitische Prinzip der „Unterscheidung der Geister“, von dem jetzt immer wieder die Rede sei. Anders als in der Kasuistik gehe es dabei nicht darum, möglichst für jeden denkbaren Einzelfall exakt vorab festgelegte kirchenrechtliche oder moralische Regeln zu haben. Wichtiger sei es, die Zeichen der Zeit zu erkennen, den Einzelfall zu beurteilen und beispielsweise zu fragen: „Bin ich mit dieser Entscheidung oder Lösung im guten Geist getröstet, oder bleibe ich ungetröstet und unversöhnt?“
Bonner Theologe Lüdecke kritisiert Familiensynode
Kritisch äußerte sich der Bonner Theologe Norbert Lüdecke zur Synode: Ohne Änderung der katholischen Ehelehre durch den Papst könne es keinen liberaleren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen geben. Entweder es gelte ausnahmslos der Satz „Kein legitimer Sex außerhalb einer kirchlich gültigen Ehe!“, oder außerehelicher Sex werde unter bestimmten Bedingungen vom Lehramt doch als moralisch zulässig erachtet, so der Kirchenrechtler.
Mit Blick auf die Kommunionzulassung für wiederverheiratete Geschiedene werde in dem Abschlussdokument „nicht Klartext geredet“. Der Kirchenjurist stellt die Frage, ob Betroffene wie bisher nur bei ehrlichem Vorsatz der Enthaltsamkeit anonym außerhalb der Heimatpfarre die Kommunion empfangen dürften oder ob dies jetzt auch möglich sei, wenn sie nicht enthaltsam lebten.
Die Frage sei nicht beantwortet, weil dazu nach Ansicht Lüdeckes die bei der Synode immer wieder bekräftigte Lehre geändert werden müsste. Dies könne eine Synode aber nicht, und - wegen der Lehrschreiben der Vorgänger - vielleicht nicht einmal Papst Franziskus. Dass dieser im September mit einer Erleichterung der Ehenichtigkeitsverfahren überraschte, deute nicht darauf hin, dass er den Weg der Lehränderung für gangbar halte. Lüdecke betonte: „Es funktioniert nicht und ist unehrlich, verbal die Lehre hochzuhalten und von ihr abzusehen.“ Die Bischöfe sollten aufhören, „die Gläubigen mit ausgetretenen Wegmetaphern in immer neue Hoffnungsschleifen zu schicken“. (kna 29.10.2015 sk)
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