„Jesus ist sehr mitfühlend, aber immer ganz klar mit den Sündern“ – Kardinal Burke über Barmherzigkeit und falsches Mitleid 13. Januar 2016 4
Kardinal Raymond Burke, Kardinalpatron des Souveränen Malteserordens
(Washington) Kardinal Raymond Burke war bei der Bischofssynode 2014 einer der Wortführer der Verteidigung des Ehesakraments gegen die Kasperianer. Kurz danach wurde der renommierte Kirchenrechtler von Papst Franziskus als Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur abgesetzt und damit von der Teilnahme an der Bischofssynode 2015 ausgeschlossen. The Wanderer sprach mit dem nunmehrigen Kardinalpatron des Souveränen Malteserordens über die Lage der Kirche. Das hier in Auszügen wiedergegebene Gespräch wurde am 4. Januar veröffentlicht.
Der Schlußbericht der Bischofssynode vom vergangenen Oktober
„Es ist ein komplexes Dokument und so geschrieben, daß es nicht immer leicht ist, den genauen Inhalt dessen zu verstehen, was gesagt wird. Zum Beispiel sind die drei Paragraphen (Nr. 84–86) wenig klar […]. Deshalb habe ich einen Kommentar zu diesen Paragraphen verfaßt, um klarzulegen, was die Kirche wirklich lehrt.“
Und weiter: „Wir sind uns bewußt, daß sich die Zeiten ändern, und daß wir vor neuen Entwicklungen stehen, doch wir werden uns auch bewußt, daß die Substanz der Dinge dieselbe bleibt. Es gibt eine Wahrheit, an der wir die Veränderungen, denen wir in der Zeit begegnen, zu messen haben. Das wird im Schlußbericht der Synode nicht klar.“ Dabei bestreitet der Kardinal nicht, daß es auch positive Aspekte der Synode gibt, so zum Beispiel der Nachdruck, mit dem auf die Notwendigkeit einer guten Ehevorbereitung verwiesen wird.
Dokumente wie Familiaris Consortio und Humanae Vitae seien „in den Pfarreien gründlich zu studieren“. Die Kultur, so der Kardinal, „widerspricht völlig der in diesen beiden Dokumenten enthaltenen Lehre“ und „viele Gläubigen haben keinen ausreichenden Religionsunterricht erhalten“. Das Zuhause, so der Kardinal, sei „der erste und vorrangige Ort der Evangelisierung zu Ehe und Familie. Wir müssen jenen helfen, die sich anstrengen, die Wahrheit der Ehe zu leben, damit sie ausharren und stärker werden“.
Die Synodenväter haben den Paragraphen 84 von Familiaris Consortio nur verkürzt zitiert und genau den für die eigentliche Frage zentralen Satz ausgelassen, daß wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion zugelassen sind. Der Schlußbericht der Synode sei daher in diesem Punkt auf schwerwiegende Weise „irreführend“. Er vermittle den Eindruck, die Lehre von Familiaris Consortio zu vertreten, tue in Wirklichkeit aber gewissermaßen das Gegenteil davon. Das unvollständige Zitat sei, so Kardinal Burke, „von Individuen wie Pater Spadaro und anderen gebraucht worden, um zu sagen, die Kirche habe ihre diesbezügliche Lehre geändert, was aber nicht stimmt“. Laut dem Kardinal hätte die gesamte Lehre von Familiaris Consortio in den Schlußbericht aufgenommen werden müssen, „doch ich habe während meiner Teilnahme an der Synode von 2014 festgestellt, daß es so war, als hätte Papst Johannes Paul II. nie existiert.“
Das Gewissen als Letztinstanz in ethisch sensiblen Fragen
