Päpstliche Präzisierung zum neuen Ehenichtigkeitsverfahren
10. November 2015 14:09 | Mitteilung an die Redaktion
Franziskus und die Rota Romana (Rom) In der neuen Ausgabe der römischen Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica legte der Schriftleiter und Papst-Vertraute, Pater Antonio Spadaro SJ, eine Lesart des Synodenergebnisses vor, das vorwegnehmen dürfte, was Papst Franziskus in der Sache der wiederverheirateten Geschiedenen entscheiden wird. Der Artikel geht jedoch weit darüber hinaus und bricht radikal mit dem bisherigen Kirchenverständnis. Und alles mit der Druckerlaubnis aus Santa Marta.
Ob Spadaros Synoden-Analyse mit dem bisher von der Kirche Gelehrten bricht, scheint den Jesuiten nicht zu beschäftigen. Er verfügt für seinen Artikel über die Druckerlaubnis des Vatikans. Vielmehr muß angenommen werden, daß Pater Spadaro auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus geschrieben hat, dessen Gedanken wiedergibt – und das sicher authentischer als Eugenio Scalfari, ein anderer „Papst-Sprecher“ (Roberto Cascioli) – und seinen Artikel vor der Veröffentlichung dem Papst vorgelegt hat (siehe Synode: Franziskus schweigt, doch Pater Spadaro sagt, wie Papst entscheiden wird).
Spadaros „völlig einseitige“ Auslegung des Synodenschlußberichts
„Besonders auffällig ist, mit welcher Sicherheit Pater Spadaro die Relatio finalis der Synode – ein Text, der tatsächlich offen für mehrere Interpretationen ist – völlig einseitig auslegt: nämlich zugunsten der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen“, so der Vatikanist Sandro Magister zum Spadaro-Artikel.
Im Zusammenhang mit der Synoden-Auslegung sind weitere Ereignisse zu sehen, die der Spadaro-Interpretation des Synodenausgangs vorausgingen. An erster Stelle steht die Äußerung führender Vertreter des bundesdeutschen, österreichischen und schweizerischen Episkopats und diesem nahestehender Theologen für die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion. Laut den Bischöfen Marx (München-Freising), Schönborn (Wien) und Büchel (St. Gallen) könne es keinen Zweifel geben, daß sich die Synode für eine „Öffnung“ in dieser Frage aussprochen habe, ebenso wie für eine Anerkennung der Homosexualität, obwohl dieses Thema gar nicht Gegenstand der Synodenarbeiten war. Vertreter des Episkopats im deutschen Sprachraum ließen ebenfalls verlauten, daß die bereits in Teilen praktizierte Kommunionspendung an wiederverheiratete Geschiedene – so im Erzbistum Freiburg im Breisgau – fortgesetzt werde, nun aber quasi mit offizieller Unterstützung durch die Synode.
Eine zweite Nachricht kommt aus Hong Kong, wo eine Gay Pride mit der Teilnahme der Konsuln von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Irland, Schweden, Finnland, der USA, Kanada und Australien stattfand. Penetranter Homo-Exhibitionismus als neues Diplomatenparkett? Die aufmarschierenden Homosexuellen nahmen den Bischof von Hong Kong, Kardinal John Tong Hon ins Visier, weil er die Familie als Lebensbund von einem Mann und einer Frau verteidigt hatte und sich von den „Öffnungen“ von Papst Franziskus und seinen Vertrauten gegenüber den Homosexuellen distanzierte.
Dekan der Rota Romana „präzisiert“ im Namen des Papstes neues Ehenichtigkeitsverfahren
Die dritte Nachricht betrifft das neue Ehenichtigkeitsverfahren, das Papst Franziskus angeordnet hat und das am kommenden 8. Dezember in Kraft treten wird. Am 4. November las Msgr. Pio Vito Pinto, der Dekan der Sacra Rota Romana bei der Eröffnung des neuen Gerichtsjahres folgende Erklärung vor, die drei Tage später im Osservatore Romano abgedruckt wurde.
