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  • 18.02.2016 00:17 - Georg Gänswein im InterviewVergisst Europa sein christliches Erbe, wird es anfällig und schwach
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Georg Gänswein im InterviewVergisst Europa sein christliches Erbe, wird es anfällig und schwach


Georg Gänswein mit dem Papst-Buch des Journalisten Peter Seewald
Donnerstag, 18.02.2016, 07:50 · von FOCUS-Online-Korrespondentin Martina Fietz und FOCUS-Online-Chefredakteur Daniel Steil

In Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs heute über die Zukunft Europas. Erzbischof Georg Gänswein, Sekretär von Benedikt XVI. und Präfekt des Päpstlichen Hauses von Franziskus, mahnt im Interview: Wenn das jüdisch-christliche Erbe versandet, ist Europa "anfällig und schwach".

FOCUS Online: Papst Benedikt hat noch als Kardinal Ratzinger mit Blick auf Europa von einem „Sündenfall" gesprochen, den er in der totalen Emanzipation vom christlichen Erbe sieht. Ist die aktuelle Krise Europas auch eine Folge dieser Loslösung von den religiösen Grundlagen?

Georg Gänswein: Kardinal Ratzinger sollte leider Recht behalten. Und jeder „Sündenfall“ hat Folgen. Wenn Europa in erster Linie nur als gemeinsamer Finanz- und Wirtschaftsraum funktionieren soll, dann ist das zu wenig für Europa. Es fehlt die Seele. Europa lebt von seinem jüdisch-christlichen Erbe. Darin wurzelt seine tiefste Identität. Wo diese Identität versandet, ist Europa anfällig und schwach.

FOCUS Online: Das heißt, Europa kann nur als Gemeinschaft der Völker erfolgreich sein, wenn es auf gemeinsamen Werten aufbaut?

Gänswein: Ja, und die Werte haben christliche Wurzeln. Wenn ich nicht ein gutes Fundament lege, besteht für das Haus Europa latente Einsturzgefahr. Biblisch gesprochen: Europa muss auf Fels gebaut werden, nicht auf Sand. An der gegenwärtig großen Herausforderung der Migration wird sich zeigen, ob Europa seiner Verantwortung gerecht zu werden vermag oder nicht. Die christliche Grundüberzeugung lautet: Menschen, die in großer Not sind, brauchen Hilfe, jetzt und hier, sie haben ein Recht auf Hilfe.



FOCUS Online FOCUS-Online-Chefkorrespondentin Martina Fietz, Erzbischof Georg Gänswein und FOCUS-Online-Chefredakteur Daniel Steil im Vatikan
FOCUS Online: Ratzinger hat 2005 geschrieben, Europa seien die geistigen Grundlagen abhandengekommen. Darum gebe es ein "neu gewachsenes Selbstbewusstsein" des Islam. Dieser gehe davon aus, in die Lücke stoßen zu können. Sind die Einschätzungen aus dem Jahre 2005 heute schwierige Realität?

Gänswein: Diese Sorge hatte er bereits lange vor dem Jahr 2005 geäußert. Heute ist sie in der Tat auf ungeahnte Weise Realität geworden, auch in Deutschland. Es ist an der Zeit, auf diese Frage eine überzeugende Antwort zu geben.

FOCUS Online: Papst Franziskus lässt keinen Zweifel daran, dass Europa ihm zu behäbig ist. Mit Blick auf Deutschland hat er von einer Erosion des Glaubens gesprochen. Ist es vielleicht auch eine Chance für die christlich-abendländische Kultur und die Religion, dass nun viele Menschen muslimischen Glaubens nach Deutschland kommen?

