„Historische“ Protokoll-Änderung im Vatikan für wiederverheiratet Geschiedene
29. Februar 2016
Papst Franziskus empfängt Argentiniens neuen Staatspräsidenten Mauricio Macri mit historischem Novum: Juliana Awada, wie Macri wiederverheiratet geschieden, wurde protokollarisch wie seine rechtmäßige Ehefrau behandelt
(Rom) In der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen geht das päpstliche Ping-Pong-Spiel der Gesten weiter. Die Kirche wartet seit Ende Oktober des Vorjahres auf das nachsynodale Schreiben, um zu erfahren, was Franziskus wirklich zu den wiederverheiratet Geschiedenen denkt. Im Vergleich zur euphorischen Aufbruchstimmung von 2014 ist es deutlich ruhiger geworden, nachdem Franziskus feststellen mußte, daß es heftige Widerstände gegen „Reformpläne“ gibt und Änderungen in der Ehe-Lehre nur um den Preis eines Schisma durchzusetzen sind. Dennoch sendet das katholische Kirchenoberhaupt, je nachdem an wen es sich gerade wendet, noch immer ganz unterschiedliche Signale aus. Während der Papst vor zwei Wochen im katholischen Mexiko ein wiederverheiratet geschiedenes Paar, das in der Kirche integriert ist, aber keine Zulassung zur Kommunion fordert, als modellhaft lobte, erfolgte am Wochenende eine andere Geste.
Erste Audienz für Argentiniens neues Staatsoberhaupt Mauricio Macri
Papst Franziskus empfing am vergangenen Samstag den neugewählten Staatspräsidenten Argentiniens in Audienz. Mauricio Macri setzte sich bei den Stichwahlen vom 22. November 2015 gegen den von Franziskus präferierten linksperonistischen Kandidaten durch. Die beiden Staatsoberhäupter kennen sich seit Jahren, da sich beide bereits einmal gewissermaßen auf derselben Ebene gegenüberstanden. Bergoglio war vor seiner Papstwahl Erzbischof von Buenos Aires, Macri seit 2007 Bürgermeister der argentinischen Hauptstadt. Beide sind Nachkommen italienischer Einwanderer. Macri durchbrach das für Argentinien im vergangenen Jahrhundert bestimmende Zweiparteienduell zwischen Peronisten und Radikalen. Macri ist Vertreter des wirtschaftsliberalen, konservativen Bündnisses Cambiemos und römischer Katholik. Im Vorfeld von Macris-Rombesuch war spekuliert worden, daß zwischen den beiden Staatsoberhäuptern wegen des Wahlkampfes einiges zurechtgerückt zu werden habe.
Macri, ein wiederverheiratet geschiedener Katholik
Der Unternehmer Macri ist bereits in dritter Ehe verheiratet. Die sakramentale Ehe schloß er 1981 mit Yvonne Bordeau, mit der er drei Kinder hat. Von ihr ließ er sich 1991 scheiden. In jenem Jahr wurde Macri entführt und erst nach Zahlung eines Lösegeldes in Millionenhöhe freigelassen. Als Reaktion darauf beschloß er, sich der Politik zuzuwenden. 1994 heiratete er standesamtlich Isabel Menditeguy. 2005 folgte die Scheidung. Seit 2010 ist Macri standesamtlich mit der Unternehmerin Juliana Awada verheiratet.
Awada ist die Tochter eines moslemischen Unternehmers aus bescheidenen Verhältnissen, der aus dem Libanon nach Argentinien einwanderte. Awadas Mutter stammt aus einer wohlhabenden Familie syrisch-katholischen Unternehmerfamilie Argentiniens. Der Vater „hat uns nie Religion eingeflößt“, wie seine Tochter 2012 in einem Interview mit der argentinischen Tageszeitung La Nacion sagte. Alle Kinder wurden katholisch getauft. Eine Schwester ist kirchlich mit einem Katholiken verheiratet. Eine weitere Schwester heiratete einen Juden. „Wir sind sehr offen“, so die Tochter.“ Auch Juliana Awada war bereits verheiratet und brachte ein Kind in die Ehe mit. Macri und Awada haben eine gemeinsame Tochter.
