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  • 02.11.2015 00:39 - "Einer roch den Duft des Teufels"
von esther10 in Kategorie Allgemein.

NRW
Artikel vom 01.11.2015 / Ausgabe 44 / Seite


"Einer roch den Duft des Teufels"

Till-R. Stoldt
Thomas Schirrmacher nahm als einziger Protestant Deutschlands an der Familiensynode im Vatikan teil – und schmiedete Allianzen für die Weltchristenheit

Gegen 08.40. Uhr begann auf dem Petersplatz in Rom das große Rennen. Rund 270 Kardinäle, Bischöfe und Experten stiegen eilig aus ihren Dienstwagen oder marschierten aus ihrem Hotel am Rande des Platzes los. Sie alle strömten in den Vatikan, um dort ab neun Uhr mit dem Papst über die Zukunft der Familie zu debattieren. Unter ihnen war ein Mann aus Bonn. Thomas Schirrmacher, der einzige deutsche Protestant, der geladen war, die gesamte Familiensynode der katholischen Kirche zu begleiten. Als Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz lauschte er drei Wochen lang den Kirchenführern, plauderte täglich mit dem Papst und hielt selbst Referate. War die Zeit gut investiert?

Welt am Sonntag:

Professor Schirrmacher, Hand aufs Herz, sind Sie zum Papisten mutiert?

Thomas Schirrmacher:

Bitte?

Sie haben die vergangenen drei Wochen fast pausenlos mit frommen Katholiken am katholischsten Ort der Welt verbracht. Das bleibt doch nicht folgenlos, oder?

Nein, ich habe großen Respekt vor der ältesten und größten Organisation der Welt. Ich staune darüber, dass sie überhaupt funktioniert. Und ich bin als Protestant auch dankbar, dass es sie gibt, weil sie viel zur Stabilisierung des gesamten Christentums beigetragen hat.

Aber?

Alles, was mich vor der Synode von der katholischen Kirche trennte, trennt mich weiterhin von ihr.

Warum sind Sie als einziger deutscher Protestant Gast der Familiensynode gewesen?

Der Vatikan lädt zu jeder Synode Vertreter der anderen Großkonfessionen ein...

...zu denen die Evangelikalen hierzulande aber nicht gehören. Und Sie sprechen ja für diese theologisch konservative Strömung innerhalb des Protestantismus.

Stimmt, deutschlandweit werden uns keine zwei Millionen Menschen zugerechnet. Aber weltweit zählen 600 Millionen Gläubige zur evangelikalen Bewegung. Die ehemaligen evangelischen Staatskirchen spielen nur noch in Europa eine tragende Rolle, außerhalb des Westens sind die meisten Protestanten evangelikal. Das ist dem Papst als Kopf einer globalen Kirche natürlich bewusst.

Haben Sie den Papst gesprochen?

Ja, erfreulicherweise hatte ich die Möglichkeit, jeden Tag mit ihm zumindest zehn Minuten zu sprechen. Wir waren uns schon vor der Synode fünf Mal begegnet. Und jedes Mal hat er bei mir den selben Eindruck hinterlassen.

Nämlich?

Dass er das freie, offene Wort schätzt. Auf der Synode hat er gegen den Widerstand seiner Mitarbeiter durchgesetzt, dass die Bischöfe in ihren Arbeitsgruppen völlig frei und ohne Vorgabe selbst ihre Themen festlegten, selbst ihre Sprecher wählten und kein Blatt vor den Mund nahmen. In der letzten Synode, 2012, unter seinem Vorgänger Benedikt XVI. wäre das unvorstellbar gewesen.

Also flogen jetzt die Fetzen?

Es wurde jedenfalls ab der zweiten Woche sehr offen debattiert. Bei Themen wie dem Umgang mit Wiederverheirateten wurde es auch hitzig. Ein kasachischer Würdenträger beispielsweise warf den reformfreudigeren deutschen Teilnehmern vor, er rieche "den Duft des Teufels" aus ihrer Richtung.

Weil die deutschen Bischöfe mehrheitlich dafür plädierten, Wiederverheiratete im Einzelfall zum Abendmahl zuzulassen?

Für diese behutsam formulierte Position haben die Reformer eine knappe Zweidrittelmehrheit zusammenbekommen. Papst Franziskus, der ja die letzte Entscheidung über die Stellung der Wiederverheirateten fällen wird, kann das als Rückendeckung für seinen Kurs deuten. Um kein falsches Bild aufkommen zu lassen: Den Duft des Teufels hat sonst niemand gewittert. Die meisten Diskussionsbeiträge waren, bei aller Leidenschaft, differenziert und verständnisvoll.

