Die Feinde von Papst Franziskus, im Vatikan und außerhalb… (Zweiter Teil)
Der italienische Journalist und internationale Reporter Nello Scavo erzählt von seinem neuesten Buch, in dem er die Gegner des Papstes beim Namen nennt
Rom, 17. November 2015 (ZENIT.org) Antonio Gaspari |
Wir veröffentlichen heute den zweiten Teil des Interviews mit dem italienischen Journalisten Nello Scavo. Der erste Teil erschien am gestrigen Montag, dem 16. November 2015.
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ZENIT: Wie sehen Sie den Menschen Jorge Mario Bergoglio?
Nello Scavo: Ich bin kein Vatikanexperte und kann deshalb nicht wirklich tiefgründig antworten. Doch hat der Papst diese Frage selber schon beantwortet, und zwar in dem schönen Interview, dass er mit Pater Antonio Spadaro führte, der ihn unter anderem fragte: „Wer ist Jorge Mario Bergoglio?“. Die Antwort des Heiligen Vaters war für viele eine Überraschung. Er sagte: „Ich weiß nicht, welche Definition am zutreffendsten sein könnte… Ich bin ein Sünder. Das ist wohl die richtige Definition. Und es ist keine Redensart, kein literarischer Allgemeinplatz. Ich bin ein Sünder.“ Und er fügte hinzu: „Ja, ich kann vielleicht sagen, ich bin ein wenig gewieft, ich verstehe mich zu bewegen; aber es stimmt auch, dass ich ein wenig arglos bin. Ja, aber die beste Zusammenfassung, die mir aus dem Innersten kommt und die ich für die zutreffendste halte, lautet: ‚Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat‘.“ Und zum Abschluss erklärte er noch: „Ich bin einer, der vom Herrn angeschaut wird. Mein Wahlspruch ‚Miserando atque eligendo‘ habe ich immer als sehr zutreffend für mich empfunden.“ Ich glaube, an diese Antwort dürfen wir uns halten.
ZENIT: Warum ruft sein Reformprogramm in der Kirche so viel Widerstand hervor?
Nello Scavo: Aus Angst vor dem Neuen. Aus Narzissmus. Wegen persönlicher Interessen. Es geht vielen wie dem, der in einem abgeschlossenen Zimmer lebt und den für verrückt erklärt, der von draußen hereinkommt und verkündet, die Luft sei abgestanden und man müsse einmal die Fenster aufreißen. Franziskus spricht deutliche Worte. In seiner Predigt zur Frühmesse von Freitag, dem 6. November, hat er gesagt: „Auch innerhalb der Kirche gibt es diese Menschen, die statt zu dienen und an die anderen zu denken die Kirche benutzen: die Emporkömmlinge, die am Geld hängen. Wie viele Priester und Bischöfe haben wir gesehen, die so sind. Ist es nicht traurig, das zu sagen?“
ZENIT: Manche Kritiker werfen Papst Franziskus vor, er sei ein Kommunist. Warum tun sie das und wie stehen Sie dazu?
Nello Scavo: Wer eine unbequeme Person angreifen will, hängt ihr immer zuerst die Etikette irgendeiner Feindgruppe an. Von Papst Benedikt wurde behauptet, er sei ultrakonservativ; doch durch seinen Rücktritt hat er bewiesen, dass er geradezu revolutionär handeln konnte. Auch über Bergoglio wird viel dahergeredet. Weil er viel von den Armen der Welt spricht, sich auf Franz von Assisi beruft, an die Seligpreisungen des Evangeliums erinnert, wird er als Kommunist, Marxist oder Sozialist abgetan. Wenn das wahr ist, dann hat die Kirche mit ihren Missionaren ganz Afrika, Asien und Südamerika mit Kommunisten überflutet; überall dort, wo es arme und ausgegrenzte Menschen gibt. Man muss nur hinsehen, aus welchem Lager diese albernen Vorwürfe kommen, um zu verstehen, wer „Franziskus‘ Feinde“ sind und wovor sie Angst haben.
ZENIT: Wie erklären Sie die Beliebtheit von Papst Franziskus und seinen Einfluss auf die weltweite öffentliche Meinung?
Nello Scavo: Er hat den Mächtigen widersprochen und sich zur Stimme der Letzten gemacht. Er ist glaubwürdig, weil seine Aussagen sich auf Fakten stützen. Auf moralischer Ebene ist er eine Autorität, die von Gläubigen und Nichtgläubigen gleichermaßen anerkannt wird. Er „verkauft“ den Glauben nicht, er bezeugt ihn. Er ist ein Mann, der sein Leben mehrmals aufs Spiel gesetzt hat, während der Militärdiktatur in Argentinien und auch als Erzbischof von Buenos Aires. Und er macht nie einen Rückzieher. Seine Art zu sprechen ist den Herausforderungen und Neuerungen unserer Zeit gewachsen. Er ist der christlichen Botschaft treu und will sie in allen Lebensbereichen verwirklicht sehen. Wer ihn schlecht machen will, muss deshalb mit List vorgehen. So wird zum Beispiel behauptet, dass das Volk „den Papst liebt, nicht jedoch die Kirche“. Zugleich wird versucht, die kirchliche Hierarchie als intern zerrüttet darzustellen, indem immer wieder von Intrigen, Machtkämpfen und Auseinandersetzungen zwischen den Bischöfen berichtet wird. Doch das wahre Ziel ist es, den Einfluss des Papstes zu schmälern, sein Charisma und seine große Reformarbeit zu untergraben. Denn: Wer wird schon einen Papst ernst nehmen, der zwar gut predigt, aber das Oberhaupt einer korrupten Kirche ist? Eine gespaltene Kirche und ein Papst, den man als von inneren Streitigkeiten geschwächt darstellt, sind die beste Garantie für jene globalen Mächte, die ungestört weiter florieren möchten. Zum Glück sieht die Wirklichkeit anders aus. In meinem Buch gehe ich auch auf die Aktionen gegen Korruption und andere Verbrechen ein, sowie auf die bereits erzielten Ergebnisse. Diese Entschlossenheit, die viele Journalisten lieber verschweigen, ist ein weiterer Schlüssel zum Verständnis des weltweiten Erfolgs, den Papst Franziskus erntet.
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Nello Scavo ist ein internationaler Reporter. Er schreibt für die Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, „Avvenire“. Er hat Reportagen über das organisierte Verbrechen und den weltweiten Terrorismus verfasst. Er ist Autor von „La lista di Bergoglio“ („Bergoglios Liste“; EMI, 2013), ein in 15 Sprachen übersetztes Faktenbuch. Weitere Werke sind: „I sommersi e i salvati di Bergoglio“ („Wen Bergoglio rettet und wen nicht“; Piemme, 2014) sowie, mit Luigi Ciotti als Koautor, „Non tacerò. Con Francesco contro l’economia di rapina e la mafia 2.0“ („Ich schweige nicht. Mit Franziskus gegen Raubwirtschaft und Mafia“; in Zusammenarbeit mit Daniele Zappalà, Piemme, 2015).
(17. November 2015) © Innovative Media Inc.
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