AUGSBURG
Einfach verschwunden: Polizei sucht rund 100 junge Flüchtlinge Immer wieder verschwinden minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitun g aus Unterkünften in Augsburg. Für die Kripo sind die Fälle inzwischen Alltag. Doch wo gehen die Jugendlichen hin? Von Jörg Heinzle
Einige jugendliche Flüchtlinge verschwinden nach wenigen Tagen gelegentlich aus den Unterkünften.
Rund 100 jugendliche Flüchtlinge in Augsburg als vermisst gemeldet Foto: Uli Deck, dpa
Es sind Geschichten wie die von Ali, 13, aus Afghanistan. Der Junge wird in Augsburg von Bundespolizisten aufgegriffen. Das Kind ist allein unterwegs. Es kommt in Augsburg in eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Doch nach nur zwei Tagen ist Ali wieder verschwunden. Andere Jugendliche aus der Unterkunft vermuten, dass er sich zu Verwandten im Großraum Frankfurt durchschlagen will.
Ali ist einer von inzwischen rund 100 jugendlichen Flüchtlingen, die in diesem Jahr bei der Augsburger Polizei als vermisst gemeldet worden sind. Rund 700 junge Flüchtlinge sind derzeit im Großraum Augsburg untergebracht. Es sind fast ausschließlich Jungen, die sich alleine bis nach Deutschland durchschlagen, irgendwann aufgegriffen werden – und von denen ein Teil nach kurzer Zeit schon wieder verschwindet. Die meisten kommen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Jugendliche aus Afrika sind Einzelfälle. Die Zahlen der Polizei zeigen, wie dramatisch sich die Flüchtlingskrise in diesem Jahr entwickelt hat – und wie stark das auch die Beamten beschäftigt. Im Jahr 2014 gab es bei der Augsburger Polizei nur acht Fälle mit vermissten jungen Flüchtlingen, im Jahr 2013 waren es sogar nur zwei Fälle.
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Die Vermisstenfälle werden bei der Kriminalpolizei bearbeitet. Die Ermittler versuchen, zumindest von jedem jungen Flüchtling, der als verschollen gilt, einen genetischen Fingerabdruck zu bekommen – zum Beispiel von Kleidung, die er in der Unterkunft zurücklässt. Mit dieser DNA-Probe kann man den Jugendlichen identifizieren, falls er irgendwo wieder auftaucht.
Das Problem ist nämlich: Mit dem Namen eines Vermissten können die Ermittler in vielen Fällen nicht besonders viel anfangen. Sie wissen gar nicht, ob der Name, den der junge Flüchtling angegeben hat, überhaupt stimmt. Längst nicht jeder hat bei seiner Flucht einen Ausweis dabei. Manch einer macht sich bei der Einreise womöglich auch jünger, als er ist. Der Grund: Minderjährige genießen einen besonderen Schutz.
Entsprechend oft lässt sich der Vermisstenfall nicht klären. Von den rund 100 jugendlichen Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn von der Kripo in Augsburg gesucht werden, sei bislang nur etwa eine Handvoll wieder aufgetaucht, sagt Siegfried Hartmann, der Sprecher der Polizei. „Die meisten von ihnen reisen vermutlich weiter, weil sie zu Verwandten oder Bekannten wollen“, sagt Hartmann. Teils seien sie in Deutschland auch nur auf der Durchreise und hätten andere Ländern – meist in Nordeuropa – als Ziel. Experten sehen die hohe Zahl vermisster junge Flüchtlinge aber auch deshalb mit einer gewissen Sorge, weil zumindest einzelne von ihnen in die Fänge von Kriminellen oder Islamisten geraten könnten.
Jugendliche könnten in die Hände von Kriminellen geraten
Bislang fallen jugendliche Flüchtlinge allerdings nicht durch Kriminalität auf. „Es gibt Einzelfälle, die etwas anstellen, mehr aber nicht“, sagt Polizeisprecher Hartmann. Ängste in diese Richtung seien unbegründet. Arbeit hat die Polizei derzeit vor allem mit den Vermisstenfällen. So sieht es auch der Augsburger Kriminalbeamte Hans Wengenmeir. Er ist Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter. Bislang sei durch die Flüchtlingswelle kein dramatischer Anstieg der Straftaten zu spüren, sagt Wengenmeir. Wichtig sei aber, gerade die jungen Asylbewerber rasch und gut zu integrieren, damit sie gar nicht erst in die Kriminalität abrutschen. Die Unterbringung der Jugendlichen ist allerdings nicht einfach. Weil Heime und andere Einrichtung inzwischen alle voll sind, wurden auch Notunterkünfte eingerichtet – etwa in der ehemaligen Spicherer-Schule in Pfersee.
Der Fall des jungen Ali klärt sich unerwartet schnell auf. Der Junge wird am Donnerstag von Polizisten im Bahnhof Hamburg-Altona aufgegriffen, als er ein Zugticket nach Schweden lösen will. Er wird in Gewahrsam genommen, das Hamburger Jugendamt kümmert sich um ihn. Er soll aber wieder zurück nach Augsburg. Die Frage ist nur, ob er lange hier bleibt. http://www.augsburger-allgemeine.de/augs...id36295302.html
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