Warum diese Hebamme in Schweden nicht arbeiten kann Wie die falsche Toleranz einer säkulariserenden Gesellschaft die Religionsfreiheit ignorieren kann – auf Kosten von Müttern und Kindern
Pflege vor, während und nach der Geburt: Hebammen sind für das Leben da, nicht für das Töten – sagt Ellinor Grimmark Foto: Condesign via Pixabay (Gemeinfrei)
STOCKHOLM , 11 January, 2016 / 2:49 PM (CNA Deutsch).- Es war ihr Traum: Seit vielen Jahren wollte Ellinor Grimmark eine Hebamme in ihrem Heimatort Skarstad werden. Doch dieser Traum wurde von einem schwedischen Gerichtsurteil zerstört. Wenn sie helfen wolle, Leben auf die Welt zu bringen, dann müsse sie auch dazu bereit sein zu helfen, ungeborenes Leben zu töten, so das Urteil.
"Wenn ein kleines Baby seinen ersten Atemzug nimmt"
Am 12. November entschied das Gericht im Kreis Jonkoping, dass Hebammen auch Abtreibungen durchzuführen bereit sein müssen, weil "die Region verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass Frauen effektiven Zugang zu Abtreibungen" hätten. Und weil ihre Arbeitgeber dies von Hebammen auch erwarteten.
"Hebamme zu werden war seit vielen Jahren mein Traum", sagte Grimmark gegenüber CNA. "Es ist, ohne Frage, der beste Beruf der Welt. Muss es sein – wenn man unmittelbar dabei ist, wie ein kleines Baby seinen ersten Atemzug nimmt. Es ist unbeschreiblich."
Keine Gewissensfreiheit für eine Christin?
"Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Menschen das Recht haben, ihrem Gewissen zu folgen und Dinge zu vermeiden, die gegen ihre tiefsten Überzeugungen gehen, vor allem wenn es um sehr wichtige Fragen geht, die Leben und Tod betreffen", sagte Grimmark. "Arbeitgeber sollten nicht das Recht haben, gegen die persönlichen Überzeugungen einer Person zu diskriminieren. Das ist gegen das Gesetz, aber sie tun es trotzdem", fügte sie hinzu. Grimmark, eine praktizierende Christin, wuchs außerhalb der Stadt Jonkpoing mit ihren vier Schwestern und einem Bruder auf. Heute lebt sie in der Nähe mit ihrem Mann und ihren eigenen zwei Kindern. Im Januar 2014 machte sie ihren Masters-Abschluss für Hebammen an der Universität Skovde. Noch während des Studiums bewarb sie sich als Hebamme an mehreren Frauenkliniken. Im November 2013 wurde sie von einer Frauenklinik angestellt. Dann, so die Klage von Ellinor Grimmark, sei das Arbeitsverhältnis gekündigt worden, weil sie gegen Abtreibungen ist. Mehr noch: Das Verhalten der Klinik war kein Einzelfall, sagt Grimmark: Wenige Monate später geschah das gleiche an einer zweiten Klinik. In beiden Fällen, sagt Grimmark, sagten ihr die Krankenhaus-Manager, dass die Teilnahme an Abtreibungen Teil der Arbeit sein müsse.
"Angestellte dürfen nicht öffentlich gegen Abtreibung sein"
Im Januar nahm ein drittes Krankenhaus ein Job-Angebot zurück, dass sie bereits Grimmark gemacht hatten, nachdem die Leiter der Klinik entdeckten, dass die Schwedin eine Klage wegen Diskriminierung beim schwedischen Gleichstellungs-Ombudsmann eingereicht hatte. Der Chef des Krankenhauses sagte Grimmark sogar, dass Angestellte nicht öffentlich gegen Abtreibung sein dürften, so die Klageschrift.
"Die Gewissensfreiheit ist ausdrücklich von der internationalen Rechtssprechung anerkannt", sagte Ruth Nordstrom gegenüber CNA. Sie vertritt Ellinor Grimmark vor Gericht. Gemäß Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der auch für Schweden gelte, habe jeder Bürger das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.
Für Nordstrom, die auch Präsidentin der Vereinigung skandinavischer Anwälte für die Menschenrechte ist, ist die Sache klar. Religiöse und moralische Überzeugungen fallen unter diesen Artikel, sagte sie. "Außerdem hat 2010 eine Resolution des Europäischen Rates festgestellt, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht gezwungen werden können, oder gegen sie wegen ihrer Weigerung diskriminiert werden darf, an Maßnahmen zu beteiligen, die ein Menschenleben beenden können, sei es zu Beginn des Lebens oder zum Lebensende", fügte sie hinzu.