Gänswein: Es wäre die gute Seite der Medaille, wenn durch die große Flüchtlingswelle, die mehrheitlich muslimisch ist, ein Weckruf, eine Rückbesinnung auf die eigenen religiösen Wurzeln erfolgen würde. Ich bezweifle, dass das so ist. Muslime erleben doch überwiegend, dass der Glaube bei den Christen, die sie hier antreffen, kaum eine Rolle spielt. Verschlimmert wird die Lage noch, wenn christliche Symbole aus dem Alltagsleben verbannt werden mit dem Hinweis, das könne man Menschen mit muslimischem Glauben nicht zumuten. Genau das Gegenteil ist der Fall: Ein Muslim, der einem überzeugten Christen begegnet, hat mehr Respekt als ein Muslim, der Christen erlebt, die ihre Religion nicht ernst nehmen. Das gilt auch für die christlichen Symbole. Die Achtung vor der anderen Religion nimmt nicht zu, wenn ich meine eigene verleugne. Die Achtung nimmt vielmehr zu, wenn mein Gegenüber erlebt, da hat jemand einen Glauben, zu dem er steht, der ihm wichtig ist. Tolerant kann nur sein, wer eine klare Überzeugung hat und diese auch lebt.

FOCUS Online: Also ist es nicht klug, aus dem Weihnachtsmarkt den Wintermarkt zu machen?

Gänswein: Ich halte das für gefährlich, für widersinnig. Man manipuliert absichtlich ein in seinem Ursprung urchristliches Ereignis. Damit führt man Menschen in die Irre. Das ist bewusste Verwässerung der eigenen Identität, Säkularisierung pur. Davor kann ich nur warnen.

FOCUS Online: Unsere Redakteure haben an den Weihnachtstagen in den verschiedensten Kirchen aufgepasst, was gesagt wurde zum Thema „den Glauben leben“. Die Einlassungen der Geistlichen waren extrem zurückhaltend. Vergibt man da eine Chance?

Gänswein: Wenn die Verkündigung nicht mehr klar und eindeutig ist, vergibt man eine riesengroße Chance. Jeder, der das Wort Gottes verkündigt, muss sich sehr bewusst sein: Ich verkündige nicht mich selbst. Ich verkündige Jesus Christus und sein Evangelium, die „frohe Botschaft“. Wer in die Kirche kommt, soll wissen, wovon die Rede ist. Ich schöpfe nicht aus dem Eigenen, sondern spreche im Auftrag der Kirche von dem, was ich selbst empfangen habe. Die Dominikaner haben das schöne Motto „contemplata aliis tradere“, das selbst Bedachte anderen weitergeben. Das heißt, sie verkündigen, sie geben den Glauben weiter, den sie zuvor im Gebet und in der Meditation bedacht haben. Dieses Grundprinzip ist mir persönlich sehr wichtig geworden. Ich kann überzeugend nur weitergeben, wovon ich selbst zutiefst überzeugt bin.

FOCUS Online: Angela Merkel beruft sich in ihrem Grundsatz "Wir schaffen das" auf die Pflicht zur christlichen Nächstenliebe. Ist das Sache des Staates?
Gänswein: Christliche Nächstenliebe ist etwas sehr Persönliches. Ich verhalte mich meinem Nächsten gegenüber so wie es mich das Evangelium lehrt. Nächstenliebe beruht auf Freiwilligkeit. Staatliches Handeln hingegen ist hoheitliche Anordnung. Natürlich kann der Staat, können Politiker, an die christliche Nächstenliebe der Bürger und Bürgerinnen appellieren, aber er kann Nächstenliebe nicht anordnen. Christliche Überzeugungen in gute Politik umzusetzen verlangt Mut und ist eine hohe Kunst.

FOCUS Online: Ist die in Deutschland gegeben?

Gänswein: Soweit ich das von hier aus zu beurteilen vermag, ja. Und ich sehe auch die große Bereitschaft vieler Menschen, zu helfen, wo Hilfe nötig ist. Allerdings hat diese Bereitschaft durch den immer größer werdenden Zustrom von Flüchtlingen Einbußen erlitten; ja es ist Angst aufgekommen, die Aufgaben könnten nicht mehr bewältigt werden.

FOCUS Online: Können Sie die Angst verstehen?

Gänswein: Durchaus. Offensichtlich hatte das Geschehen in der Silvesternacht in Köln eine spürbare Veränderung in der Flüchtlingsfrage zur Folge. Die Sorge der Menschen ernst zu nehmen und gleichzeitig der Verpflichtung zur Hilfe treu zu bleiben, das ist die Herausforderung der Stunde. Ich hoffe, dass es den politisch Verantwortlichen gelingt, diese Herausforderung zu meistern.