„Der Heilige Vater hat zum Zweck, völlige Klarheit bezüglich der Anwendung der päpstlichen Dokumente zur Ehereform zu schaffen, den Dekan der Rota Romana gebeten, daß eindeutig die ‚mens‘ des obersten Gesetzgebers der Kirche zu den beiden am 8. September 2015 erlassenen Motuprorien bekundet wird:
Der Diözesanbischof hat das angeborene und freie Recht kraft dieses päpstlichen Gesetzes persönlich die Funktion der Richters auszuüben und sein Diözesangericht zu errichten;
Die Bischöfe können innerhalb der Kirchenprovinz für den Fall, daß sie nicht die Möglichkeit sehen, in absehbarer Zukunft ein eigenes Gericht zu errichten, frei entscheiden, ein interdiözesanes Gericht zu schaffen; davon unberührt bleibt gemäß geltender Bestimmung, das heißt, mit Lizenz des Heiligen Stuhls, die Fähigkeit, daß Metropoliten von zwei oder mehreren Kirchenprovinzen ein interdiözesanes Gericht sowohl erster als auch zweiter Instanz schaffen können.“
Kirchengerichte für schnelle, verkürzte Eheannichtigkeitsverfahren auf Staatsebene?
Papst Franziskus und das neue Eherecht
Die Erklärung reagiert auf eine gleich nach Erlaß der Motuproprien durch Papst Franziskus aufgeworfene Frage: laut Motu proprio sollte jede Diözese ein eigenes Ehegericht für verkürzte, schnelle Verfahren einrichten, dessen Vorsitzender der Diözesanbischof ist. Das warf in einigen Diözesen organisatorische Probleme auf. Nun erlaubte der Papst, daß auf der Ebene von Kirchenprovinzen Gerichte errichtet werden können. Die Erklärung kann noch weitergehend gelesen werden. Punkt 2 läßt anklingen, daß der Papst zwar den einzelnen Bischöfen als eigentlichen Autoritätsträgern neue Zuständigkeiten übertragen hat, daß diese aber durch Zusammenschluß auf der Ebene der Kirchenprovinz und durch Zusammenschluß mehrerer Kirchenprovinzen eigentlich auf Landesebene, also auf der Zuständigkeitsebene einer Bischofskonferenz das neue Ehegericht errichten könnten.
Damit könnte, ohne daß dies explizit gesagt oder empfohlen wird, für die neuen verkürzten und schnellen Ehenichtigkeitsverfahren, die auch schon katholische Scheidungen genannt werden, ein Gericht für Österreich, eines für Deutschland, eines für die Schweiz usw. errichtet werden. Damit würde sich eine einheitliche Ehenichtigkeitspraxis für einen ganzen Staat durchsetzen. Das wäre letztlich das, was Papst Franziskus in seiner Schlußansprache vor der Bischofssynode sagte und sein Adlatus Pater Antonio Spadaro in der Civiltà Cattolica mit Nachdruck hervorhob: Was in einem Land eines Kontinents abgelehnt wird, kann in einem Land eines anderen Kontinents als selbstverständlich akezptiert werden. Es wäre der Weg in die Fragmentierung und Fraktionierung der kirchlichen Lehre nach gesellschaftlichen und kulturellen Wünschen. Was der „mündige Christ“ in Europa will, muß nicht mehr entsprechen, was der Katholik in Ostafrika will. Um beide nach ihrem „Willen“ und „Wollen“ zufriedenzustellen, flexibilisiert die Kirche die Wahrheit Christi in Wahrheitsvariationen.
Reimt sich neue Kollegialität auf Bischofskonferenz statt auf Bischof?
Gleichzeitig deutet die Präzisierung des Dekans der Rota Romana an, daß die Aufwertung des Diözesanbischofs in Wirklichkeit im Handumdrehen zu einer Aufwertung der Bischofskonferenzen führen könnte. Damit wäre wiederum jene Ebene und jenes Gremium gestärkt, dem kirchlich eigentlich weder eine Bedeutung noch eine Autorität zu kommt. Die Autorität liegt in der Kirche allein beim Diözesanbischof für seine Diözese, nicht aber bei Bischofskonferenzen. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Jene Mehrheit, sprich jene führenden Bischöfe, die eine Bischofskonferenz kontrollieren, weiten durch die Bischofskonferenz ihre Autorität auf einen ganzen Staat aus. In der Regel sind nur wenige Bischöfe bereit, ihre Autorität im Zweifel gegen die Bischofskonferenz durchzusetzen und deren Autorität in ihrer Diözese einzuschränken. Nicht wenige Bischöfe zeigen eine Bereitschaft, der anonymen Bischofskonferenz den Vortritt zu lassen und sich dahinter zu verstecken. Text: Giuseppe Nardi Bild: Osservatore Romano (Screenshots)
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