Arbeit nur in Norwegen möglich
Das schwedische Abtreibungsrecht erlaubt eine Abtreibung bis zur 22. Schwangerschaftswoche. Die Kosten übernimmt der Staat. Als das Gesetz 1974 entworfen wurde, sagte der parlamentarische Gesundheits-Ausschuss, dass medizinische Angestellte nicht gezwungen werden können, sich an Abtreibungen zu beteiligen, wenn dies für sie aus ethischen oder religiösen Gründen nicht möglich ist. "Bislang hat Schweden einzelnen Krankenhaus-Leitern erlaubt, Ärzte und Hebammen anzustellen, die sich nicht an Abtreibungen beteiligen", so Grimmark. "Aber nun sagen Krankenhäuser und Politiker, dass es eine Bedingung der Anstellung sei, Abtreibungen vorzunehmen."
"Jetzt muss ich in Norwegen arbeiten, weil man mich nicht mehr in Schweden arbeiten lassen möchte. Es ist klar, dass es in Schweden eines Präzedenzfalls bedarf, um die Gewissensfreiheit von medizinischen Angestellten abzusichern."
Das Krankenhaus, für das Ellinor Grimmark in Norwegen arbeitet, hat dem Gericht sogar ein Unterstützungsschreiben geschickt: Sie erledige ihre Arbeit sehr gut und zuverlässig, betont die Klinik in dem Schreiben. Ihre Weigerung, sich an Abtreibungen zu beteiligen, habe noch nie für Patienten oder Mitarbeiter Probleme verursacht.
Ombudsman entscheidet gegen Hebamme
Dennoch entschied der schwedische Ombudsman im April 2014 gegen Grimmark. Die Begründung, die diese Entscheidung rechtfertigen soll: Das Krankenhaus weigere sich nicht, die Hebamme "wegen ihrer Religion anzustellen, sondern weil diese nicht bereit war, Arbeiten zu erledigen, die Teil ihrer Stellenbeschreibung sind".
Das sieht Menschenrechts-Expertin Nordstrom anders: "Eine Hebamme ist verantwortlich für die Pflege der Mutter und des Kindes vor, während und nach der Geburt", sagte Nordstrom. "Die Pflicht, an Abtreibungen teilzunehmen kann kein Lackmustest für die Anstellung einer Hebamme oder eines Krankenpflegers sein". Zudem schreibe das schwedische Anti-Diskriminierungsgesetz Arbeitgebern vor, die Rechte und Chancen ihrer Angestellten im Berufsleben zu wahren, unabhängig derer Religion oder Weltanschauung. Der Streit kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Schweden an einem akuten Mangel an Hebammen leidet.
Hälfte aller Hebammen überlastet
Im Jahr 2014 führte Schwedens nationaler Gesundheitsrat, eine Einrichtung des Gesundheitsministeriums, eine Umfrage durch. Diese zeigte, dass in Göteborg – der zweitgrößten Stadt Schwedens – die Hälfte aller Hebammen sich überlastet fühlte, und mit zu hohen beruflichen Ängsten umgehen musste. Die gleiche Umfrage ergab auch, dass die Sicherheit von Patienten in Malmö gefährdet war, der drittgrößten Stadt des Landes. Ähnliches melden Krankenhäuser. "Bereits jetzt gibt es in Schweden einen massiven Mangel an Hebammen", sagte Robert Clarke, Rechtsbeistand für ADF-International, die Ellinor Grimmarks Fall unterstützen. "Arbeitswillige und kompetente Hebammen zu entfernen, zudem aus so hochpolitischen und polarisierenden Gründen, schadet nicht nur den Hebammen, sondern auch direkt den Patienten, die aufgrund der Knappheit nur unzureichend medizinisch versorgt sind", stellt Clarke fest. Der Jurist weiter: "Es ist besonders überraschend, dass die Gesundheitsverwaltung von Jönköping lieber Mitarbeiter nach Norwegen verliert, als ihnen ihre Gewissensfreiheit zu gewähren", sagte Nordstrom.
Der Kampf geht weiter
Die Hebamme und ihre Anwältin haben indessen nicht aufgegeben. Hier gehe es um mehr als eine Hebamme, die sich weigere, bei der Tötung ungeborener Kinder mitzumachen; es gehe um den Umgang der Schweden mit der ethischen Verantwortung und der Menschenwürde im Gesundheitswesen. Zudem erhalte sie viel Zuspruch, erzählt die junge Mutter: "Wunderbare Menschen haben mir Briefe, Blumen und andere Geschenke geschickt, um ihre Unterstützung zu zeigen", sagte sie. "Viele Leute haben mir gesagt, dass sie für mich und meine Familie beten. Ich bin Gott so dankbar für alle diese Leute".
Es gehe darum, für das Leben einzustehen: "Eine Hebamme hat mir beschrieben, wie sie ein abgetriebenes Baby im Arm hielt, das noch am Leben war, und eine ganze Stunde noch um seinen Atem rang. Diese Kinder haben nicht einmal ein Recht auf Schmerzlinderung. Ich kann mich an so etwas nicht beteiligen." http://www.catholicnewsagency.com/news/t...-problem-39455/
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