Benedikt XVI. und der Synodenausgang – oder besser – Die Kasperianer und die Zeit nach Franziskus 28. Oktober 2015 15:10 | Mitteilung an die Redaktion
(Rom) Für Aufsehen sorgte unter Katholiken der Artikel von Marco Ansaldo, dem Vatikanisten von La Repubblica, über die entscheidende Schlußphase der Synode. Ansaldo berichtete über ein Mittagessen, das Wiens Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, in der letzten Synodenwoche mit Benedikt XVI. eingenommen hatte. Das Essen fand in dessen freiwillig gewähltem Refugium, dem Kloster Mater Ecclesiae, im Vatikan statt. Das ist eine gesicherte Tatsache, die als Besuch eines Schülers bei seinem alten Lehrer verbucht wurde. Nicht gesichert ist hingegen, was Ansaldo andeutet oder jedenfalls andeuten wollte, daß Kardinal Schönborn den emeritierten Papst bewegt habe, auf Kardinal Müller und über diesen auf die Gruppe der Verteidiger des katholischen Ehesakraments einzuwirken, damit am Ende doch die Zweidrittelmehrheit für den Synodenschlußbericht zustandekommen und die sich abzeichnende öffentliche Desavouierung von Papst Franziskus abgewendet werden konnte. Die Fakten
Tatsache ist, daß Kardinal Schönborn bereits im Circulus Germanicus in der Rolle des Moderators eine zentrale Rolle spielte, um ein gemeinsames Dokument zwischen den gegensätzlichen Positionen von Kardinal Kasper und Kardinal Müller zustandezubringen. Tatsache ist auch, daß der Bericht der deutschen Arbeitsgruppe, wenn auch deutlich modifiziert, zur entscheidenden Formel wurde, um die Schlußabstimmung und damit die zweijährige Synodenarbeit „zu retten“. Tatsache ist, daß die Empörung unter den Synodalen groß war, als ihnen nach drei Wochen Synodenarbeit von Papst Franziskus als Schlußdokument faktisch wieder der unveränderte Text des von vielen so heftig kritisierten Instrumentum laboris vorgelegt wurde. Tatsache ist daher, das wird von Vertretern aller Seiten bestätigt, daß dieses Dokument keine Mehrheit in der Synode gefunden hätte. Tatsache ist damit ebenso, daß damit ein schwerwiegender Riß in der Kirche sichtbar geworden wäre. Ein Riß, dessen unabsehbare Konsequenzen Nervosität und Sorge unter einigen Synodenvätern ausgelöst hat, auch unter den Verteidigern der Ehe- und Morallehre. Ein Riß der deshalb und schließlich durch frenetische Verhandlungen einen neuen Text entstehen ließ, der am Ende die nötige Mehrheit fand, wenn auch im entscheidenden Paragraphen der wiederverheiratet Geschiedenen, um den sich die ganze Synode gedreht hatte, nur wegen einer einzigen Stimme. Tatsache oder gewollter Eindruck?
In keiner Weise erhärtet ist bisher, ob und in welcher Weise Benedikt XVI. tatsächlich auf eine Kompromißlösung ein- oder hingewirkt hat. Oder ob und inwiefern Kardinal Schönborn eventuell eine Unterstützung durch den zurückgetretenen Papst gegenüber anderen Synodalen behauptet oder auch nur angedeutet hat. Tatsache ist, daß Ansaldo einen solchen Eindruck erwecken wollte, ,über das gemeinsame Mittagessen hinaus, konkrete Belege nennen zu können. Der entscheidende Punkt in seinem Artikel war letztlich auch gar nicht das Mittagessen oder Benedikt XVI., sondern die Gestalt des Wiener Erzbischofs, den er ohne Zögern in den umstrittenen Synodenfragen zu den „Progresssisten“ zählte. Tatsache ist auch, daß Marco Ansaldo zu den ausgewählten Journalisten gehörte, die im vergangenen Mai an der Gregoriana am Geheimtreffen der Kasperianer teilnahmen, mit dem sich die Vertreter der „neuen Barmherzigkeit“ für die Synode organisierten. Ansaldo ist damit in der Sache Partei. Um so mehr Gewicht kommt seiner Einschätzung zu, Kardinal Schönborn dem progressistischen Lager zuzurechnen, der bisher allgemein doch ganz anders eingestuft wurde. Schönborn hatte selbst am Geheimtreffen teilgenommen. Und um so mehr darf angenommen werden, daß Ansaldo Benedikt XVI. mit gewisser Absicht in die Sache involvieren wollte. Abgesehen davon, daß er den deutschen Papst für seine These von Schönborn als dem idealen Vermittler, zwischen den beiden großen „Fraktionen“ der Kirche, zwischen dem argentinischen und dem deutschen Papst, brauchte. Das Anliegen: Kardinal Schönborn für die Franziskus-Nachfolge in Stellung zu bringen
Schönborns diplomatischem Geschick ist es gelungen, so Ansaldo, zwischen den Progressisten, zu denen er sich in Sachen wiederverheiratet Geschiedenen und Homosexualität mehrfach bekannte, und den Ratzingerianern, zu denen er gemeinhin als Schüler Ratzingers, als dessen Mitarbeiter an der Glaubenskongregation und wegen dessen Förderung gerechnet wird, zu vermitteln. Er habe damit, so das vermittelte Gesamtbild, die Kirche vor einem veritablen Bruch bewahrt und Papst Franziskus vor einem Gesichtsverlust, der auch aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des regierenden Papstes unabsehbare Folgen haben konnte. Ansaldo wollte vor allem diesen Bonus, der Schönborn kirchenintern von einigen angerechnet wird, herausstreichen und den Sproß eines alten fränkischen Adelsgeschlechts, das zahlreiche Diplomaten und Bischöfe hervorgebracht hat, als prädestinierten Kandidaten für die Franziskus-Nachfolge ins Bild setzen, oder anders gesagt, ins Spiel bringen. Wohl wissend, daß Papst Franziskus, laut eigenem Bekunden, als einzige Tageszeitung täglich La Repubblica liest. Text: Giuseppe Nardi Bild: la Torre
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