Das Gewissen ist „die Stimme Gottes, die vom ersten Augenblick der Zeugung zu unserem Herzen spricht über das, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse ist, das was mit seinem Plan für die Welt übereinstimmt und dem, was dies nicht tut.“ Das menschliche Gewissen sei aber „gemäß der Wahrheit zu formen. Das Gewissen ist nicht eine Art subjektive Macht“, die in zwei Individuen entgegengesetzte Entscheidungen empfehle. Das Gewissen ist „etwas, das uns eint, weil unsere Gewissen, wenn sie nach der Wahrheit geformt sind, uns dasselbe sagen.“ Das Gewissen sei keineswegs eine persönliche Angelegenheit. Der selige John Henry Newman, den Kardinal Burke zitiert, sagte, daß der Herr unser Gewissen durch den Glauben und die Vernunft unterweist und mittels seiner sichtbaren Vertreter auf Erden (die Päpste und die Bischöfe in Gemeinschaft mit ihm, das heißt, mit dem Lehramt). „Wir müssen nach unserem Gewissen handeln, das aber nur ein unfehlbarer Führer für uns sein kann, wenn es aus der Vernunft und der Wahrheit unseres Glaubens gebildet ist, die untereinander immer übereinstimmen.“
Der „Kontext“, in dem die Wahrheit zu leben sei
„Wir müssen Christus nachfolgen, um den Willen des Vaters in jedem Bereich unseres Lebens zu tun. Man kann die moralischen Wahrheiten nicht auf der Grundlage des Kontextes beurteilen.“ Und weiter: „Diese Art zu denken, sagt zum Beispiel, auch wenn es immer falsch ist, abzutreiben, könnte es aber, wenn jemand in einer Situation unter großem Druck steht, unter jenen besonderen Umständen zulässig sein. Das ist einfach falsch. Wir sind gerufen, unseren katholischen Glauben heldenhaft zu leben. Auch die schwächste Person bekommt die Gnade Christi, um die Wahrheit in der Liebe zu leben […], die objektive Moral der Handlung wird auf keine Weise durch den gelebten Kontext verändert. Die objektive Wahrheit ruft den ‚gelebten Kontext‘ zu einer radikalen Umwandlung.
Die Dezentralisierung der Kirchenleitung
Die Dezentralisierung der Kirchenleitung sieht Kardinal Burke als „reale Gefahr“. Dezentralisierung sei „kein angemessener Begriff, um über die Kirche zu sprechen. Was es braucht, ist die Rückkehr zum Evangelium und zur Kirche, wie Christus sie gegründet hat. Sofort am Beginn seines öffentlichen Wirkens berief er die Zwölf. Er bereitete sie vor, seine pastorale Leitung der Kirche zu allen Zeiten und an jedem Ort auszuüben. Um dieser Verantwortung zu entsprechen, stellte Christus den Petrus an die Spitze des Apostelkollegiums, als Prinzip der Einheit zwischen allen Bischöfen und zwischen allen Gläubigen. […] Das ist die von Gott gewährte Gabe, das ist das Göttliche Gesetz in der Kirche: Es ist der apostolische Dienst des römischen Papstes und der Bischöfe in Einheit mit ihm. Sie haben Verantwortung zu leiten. Die Bischofskonferenz ist ein künstliches Konstrukt, um bei der Koordination der pastoralen Aktivitäten zu helfen und um die Gemeinschaft unter den Bischöfen zu fördern. Weder hat der Herr etwas Diesbezügliches gelehrt noch findet sich dazu etwas in der Tradition der Kirche, daß die Bischofskonferenzen Autorität hätten, Entscheidungen zur pastoralen Praxis zu treffen, die eine Änderung der kirchlichen Lehre zur Folge hätte. Denken wir daran: Jede pastorale Praxis ist an eine doktrinelle Wahrheit gebunden. Pater Antonio Spadaro sagt in seinem Artikel, daß die pastorale Praxis in Deutschland eine radikal andere sein könnte als in Guinea. Wie kann das sein, wenn man sich auf dieselbe Lehre und dieselbe Wahrheit Christi beruft? Diese ganze Vorstellung finde ich sehr besorgniserregend. Die