Der Papst erwartet von den Bischöfen „einen lauteren Blick, eine klare Seele und ein leuchtendes Gesicht“ Die mexikanischen Bischöfe bat Franziskus, keine Angst vor Transparenz zu haben, sich nicht auf allgemeingehaltene Verurteilungen der Drogenkartelle zu beschränken, den Beitrag der indigenen Völker anzuerkennen, den Priestern wie Väter zu sein und den Migranten zu helfen
ALTAR DER VERGEBUNG / WIKIMEDIA COMMONS - Anagoria, CC BY 3.0
Papst Franziskus hielt heute kurz vor Mittag ein Treffen mit den Bischöfen Mexikos in der der Aufnahme Mariens im Himmel gewidmeten Kathedrale der Hauptstadt Ciudad de México.
Vom Nationalpalast fuhr der Heilige Vater im offenen Fahrzeug zur Kirche und vollzog, bevor er anhielt, eine vollständige Runde der „Plaza de la Constitución“. Empfangen wurde der Papst vom Domkapitel. Er betrat den Tempel durch die Heilige Pforte und schritt bis zum Vergebungsaltar („Altar del Perdón“), an dem das Allerheiligste ausgestellt war.
Wenig später begrüßten ihn der Erzbischof von Mexiko-Stadt, Kardinal Norberto Rivera Carrera, und der Präsident der Mexikanischen Bischofskonferenz, Kardinal José Francisco Robles Ortega.
In seiner Ansprache betonte Franziskus, er besuche Mexiko „auf den Spuren meiner Vorgänger“ und fragte sich: „Könnte der Nachfolger des Petrus, der aus dem entfernten Süden Lateinamerikas gerufen wurde, darauf verzichten, die Jungfrau Morenita mit eigenen Augen anschauen zu dürfen?“
Und er fügte hinzu: „Ich weiß, dass ich, wenn ich in die Augen der Jungfrau schaue, den Blick ihres Volkes erreiche“, denn „sie bewahrt seine größten Wünsche und seine geheimsten Hoffnungen; sie nimmt seine Freuden und seine Tränen auf; sie versteht die zahlreichen Mundarten dieser Menschen und antwortet mit der Zärtlichkeit einer Mutter, weil sie ihre Kinder sind.“
Weiter erklärte der Heilige Vater: „Die ‚Virgen Morenita‘ lehrt uns, dass die einzige Kraft, die fähig ist, das Herz der Menschen zu gewinnen, die Zärtlichkeit Gottes ist“, und zitierte einen „ruhelosen und berühmten Literaten eures Landes“, der sagte: „In Guadalupe wird nicht mehr um eine reiche Ernte oder um die Fruchtbarkeit des Bodens gebetet, sondern man hat Sehnsucht nach einem Schoß, in dem die immer noch verwaisten und verstoßenen Menschen eine Sicherheit, ein Zuhause suchen.“
Franziskus bewies auch, die „lange und schmerzliche Geschichte“ zu kennen, die das Land durchgemacht habe; „nicht ohne viel Blutvergießen, nicht ohne ungestüme und erschütternde Umwälzungen, nicht ohne Gewalt und Unverständnis.“ Deshalb lud er die Mexikaner ein, „erneut von diesem Bedürfnis nach einem Schoß auszugehen“; dieser Schoß sei der „christliche Glaube“, welcher fähig sei, die Vergangenheit mit der „ständig in ein entgleitendes Morgen verbannten“ Zukunft zu versöhnen, denn „nur in jenem Schoß kann man, ohne auf die eigene Identität zu verzichten, die tiefe Wahrheit der neuen Menschheit entdecken, in der alle dazu berufen sind, Kinder Gottes zu sein.“
Der Papst forderte die Oberhirten des Landes dazu auf, „Bischöfe mit einem lauteren Blick, einer transparenten Seele, einem leuchtenden Gesicht“ zu sein. Und er fügte hinzu: „Habt keine Angst vor Transparenz! Die Kirche hat es nicht nötig, im Dunkeln zu arbeiten. Passt auf, dass euer Blick sich nicht bewölkt mit dem Halbschatten des Nebels der Weltlichkeit; lasst euch nicht bestechen durch den trivialen Materialismus, noch durch die verführerischen Illusionen der ‚unter der Hand‘ getroffenen Vereinbarungen; setzt euer Vertrauen nicht auf die ‚Pferde und Streitwagen‘ der heutigen Pharaonen, denn unsere Kraft ist die ‚Feuersäule‘, die die Wogen des Meeres bricht und das Wasser spaltet, ohne viel Lärm zu machen.“
Denn, so der Papst weiter, man müsse den Menschen mit Überzeugung antworten können, „dass Gott existiert und dass er durch Jesus nahe ist.“ Das Volk habe ein Recht darauf, „in eurem Blick den Spuren derer zu begegnen, die den Herrn gesehen haben.“
Deshalb forderte er die Bischöfe auf, „keine Zeit mit nebensächlichen Dingen, mit Gerede und Intrigen, mit eitlen Karriereabsichten, mit leeren Hegemonie-Plänen, in unfruchtbaren Interessengemeinschaften“ zu verlieren. Und er lud sie dazu ein, „den jungen Menschen einen mütterlichen Schoß anzubieten“ und „zu erfassen, was sie mit jener Kraft suchen, dank derer viele von ihnen Boote und Netze am anderen Ufer des Sees zurückgelassen haben.“
Diesen Worten folgte ein starker Aufruf, „die ethische und bürgerfeindliche Herausforderung nicht zu unterschätzen, die der Drogenhandel für die gesamte mexikanische Gesellschaft einschließlich der Kirche darstellt.“ Den Hirten der Kirche sei es nicht gestattet, sich „in allgemeine Verurteilungen zu flüchten“; stattdessen müssten sie „ein ernstes und qualifiziertes pastorales Projekt“ aufbauen, um dazu beizutragen, „schrittweise jenes feine menschliche Netz zu knüpfen, ohne das wir alle von vornherein besiegt wären.“ Ein solches Projekt müsse bei den Familien beginnen und sich „der menschlichen und existenziellen Randzone der trostlosen Gebiete unserer Städte“ nähern und „die Pfarrgemeinden, die Schulen, die gemeinschaftlichen Einrichtungen, die politischen Gemeinden und die Sicherheitsstrukturen“ einbeziehen.