Welche Rolle hat die Stellung Homosexueller in der Debatte gespielt?

Kaum eine, weil nach dort herrschender Logik Homosexuelle mit Familie nichts zu tun haben. Also musste man ihnen bei einer Familiensynode auch kaum Aufmerksamkeit widmen. Allerdings gab es im Abschlussdokument eine Anerkennung für Homosexuelle. Ihnen wird zugestanden, dass es in homosexuellen Partnerschaften echte Fürsorge gebe.

Welche Anliegen haben Sie dem Papst vorgetragen?

Zum einen haben wir über eine engere Zusammenarbeit in familienpolitischen Fragen gesprochen, zum anderen habe ich ihm ein entschlosseneres Vorgehen gegen Christenverfolgung nahegelegt.

Sie meinen die Verfolgung in Syrien und Irak?

Genau, es muss ein Ruck durch die Weltchristenheit gehen angesichts dieser Tragödie. Wenn der Papst als weltweit prominentester Christ die Führer der großen Kirchen zum öffentlichen Gebet für die verfolgten Christen einladen würde, fände das vermutlich große Resonanz. Wichtig war mir aber auch die Einstufung des IS-Kampfes gegen Christen und Jesiden als Völkermord. Laut Definition der Vereinten Nationen liegt ein Völkermord vor, wenn eine ethnische oder religiöse Gruppe systematisch verfolgt, vergewaltigt, vertrieben oder versklavt wird. Diese Kriterien sind in Syrien und Irak leider erfüllt.

Würde die UNO das bestätigen, hätte es völkerrechtliche Konsequenzen.

Ja, die Staatengemeinschaft wäre verpflichtet, den Völkermord zu stoppen. Und wenn sich die Weltchristenheit mit dem Papst an der Spitze für eine solche Einstufung der orientalischen Christenverfolgung stark machte, hätte das durchaus Chancen auf Erfolg.

Wie hat der Papst reagiert?

Während meiner Rede hat er kräftig genickt, anschließend hat er sich bei mir bedankt, am nächsten Tag nahm er mich nochmals beiseite und versicherte mir, er wolle sich auf jeden Fall darum kümmern. Warten wir's ab.

Sie erwähnten eben noch ein zweites Anliegen, die Familienpolitik.

Richtig, auch bei dem Thema sieht der Papst mit uns Evangelikalen viel größere Gemeinsamkeiten als beispielsweise mit den evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Katholiken und Evangelikale werden ihre Zusammenarbeit in Fragen der Familienpolitik weiter ausbauen. Das wurde auf der Synode erneut bekräftigt.

Dürfen wir jetzt jede Woche mit einer katholisch-evangelikalen Demo gegen Abtreibung rechnen?

(lacht) Nein, wir wollen uns auf ganz unterschiedlichen Ebenen für Familien einsetzen, ob bei der UNO, im Europäischen Parlament oder auf dem Marktplatz, wo wir gemeinsame Familientage veranstalten.

Mit welchen Forderungen?

Zum Beispiel dürfen Eltern nicht mehr durch ein Karriere-Aus dafür bestraft werden, dass sie sich zugunsten ihrer Kinder phasenweise im Beruf zurückgenommen haben. Warum eröffnet unser Beamtenrecht solchen Eltern, die sich mit 45 wieder ganz der Arbeit widmen wollen, nicht Seiteneinsteigerchancen? Warum werden nicht die Altershöchstgrenzen für Einstellungen in Teilen des öffentlichen Dienstes gelockert?

Um Abtreibung oder die traditionelle Ehe soll es bei dieser Allianz von 1,2 Milliarden Katholiken und 600 Millionen Evangelikalen nicht gehen?

Doch, wir werben unter anderem dafür, Kinder vor Scheidungen besser zu schützen. In Australien wurde ein Gesetz verabschiedet, das Eltern minderjähriger Kinder verpflichtet, vor einer Scheidung mehrere Beratungsangebote wahrzunehmen. Dabei werden den Eltern alle Möglichkeiten einer Therapie und Hilfe nochmals vor Augen geführt – mit erstaunlich großem Erfolg. Das halten wir für vorbildlich. Auch im Blick auf den Umgang westlicher Länder mit Afrika wollen wir uns noch stärker dafür einsetzen, dass Entwicklungshilfe nicht an Bedingungen gekoppelt wird wie die Einführung der Homo-Ehe oder eines liberalen Abtreibungsrechts. Für solche Praktiken gibt es nämlich eine bewährte Bezeichnung: Neokolonialismus.
http://www.welt.de/print/wams/nrw/articl...es-Teufels.html




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