Diözesanbischöfe sind die Lehrer des Glaubens in ihrer Diözese. Die Bischöfe, und um so mehr der römische Papst, haben sich an die höhere Gehorsamspflicht gegenüber Christus und die lebendige Tradition zu halten, mit der Christus zu uns in Seine Kirche kommt. […] Nach meiner Erfahrung mit den Bischofskonferenzen kann ich sagen, daß sie sehr nützlich sein, aber auch eine sehr schädliche Wirkung haben können, in dem Sinn, daß der einzelne Bischof seine Verantwortung den Glauben zu verkünden und in Übereinstimmung mit dieser Lehre zu regieren, nicht mehr so ernst nimmt, wie er es sollte.“
Als Beispiel nennt der Kardinal, daß „die pastorale Praxis für jene, die in irregulären ehelichen Verbindungen leben, nicht nach dem Ermessen der Bischofskonferenz oder des einzelnen Diözesanbischofs liegen kann, denn dann würden wir als eine andere protestantische Denomination enden. Wir sind eine Kirche auf der ganzen Welt: die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Diese vier Zeichen müssen in den Zeiten, in denen wir leben, besonders deutlich unterstrichen werden.“
Die Motuproprien zu den Ehenichtigkeitsverfahren
„Der Großteil der Anträge auf Ehenichtigkeit ist sehr komplex […] Eine Reihe von Bischöfen haben mir ehrlich gesagt: ‚Ich bin nicht bereit, die Ehenichtigkeitsfälle zu entscheiden.‘ […] Ich denke, daß diese ganze Reform der Ehenichtigkeitsverfahren einer dringenden Revision bedarf, vor allem was einige der besonders kritischen Fragen betrifft […] Wir haben die Situation, daß ein Ehenichtigkeitsantrag definitiv von einem einzigen Mann entschieden werden kann, ohne jede verpflichtende Überprüfung seines Urteils. Das ist nicht richtig. Das ist kein seriöser Prozeß, um über eine Frage zu urteilen, die die Fundamente des Lebens, der Gesellschaft und der Kirche betrifft!“
Die Barmherzigkeit und das falsche Mitleid
„Die Barmherzigkeit Gottes ist eine Antwort auf die Reue und den festen Vorsatz der Besserung. Der verlorene Sohn ist zu seinem Vater zurückgekehrt, nachdem er das, was er getan hatte, bereute. Er sagte zu seinem Vater, daß er nicht mehr würdig sei, sein Sohn zu sein und bat, als Knecht akzeptiert zu werden. Er hatte erkannt, was er getan hat und bereute. Die Barmherzigkeit des Vaters war eine Antwort darauf. Er sah, daß sein Sohn eine Umkehr des Herzens erlebt hatte.
Genauso umarmen wir, wenn Menschen, die in einer schwer sündhaften Situation leben und zur Kirche kommen, mit Liebe. Wir haben immer Liebe für die Sünder, dabei müssen wir aber sehen, daß die Person die Sünde einsieht und sie überwinden will, daß sie bereut und den Schaden, den die Sünde verursacht hat, beheben will. Wenn dem nicht so ist, wird die Barmherzigkeit geringgeschätzt und ist sinnlos. Ich befürchte, daß die Leute sagen: „Barmherzigkeit, Erbarmen, Barmherzigkeit“ ohne zu verstehen. Ja, Gott ist der Gott der Barmherzigkeit. Die Barmherzigkeit ist jedoch ein sehr wichtiges Konzept. Sie hat mit unserer Beziehung mit Gott zu tun, mit unserer Anerkennung der unendlichen Güte Gottes, unserer Sünde und unserer Notwendigkeit zu beichten und zu bereuen. [Jesus] ist sehr mitfühlend, er ist aber immer sehr klar mit den Sündern. Er hat gesagt […] nicht mehr zu sündigen.“ http://www.katholisches.info/2016/01/13/...lsches-mitleid/ Text: Giuseppe Nardi Bild: FQ
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