Die Reise der Weisen" von T. S. Eliot
Die Reise der Heiligen Drei Könige: Ein Gemälde von James Tissot (1836-1902) Foto: Minneapolis Institute of Arts via Wikimedia (Gemeinfrei)
Von CNA Deutsch/EWTN News
BERLIN , 06 January, 2016 / 6:53 PM (CNA Deutsch).- Vor 50 Jahren, am 4. Januar 1965 starb der englische Dichter, Essayist und Dramaturg Thomas Stearns Eliot. Das folgende Gedicht, "Die Reise der Weisen", erschien 1927 als "Journey of the Magi".
Die Reise der Weisen
von T. S. Eliot
"Kalt war es von Anfang an,
die schlechteste Jahreszeit für eine Reise,
und was für eine lange Reise
Morastig die Wege und das Wetter rau
Mitten im tiefsten Winter."
Und die Kamele wollten nicht, wundgelaufen, gebrochen
blieben sie liegen im schmelzenden Schnee
Es gab Momente, da dachten wir mit Wehmut
an die Sommerpaläste an Hängen gelegen, die Terrassen
Und an die seidenen Mädchen, die Sorbet servierten.
Die Kameltreiber fluchten und murrten auf
Und liefen davon und wollten Schnaps und Weiber
Und die Lagerfeuer gingen aus, und nirgendwo ein Unterschlupf
Und die Städte schmutzig, die Orte unfreundlich
Und die Dörfer dreckig, die Preise unverschämt
Eine schwere Zeit war das für uns.
Am Schluss reisten wir lieber nachts
Mit wenig Schlaf
Und mit Stimmen im Ohr, die sagten,
das Ganze wäre ein Wahnsinn.
Als der Morgen graute, erreichten wir dann ein Tal, wo es wärmer war,
nass, unterhalb der Schneegrenze, es roch nach Vegetation
mit einem Bach und einer Wassermühle, die aus dem Dunkeln auftauchten
Und drei Bäumen vor dem tiefen Horizont
Und ein altes weißes Pferd galoppierte davon auf der Wiese
Dann gelangten wir an eine Taverne mit Weinlaub über dem Eingang
Sechs Hände würfelten vor einer offenen Tür um Silberlinge
Und Füße traten nach leeren Weinschläuchen.
Aber wir bekamen keine Auskunft und deshalb reisten wir weiter
Und wir kamen abends keinen Augenblick zu früh an
Der Ort war gefunden; es war, darf man sagen, eine Genugtuung.
Das alles ist lange her in meiner Erinnerung
Und ich würde es wieder tun, aber halten wir fest
Eins halten wir fest
Dies hier: wohin wurden wir den ganzen Weg geleitet
Zur Geburt oder zum Tod? Da war eine Geburt, mit Sicherheit.
Wir waren Augenzeugen, zweifelsfrei. Ich hatte Geburt gesehen und Tod
und geglaubt, es gäbe einen Unterschied zwischen beiden; diese Geburt war
schwer und schmerzhaft für uns, wie der Tod, unser Tod.
Wir kehrten zurück in unsere Heimat, diese Königreiche,
Aber fühlten uns nicht mehr wohl in der alten Umgebung
Wo ein uns fremdes Volk seine Götter verehrte
Gerne würde ich noch einmal sterben.
Die ersten fünf Zeilen entstammen Lancelot Andrew’s Weihnachtspredigt von 1622
Aus dem Englischen von Bernie Conrads, 6. Januar 2016 – veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des VATICAN-Magazins. http://de.catholicnewsagency.com/story/d...-t-s-eliot-0357
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