FOCUS Online: Wie erklären Sie sich den starken Zulauf zu populistischen politischen Kräften wie der AfD?

Gänswein: Populistisches Handeln hat immer dann große Anziehungskraft, wenn Menschen den Eindruck gewinnen, dass ihre Sorgen und Ängste nicht oder nicht ausreichend ernst genommen werden. Dann ist die Anfälligkeit, populistischen Strömungen auf den Leim zu gehen, besonders groß, weil mit markigen Worten schnelle Abhilfe aller Probleme versprochen wird. Die Tatsache, dass eine Partei bei Umfragen innerhalb kürzester Zeit zweistellige Werte zu erzielen vermag, muss die Alarmglocken läuten lassen.

FOCUS Online: Im März finden Landtagswahlen statt. Wie wichtig ist eine hohe Wahlbeteiligung?

Gänswein: Das vornehmste Recht eines Bürgers in einem demokratischen Land ist das Wahlrecht, aber es ist auch seine Pflicht zu wählen. Es ist zu hoffen, dass viele Bürger von diesem Recht Gebrauch machen, sich aber nicht von Stimmungen oder von Stimmungsmache vereinnahmen lassen.
FOCUS Online: Die Union trägt das „C“ im Namen. Gibt es einen Austausch mit Ihnen? Wenn nicht, würden Sie sich wünschen, dass die Kirche stärker von der Politik gehört würde?

Gänswein: Das „C“ ist ein Markenzeichen, das die Union in Pflicht nimmt, wenn sie es ernst nimmt. Jeder Politiker treibt Politik aus persönlicher Überzeugung, weil er politisch umsetzen will, was er persönlich für richtig hält. Ich kann nur hoffen, dass die „C“-Politiker aus ihrer christlichen Grundhaltung keinen Hehl machen und aus dieser Überzeugung mutig und entschieden handeln. Die Kirche selbst macht keine Politik, hat aber das Recht und die Pflicht, ihre Stimme zu erheben, wenn wichtige Fragen um den Menschen und seine Bestimmung auf dem Spiel stehen. Natürlich steht es ihr nicht zu, Parteipolitik zu treiben.

FOCUS Online: Sehen Sie eine Europa-Skepsis im Vatikan? Ist Papst Franziskus interessiert an Europa. Oder liegt sein Fokus mehr auf den Regionen der Welt, in denen das Christentum eine größere Rolle spielt.

Gänswein: Er hat ja einmal etwas humorvoll gesagt, Europa sei eine Großmutter. Europa sei alt und müde, eben großmütterlich geworden. Es fehlen die Kinder, das junge quirlige Leben, die Zukunft. Damit hat er den Finger auf einen wunden Punkt gelegt. In Straßburg hat er im vergangenen Jahr eine alle beeindruckende Rede gehalten. Am 6. Mai wird ihm im Vatikan der Karlspreis verliehen. Ich gehe davon aus, dass er bei dieser Gelegenheit noch einmal kräftige Worte zum Thema Europa finden wird. Auf der anderen Seite ist es klar, dass einem Papst aus Südamerika, der erste in der Geschichte überhaupt, sein Heimatkontinent sehr am Herzen liegt.

FOCUS Online: Gerade in der Überzeugung, Barmherzigkeit zu leben, geht Papst Franziskus vielen im katholischen Milieu in Deutschland angesichts der Flüchtlingskrise zu weit.

Gänswein: Papst Franziskus spricht in der Flüchtlingsfrage eine deutliche Sprache, ob das gefällt oder nicht. Seiner Überzeugung nach darf barmherziges Handeln weder an nationalen Grenzen noch an politischen Widerständen scheitern. Barmherzigkeit gilt über jedwede Grenze hinweg. Mit dieser Grundüberzeugung hat er das Papstamt angetreten, davon lässt er nicht ab. Und er erhebt dafür seine Stimme - gelegen oder ungelegen.
http://www.focus.de/politik/deutschland/...id_5294103.html





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