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  • 08.12.2015 00:02 - Das gemeinsame Abendmahl werde von den Gemeinden vor Ort stark gewünscht;
von esther10 in Kategorie Allgemein.

D: „Papst ist in seiner Kapitalismuskritik ein Reformator"


Die ehemalige Vorsitzende des Rates Evangelischer Kirchen in Deutschland Margot Käßmann hofft auf Einignug von Katholiken und Protestanten - EPA

08/12/2015 07:26SHARE:
Die Hoffnung auf ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten hat die ehemalige Vorsitzende des Rates Evangelischer Kirchen in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, geäußert. Ein mögliches Vorbild dafür sei die 1973 überwundene Spaltung zwischen den europäischen Reformierten und Lutheranern über die Abendmahlsfrage, erklärte die Botschafterin der EKD für das Luther-Jubiläum 2017 am Montag vor kirchlichen Journalisten in Wien. Dass Papst Franziskus kürzlich der evangelischen Gemeinde Roms einen Messkelch als Gastgeschenk überreicht hatte, könne man durchaus auch als Symbol dafür deuten, „dass auch er diesen Wunsch hat“, so die Theologin.

Eine strukturelle Einheit zwischen den christlichen Kirchen werde es in naher Zukunft kaum geben, denn „das Papsttum wird für Lutheraner nicht die Lösung sein, wie auch das evangelische Kirchenmodell für Katholiken nicht annehmbar ist“, so die Einschätzung Käßmanns. Dennoch stecke in der konfessionellen Differenz eine „kreative Kraft“, und eine „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ sei anzustreben. Das gemeinsame Abendmahl werde von den Gemeinden vor Ort stark gewünscht; das Modell der Reformierten und Lutheraner zeige auf, dass eine gegenseitige Anerkennung als Kirche sowie der Ämter und in Folge die gemeinsame Mahlfeier möglich sei.

Knapp 500 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag in Wittenberg von 1517 setze sich heute die Sicht durch, „dass uns mehr verbindet als uns trennt“, so die Reformationsbotschafterin zum Stand der Ökumene zur katholischen Kirche. Zu der „wachsenden Übereinstimmung“ gebe es auch viele Dokumente, die jedoch bisher noch wenig rezipiert seien. In Deutschland laufe der Dialog sehr gut, beim Vatikan hingegen habe sie das Gefühl, dass hier „das Wittenberger Ereignis nicht so zentral gesehen“ werde. Für Papst Franziskus sei jedoch statt dogmatischer Fragen mehr das praktisch gelebte Christentum vordergründig, etwa der Einsatz für Benachteiligte oder Flüchtlinge. „Auch seine Kapitalismuskritik zitiere ich gerne. Da ist er auch Reformator“, erklärte Käßmann.

2017 auch Ökumene-Fest

Innerhalb der evangelischen Kirchen soll es auch im Jubiläumsjahr 2017 Schritte zueinander geben, kündigte Käßmann an. So stehe in Frankreich die Einigung zwischen den Reformierten und Lutheranern bevor. Die polnische Landeskirche plane, zum Jubiläum die Frauenordination einzuführen, während im Russischen Kaliningrad am Grab von Luthers Tochter Margarethe ein großer Reformationsgottesdienst stattfinden soll. Käßmanns Aufgabe als EKD-Botschafterin ist es u.a., die Angebote zu vernetzen und für die zentralen Feiern in Wittenberg einzuladen. „Das Jubiläum löst in vielen Kirchen etwas aus“, so ihre Erfahrung.

Für die Festlichkeiten 2017 sei eine Beteiligung auch vieler Katholiken absehbar und gewollt, erklärte die Botschafterin. Dank der Einigung auf den Terminus eines „Christusfestes“ sei in Deutschland ein gemeinsames Feiern möglich geworden: „Wir können feiern, dass wir eine ökumenische Bewegung haben“, so die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. Ein deutliches Zeichen nach außen werde die gemeinsame Pilgerreise der deutschen Bischöfe und des EKD-Rates nach Jerusalem sein sowie ein Versöhnungsgottesdienst, bei dem auch gegenseitige Verletzungen und Schuld zur Sprache kommen sollen.

Zu den kulturellen Hauptereignissen im Luther-Jahr zählt die „Weltausstellung Reformation“, die Wittenberg zwischen Mai und September in ein Ausstellungsgelände verwandelt; Käßmann fungiert hier als Projektleiterin. Aus einem dafür ausgeschriebenen Wettbewerb stammen Ideen wie etwa Flüchtlingsboote aus Sizilien, die in den Wittenberger Schwanenteich gesetzt werden sollen – „denn Reformation findet mitten im Weltgeschehen statt“, erläuterte die Kirchenfrau. Ein weiterer Höhepunkt ist ein Stationenweg, bei dem unter Federführung des österreichischen Bischofs Michael Bünker 69 Tore in verschiedenen Städten - darunter Wien, Graz und Villach - mit heutigen Reformationsanliegen versehen werden. Auch diese Tore sollen in Wittenberg zu sehen sein.

„Spreche Pegida das Christliche ab“

Als „entsetzliche Symbole“ beschrieb die Reformationsbotschafterin die infolge der Flüchtlingssituation entstehenden Stacheldrahtzäune in Europa: Es könne nicht sein, dass die osteuropäischen Staaten, die bei der EU-Erweiterung 2004 Milliardenbeträge aus dem Westen erhalten hätten, sich nun ihrer Verantwortung entziehen wollten, die Last der Integration der Flüchtlinge in Europa zu teilen. „Ich kann Freiheit nicht nur loben, wenn sie mir nützt", so Käßmann. Bei den Flüchtlingen handle es sich um Menschen in Not, die jetzt Hilfe bräuchten. „Wie es weitergeht, wird man sehen.”

Das „Jahr der Barmherzigkeit“, das die katholische Kirche am 8. Dezember beginnt, ist in den Augen Käßmanns deshalb „passender denn je“: Für die aus dem Christentum hervorgegangene europäische Kultur seien Barmherzigkeit und Nächstenliebe ganz zentral, „was besonders wichtig gegenüber der deutschen Pegida-Bewegung ist, die meint, sie würde das christliche Abendland verteidigen. Das spreche ich ihnen ab - denn das hat mit christlich nichts zu tun“, so die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. Barmherzigkeit sei auch für den ökumenischen und interreligiösen Dialog wichtig - wenn es darum gehe, „dem anderen und auch sich selbst vergeben und andere anders sein lassen zu können“, so Käßmann.

Kirchen sind Begegnungsorte zwischen Nöten und Spenden- und Hilfsbereitschaft
Die christlichen Kirchen hätten sich in der Flüchtlingshilfe der vergangenen Monate hingegen bewährt, ist die evangelische Theologin überzeugt. Besonders groß bezeichnete sie das Potenzial, Begegnungsorte zu schaffen einerseits zwischen Nöten und Spenden- und Hilfsbereitschaft, andererseits aber auch für den Abbau von Vorurteilen:

Die meisten Aversionen gegen andere entstünden schließlich dort, wo es nie zu persönlichem Kontakt kommt, wie sich in Deutschland zeige. Wichtig sei es zudem, den bisher kaum existierenden Dialog zum Islam zu verstärken. Probleme in diesem Bereich könnten durchaus auch innerkirchliche Impulse liefern. „Unbehagen gegenüber dem Islam kann auch ein Punkt der Rückbesinnung auf den eigenen Glauben sein - nachzufragen, was meine eigene Religion ist.“
(kap 07.12.2015 gs)



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