Griechenland/Mazedonien: Vorhölle der Migranten
Gestrandete Migranten an der griechisch-mazedonischen Grenze - AP
05/12/2015 11:29SHARE: Gewalt, Zusammenstöße, wachsende Spannungen werden von der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien gemeldet. Der Winter hat dort bislang nicht den Strom von Flüchtlingen auf der berüchtigten Balkanroute ausgebremst; seit Wochen sitzen nun Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika im Niemandsland fest, weil Mazedonien nur noch Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan über die Grenze lässt.
Philippe Mougin ist Nothilfe-Koordinator der katholischen Caritas Griechenland. „Die Lage ändert sich jeden Tag“, sagt er uns in einem Telefoninterview. „Am Donnerstag zum Beispiel wurde die Grenze wegen Gewalt und Zusammenstößen komplett dichtgemacht, am Freitag dagegen wurden Flüchtlinge, die aus dem Irak und Afghanistan kommen, durchgelassen. Darum war es am Freitag ruhiger. Die Flüchtlinge sind natürlich sehr frustriert, weil sie mitkriegen, dass einige über die Grenze gelassen werden, einige Nationalitäten hingegen nicht durchkommen. Das führt zu starker Spannung unter den einzelnen Nationalitäten, ja zu Verzweiflung.“
Mazedonien hält es jetzt wie Slowenien, Kroatien und Serbien: Es betrachtet Pakistaner, Iraner, Marokkaner und Somalier als Wirtschaftsflüchtlinge und lässt sie nicht mehr durch. Auch am Freitag kam es zu Gewalt an der Grenze: Flaschen- und Steinwürfe gegen die mazedonische Polizei, die mit Schlagstöcken antwortete. Am Donnerstag war ein Migrant aus Marokko ums Leben gekommen, wahrscheinlich durch einen Stromschlag auf einer Bahnschwelle. „Im Lauf der Tage ist die Zahl der hier Gestrandeten gestiegen, die Zahl der Schlafmöglichkeiten ist begrenzt, und nicht für alle gibt es einen Platz im Zelt; das führt zu starker Frustration.“
Die Proteste richten sich aber auch gegen die griechische Polizei – seit die Athener Regierung versucht, Migranten von der Grenze per Bus wieder abzutransportieren. Ein vergeblicher Versuch: Keiner will zurück nach Athen, stattdessen hält der Zustrom zur Grenze an. „Etwa zwanzig Busse oder mehr sind am Freitag angekommen, das heißt, tausend Flüchtlinge oder sogar mehr. Die meisten kommen direkt aus Athen.“
Die Regierung in Skopje hat in den letzten Tagen auf der Höhe von Gevgelija eine Metallbarriere mit Stacheldraht hochgezogen, drei Kilometer lang. „Es wird kälter, aber wenigstens regnet es noch nicht – in dieser Hinsicht haben wir Glück. Die Zahl der hier Gestrandeten zu schätzen, ist schwierig; ich gehe davon aus, dass zwischen tausend und zweitausend Menschen nicht die Erlaubnis haben, über die Grenze zu gehen. Angeblich kehren einige Flüchtlinge zurück nach Athen, aber die Mehrheit bleibt hier in einem Limbo, und es ist nicht klar, wie es für sie weitergeht.“
In Brüssel haben die Innenminister der EU gerade beschlossen, dass das Schengen-System in Kraft bleibt. Das heißt: Bewegungsfreiheit für EU-Bürger innerhalb der Union. Die Migranten an der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und dem Nicht-EU-Mitglied Mazedonien haben nichts davon.
Philippe Mougin: „Die Caritas verteilt seit Wochen etwa 4.000 Rationen an Trockennahrung sowie Decken und Regencapes. Das Hauptproblem sind aber Unterkünfte. Man sieht hier viele Zelte, aber die reichen bei weitem nicht aus. Wenn man mit den Menschen spricht, dann hört man, dass die große Mehrheit erst einmal hier bleiben und nicht etwa nach Athen zurückkehren will. Weil sie diesen ganzen Weg zur Grenze zurückgelegt haben in der Hoffnung, dass man sie hinüberlässt.“ (rv 05.12.2015 sk)
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