25.11.2015 15:30 Kommentar: Kein neues Sarajewo 1914
Oliver Maksan. Foto: DT
Nein, der Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türken am Dienstag ist kein neues Sarajewo 1914. Es wird deswegen keinen offenen Krieg zwischen Russland und der Türkei beziehungsweise den Staaten des NATO-Bündnisses geben, dem sie angehört. Das will niemand. Dennoch ist die Lage ernst. Das wissen alle Seiten. Die Signale aus Washington, NATO und EU stehen deshalb auf Deeskalation. Man will den Zwischenfall nicht zu einem internationalen Ereignis, gar zum Bündnisfall aufblasen.
Trotzdem haben die russisch-türkischen Beziehungen schweren Schaden davongetragen. Moskau, das in Syrien interveniert, um seinem Anspruch auf globale Geltung Nachdruck zu verleihen, kann schon aus Gründen des eigenen Prestiges nicht über den Abschuss hinwegsehen. Putin hat jetzt als Reaktion die direkten Kontakte mit dem türkischen Militär beendet sowie die eigene Luftabwehr in Syrien verstärkt. Außerdem wurde der russische Türkei-Tourismus quasi beendet. Die gegenseitigen Vorwürfe sind harsch. Kollateralschaden nehmen indes nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen Moskau und Ankara, sondern vor allem der Syrien-Konflikt. Dieser gordische Knoten lokaler, regionaler und internationaler Interessen und Akteure wird damit nicht leichter zu entwirren sein. Weil Ankara aber massiven Einfluss auf die Rebellen in Syrien hat und damit für den bei den Syrien-Gesprächen in Wien angestrebten politischen Übergang unverzichtbar ist, Russland wiederum den meisten Einfluss auf Assad hat, ist der Vorfall ein herber Rückschlag auf dem langen Weg zu einer Einigung. Die gemeinsame Bekämpfung des IS ist ebenfalls schwerer geworden.
Beobachter sagten eine mögliche Kollision der intervenierenden Mächte in dem langsam ziemlich engen Luftraum über Syrien lange voraus. Wichtiger noch als eine bessere Koordination wäre es aber, diesen blutigsten aller derzeitigen Konflikte auf der Welt zu beenden. Leichter ist das aber seit Dienstag nicht geworden. Und Moskau muss lernen, dass es keine Intervention zum Nulltarif gibt. tagespost
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