„In den Mantel der mexikanischen Seele hat Gott mit dem Faden der mestizischen Spuren seines Volkes das Antlitz seiner Erscheinung in der ‚Morenita‘ eingewebt“, sagte der Papst weiter und bat um „einen Blick besonderen Feingefühls für die indigenen Völker und ihre faszinierenden und nicht selten dezimierten Kulturen“, denn „die Eingeborenen Mexikos warten noch darauf, dass der Reichtum ihres Beitrags und die Fruchtbarkeit ihrer Gegenwart wirklich anerkannt werden, damit Mexiko jene Identität erbt, die es zu einer einzigartigen Nation macht und nicht zu einer unter anderen.“
Der Papst forderte die Bischöfe auf, zur Einheit ihres Volkes beizutragen; die Versöhnung und Integration seiner verschiedenen Komponenten zu fördern. „Weh euch, wenn ihr euch auf euren Lorbeeren ausruht! Man darf das empfangene Erbe nicht vertun, sondern muss es durch ständige Arbeit hüten“, warnte Franziskus.
Dann kam der Heilige Vater auf die väterliche Funktion der Bischöfe als Oberhäupter ihrer Ortskirchen zu sprechen: „Das erste Gesicht, das ich euch dringend bitte in eurem Herzen zu hüten, ist das eurer Priester. Lasst nicht zu, dass sie der Einsamkeit und der Verlassenheit ausgesetzt sind, eine Beute der Weltlichkeit, die das Herz verschlingt.“ Ein guter Bischof dürfe es „niemals an Väterlichkeit gegenüber euren Priestern“ fehlen lassen.
Auch die Päpstliche Universität Mexikos legte er den Bischöfen des Landes besonders ans Herz, „um jene Gesamtschau sicherzustellen, ohne die der Verstand sich mit Teilelementen zufrieden gibt und auf sein höchstes Streben, nämlich die Suche nach der Wahrheit, verzichtet.“
Die Aufgabe der kirchlichen Würdenträger fasste Franziskus in wenigen Worten zusammen: „Es sind keine ‚Fürsten‘ nötig, sondern es bedarf einer Gemeinschaft von Zeugen des Herrn.“
Gegen Ende seiner Ansprache schnitt der Heilige Vater ein weiteres sehr aktuelles Thema an, indem er auf das Drama der Migranten zu sprechen kam. Er dankte den Bischöfen „für all das, was ihr tut, um der Herausforderung unserer Zeit zu begegnen, die die Migrationen darstellen.“ Franziskus erinnerte daran, dass es sich um „Millionen von Söhnen und Töchtern der Kirche“ handle, die „heute in der Diaspora leben, oder in Übergangssituationen ihrer Wanderung gen Norden auf der Suche nach neuen Chancen.“ Viele von ihnen ließen die eigenen Wurzeln hinter sich, „um – auch im Untergrund, der alle Arten von Gefahren in sich birgt – die Suche nach dem ‚grünen Licht‘ zu wagen, das sie als ihre Hoffnung ansehen.“ Das führe zur Teilung zahlreicher Familien, „und nicht immer ist die Eingliederung in das vermeintliche „Land der Verheißung“ ist so leicht, wie man denkt.“ Und er forderte die mexikanischen Bischöfe dazu auf, den Migranten im Herzen bis über die Grenzen ihres Landes hinaus zu folgen, indem sie die Zusammenarbeit mit dem Episkopat der Vereinigten Staaten stärken.
„Liebe Brüder, der Papst ist sicher, dass Mexiko und seine Kirche rechtzeitig zum Treffen mit sich selbst, mit ihrer Geschichte und mit Gott gelangen werden“, schloss der Papst seine Rede und erinnerte daran, dass zwar „mancher Felsbrocken“ den Lauf verzögern könne, doch das Ziel deshalb nicht verpasst werden könne. Denn: „Kann zu spät kommen, wer eine Mutter hat, die ihn erwartet?“
Der Volltext der Ansprache ist hier abrufbar. https://de.zenit.org/articles/immer-und-...stus-gerichtet/
(Quelle: Radio Vatikan, 13.02.2016)
Beliebteste Blog-Artikel:
|