Aufruf zur Heiligkeit
Pater Raniero Cantalamessa OFMCap (4. Dezember 2015) Quelle: PHOTO.VA, OSSERVATORE ROMANO Copyright
P. Raniero Cantalamessa OFMCap -- Zweite Adventspredigt 2015 (Zusammenfassung) Michaela Koller | 11. Dez | ZENIT.org |
Papst und Heiliger Stuhl | Rom | at Pater Raniero Cantalamessa, Prediger des Päpstlichen Hauses, im Vatikan die zweite traditionelle Adventspredigt für den Papst und die römische Kurie gehalten. Der Kapuziner sprach dabei über den weltweiten Aufruf zur Heiligkeit der Christen. Zum Anlass nahm er den 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils, das die „Arznei der Barmherzigkeit“ in den Vordergrund gesetzt habe. Pater Raniero sieht keinen Widerspruch zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes, denn die „vergeltende Gerechtigkeit liegt in der Zukunft, die barmherzige ist jetzt.“
Den Aufruf zur Heiligkeit sieht er aber als wichtigste und dringlichste Botschaft des Konzils. Dennoch werde die Dringlichkeit nicht deutlich genug, wenn andere zu den Ehren der Altäre erhoben werden, als vielmehr sich selbst zu heiligen. „Wenn alle zur Heiligkeit berufen sind, dann deshalb, weil sie, richtig aufgefasst, in der Reichweite von uns allen liegt und zur Normalität des christlichen Lebens gehört“, betonte der Kapuzinerpater. Die Heiligen seien wie Blumen, die es nicht nur auf dem Altar gebe: „Wie viele von ihnen erstehen und sterben im Verborgenen, und verbreiten ihren Duft auf stille unauffällige Weise“, bemerkte er.
Der Beweggrund sei die Heiligkeit Gottes, also transzendental, „jenseits all unserer Kategorien“ stehend. Der Begriff beinhalte sowohl Reinheit als auch Fülle. Im Alten Testament überwiege bei der Bedeutung der Heiligkeit noch die Ritualidee und bei den Propheten und in den Psalmen folgten als Antwort auf die Frage nach der Heiligkeit moralische Anweisungen. „Noch zu Lebzeiten Jesu überwog bei den Pharisäern oder in Qumran die Vorstellung, dass Heiligkeit und Gerechtigkeit mit der rituellen Reinheit gleichzusetzen seien und aus der Einhaltung der Gesetzesvorschriften kommen“, sagte Pater Raniero in seiner Predigt.
Im Neuen Testament wende der Apostel Paulus das Wort „Heilige“ regelmäßig auf die Getauften an. Ein tiefgreifender Umbruch in der Bedeutung des Wortes „Heiligkeit“ habe sich damit vollzogen: „Ihr Sitz sind nicht mehr die Hände, sondern das Herz“, betonte der Hausprediger. Heilig sein bedeute nicht mehr in erster Linie, von verschiedenen Dingen getrennt zu sein, sondern mit Jesus Christus vereint zu sein. Auf zwei Wegen könnten die Menschen mit der Heiligkeit Christi in Berührung kommen: durch Aneignung sowie durch Nachahmung. Die Aneignung sei wichtiger und verwirkliche sich durch den Glauben und die Sakramente. Die Nachahmung bedeute die guten Werke und die persönliche Anstrengung. „Jesus sagt, dass im endzeitlichen Gericht manche vom Reich ausgeschlossen sein werden, weil sie den Nackten nicht bekleidet und den Hungrigen nicht gespeist haben“, sagte der Kapuziner. Man erlange das Heil nicht wegen der guten Taten, jedoch auch nicht ohne die guten Taten.
Christus sei vordergründig ein Geschenk, das wir im Glauben annehmen müssen, er sei aber auch ein Vorbild, das es im Leben nachzuahmen gelte. Der Mensch müsse heilig sein, um seine tiefe Natur zu verwirklichen, die darin bestehe, ein „Abbild Gottes“ zu sein. In der Heiligen Schrift stehe im Vordergrund, was der Mensch durch die Ausübung seines freien Willens und in der Gehorsamkeit zu Gott aus sich mache. Es sei weniger „Natur“ als vielmehr „Berufung“.
Der Philosoph Blaise Pascal habe drei Höhengrade der Existenz definiert: „die körperliche oder materielle Ebene, die Ebene der Vernunft und die Ebene der Heiligkeit“. Den meisten Menschen ginge es nur um Reichtum, Macht und Äußerlichkeiten. Andere glaubten, die wahre Größe liege im Intellekt. „Nur wenige wissen, dass es noch eine dritte Ebene gibt: die der Heiligkeit.“ Der Aufruf an jeden Einzelnen zur Heiligkeit komme von der Gnade und sei anfangs wie ein plötzlicher Stillstand: „Dann kommen die großen Fragen auf: Wer bin ich? Was will ich? Was mache ich aus meinem Leben?“ Und abschließend ergänzte Pater Raniero noch die wegweisende Frage: „Habe ich Hunger und Durst nach Heiligkeit, oder gebe ich mich mit der Mittelmäßigkeit zufrieden?“
Der Volltext der Predigt ist hier abrufbar.
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