Der Weg des Friedens...Jesus weint.
· Messe des Papstes in Santa Marta · 19. November 2015
Die Welt möge den Weg des Friedens »gerade an der Schwelle zu diesem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit« wiederfinden. So lautet der Aufruf, den Papst Franziskus im Verlauf der Frühmesse ergehen ließ, die er am Donnerstag, 19. November, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.
»Jesus weinte«, so sagte Franziskus gleich zu Beginn seiner Predigt, unter Anspielung auf die Worte aus dem Tagesevangelium nach Lukas (19,41-44). Tatsächlich habe der Herr, »als er in der Nähe Jerusalems war« »und die Stadt sah, über sie geweint«. Und weshalb? Jesus selbst gäbe die Antwort darauf: »Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen.« Also »weinte er, weil Jerusalem den Weg des Friedens nicht erkannt hatte und sich für den Weg der Feindschaft, des Hasses, des Krieges entschieden hatte.«
»Heute ist Jesus im Himmel, er schaut uns an«, so erinnerte Franziskus, und »er kommt hier auf dem Altar zu uns«. Aber »auch heute weint Jesus, weil wir den Weg der Kriege, den Weg des Hasses, den Weg der Feindschaft gewählt haben«. Das begreife man noch weitaus besser in dieser Jahreszeit, in der »das Weihnachtsfest vor der Tür steht: da wird es Lichterschein geben, Feste, erleuchtete Bäume, auch Krippen… alles falscher Schein: die Welt führt weiterhin Krieg, führt weiter Kriege. Die Welt hat den Weg des Friedens nicht erkannt.«
Und überdies, so legte der Papst nach, »haben wir im vergangenen Jahr Gedenkveranstaltungen zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs abgehalten«. Und »dieses Jahr gab es weitere Gedenkveranstaltungen zu den Jahrestagen von Hiroshima und Nagasaki, um nur zwei herauszugreifen«. Und »jedermann beklagt sich« und sagt: »O je, was für hässliche Geschichten!«
Unter Verweis auf seinen Besuch beim Soldatenfriedhof Redipuglia am 13. September 2014, am 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, gestand der Papst, dass er sich an die Worte Benedikts XV. erinnert habe: »nutzlose Massaker«. Massaker, die den Tod »von Millionen und Abermillionen von Menschen« verursacht haben. Und trotzdem, so fügte er hinzu, »haben wir den Weg des Friedens immer noch nicht verstanden«. Und »das ist noch nicht alles: heutzutage sehen wir in den Fernsehnachrichten, in der Presse, dass irgendwo Bomben abgeworfen wurden« und hören, dass »das ein Krieg ist«. Aber »heutzutage herrscht überall Krieg, herrscht Hass«. Wir gingen sogar so weit, uns zu trösten und zu sagen: »ja, das ist eine Bombardierung, aber Gott sei Dank sind nur zwanzig Kinder dabei umgekommen!« Oder wir sagen: »Es hat nicht viele Tote gegeben, viele sind verschleppt worden…«. Aber auf diese Art und Weise »wird auch unsere eigene Art zu denken verrückt«.
Wirklich, so fragte sich der Papst, »was bleibt von einem Krieg, von diesem Krieg, den wir gerade erleben?« Es blieben »Ruinen, Tausende von Kindern, die keine Bildung bekommen, unzählige unschuldige Tote: sehr viele!«Und »sehr viel Geld im Säckel der Waffenhändler«.
Das sei ein ausschlaggebender Punkt. »Einmal«, so erinnerte der Papst, »hat Jesus gesagt: ›Niemand kann zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon‹«. Und »der Krieg ist gerade die Entscheidung zugunsten des Geldes: ›Stellen wir Waffen her, so wird die Wirtschaftsbilanz etwas besser, und wir können weiter unsere Interessen vertreten‹«. In diesem Zusammenhang , so versicherte Franziskus, »gibt es ein hässliches Wort des Herrn: ›Ihr Verfluchten!‹«, denn »er hat gesagt: »Selig, die Frieden stiften!‹« Also seien diejenigen, »die einen Krieg anzetteln, die Kriege führen, Verfluchte, sie sind Verbrecher«.
Einen Krieg, so erläuterte der Papst, »kann man – in Anführungszeichen – rechtfertigen mit vielen, vielen Gründen. Aber wenn, wie es heute der Fall ist, alle Welt im Krieg ist – alle Welt! – dann ist das ein Weltkrieg, der stückchenweise geführt wird: hier, da, dort, überall«. Und »dafür gibt es keine Entschuldigung. Und Gott weint. Jesus weint.«
Womit er wieder zu den Worten zurückkam, die der Herr beim Anblick Jerusalems gesprochen hatte und die im Lukasevangelium wiedergegeben sind: »Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt.« Heute »ist diese Welt kein Friedensstifter«. Und »während die Waffenhändler ihrer Arbeit nachgehen, sind da die armen Friedensstifter, die nur, um einem Menschen zu helfen, und noch einem, und noch einem, ihr Leben geben«. Und diesen Auftrag erfüllen, indem sie sich »ein Symbol, eine Ikone unserer Zeit« zum Vorbild nehmen: »Teresa von Kalkutta«. Tatsächlich »könnte man mit dem Zynismus der Mächtigen sagen: Aber was hat diese Frau getan? Hat sie etwa ihr Leben verloren, indem sie den Menschen beim Sterben half?« Das Problem sei, dass man heutzutage »den Weg des Friedens nicht verstehe«. In der Tat »verhallte Jesu Friedensangebot ungehört«. Und »deshalb weinte er beim Anblick Jerusalems, und deshalb weint er auch jetzt«.
»Auch uns wird es gut tun«, so sagte der Papst abschließend, »um die Gnade der Tränen für diese Welt zu bitten, die den Weg des Friedens nicht erkennt, die dafür lebt, Krieg zu führen und zynisch genug ist, zu sagen, dass man ihn nicht führen solle.« Und so fügte er hinzu, »bitten wir auch um die Bekehrung des Herzens«. Gerade »an der Schwelle zu diesem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit«, so wünschte Franziskus, »möge unser Heiliges Jahr, unsere Freude die Gnade bringen, dass die Welt wieder dazu imstande sei, ihre Verbrechen zu beweinen, über das zu weinen, was sie mit diesen Kriegen tut«.
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