Vorrang der unauflöslichen Ehe im Protokoll des Vatikans
Bei den päpstlichen Audienzen ist es protokollarisch vorgesehen, daß Staatsoberhäupter ihre angetrauten Ehegatten mitbringen. Da die sakramentale Ehe unauflöslich ist und die Kirche Scheidung und standesamtliche Wiederverheiratung nicht anerkennt, wurde dies auch im Protokoll zum Ausdruck gebracht.
Für die Audienz von Staatspräsident Macri, der nach katholischem Verständnis im Zustand des permanenten Ehebruchs lebt, im neueren Sprachgebrauch als wiederverheiratet Geschiedener bezeichnet wird, änderte Papst Franziskus das vatikanischen Protokoll.
Von einem Schritt von „historischer Bedeutung“, spricht Elisabetta Pique, die Vatikanistin von La Nacion und wohlwollende argentinische Papst-Biographin.
Protokolländerung „kostete den Papst viel Überzeugungkraft“
„Erstmals in der Geschichte wurde das Protokoll des Vatikans so geändert, daß ein verheiratetes katholisches Staatsoberhaupt seine Lebensgefährtin zur Audienz mit dem Papst mitbringen konnte“, so Pique in der Sonntagsausgabe der argentinischen Tageszeitung. Die Anwesenheit von Juliana Awada „mag aus argentinischer Sicht vielleicht selbstverstndlich gewesen sein, bedeutete jedoch eine drastische Änderung der vatikanischen Gepflogenheiten und gibt den Reformabsichten des Pontifikats Bergoglio neuen Auftrieb“, so die Vatikanistin.
Laut einer „gut informierten Quelle“, so Pique, habe es Papst Franziskus „viel Überzeugungskraft gekostet“, das Staatssekretariat „von dieser historischen Neuerung der Protokollregeln zu überzeugen“. Daß Pique auch darin ganz mit Papst Franziskus übereinstimmt, zeigt ihre Wertung, daß die Neuerung „in Übereinstimmung mit der Zeit“ erfolgt sei.
Die Protokolländerung sei, so Pique, ein ausdrücklicher Wunsch des Papstes gewesen. Bisher wurden die Lebensgefährtinnen von Staatsoberhäuptern, die sich in einer irregulären Situation befinden, von den Päpsten nur außerhalb des offiziellen Protokolls, in anderen Räumlichkeiten und getrennt vom ausländischen Staatsoberhaupt empfangen. Das Protokoll sollte nicht nur die Mißbilligung der irregulären Situation zum Ausdruck bringen, sondern vor allem die irreguläre Situation nicht mit der regulären einer sakramental geschlossenen Ehe auf eine Stufe stellen.
Seit dem Empfang für Argentiniens Staatsoberhaupt dürfte diese Unterscheidung Vergangenheit sein.
„Der Papst fühlte sich sehr schlecht“ beim alten Protokoll
Die Katholikin Juliana Awada war ganz nach vatikanischem Protokoll in schwarz und mit Schleier gekleidet und wurde protokollarisch wie die rechtmäßige Ehefrau Macris behandelt.
Laut Pique habe sich Macri Anfang der 90er Jahre um eine Annullierung seiner Ehe bemüht, diese aber nicht erhalten. „Der Papst fühlte sich sehr schlecht, als er hörte, daß er laut Protokoll gezwungen ist, die Frau in einem anderen Saal und getrennt zu begrüßen“, wie Pique ihre „gut informierte Quelle“ aus dem Vatikan zitiert. „Das scheint mir ungerecht“, habe er gesagt, „und so reifte in ihm die Idee, das Protokoll zu ändern.“
Die Audienz mit Macri sei „sehr positiv“ und „sehr korrekt“ verlaufen, was den „bilateralen Beziehungen“ sicher gut tue, so Pique.
Wenn der Papst keinen Unterschied mehr beim Stand der Katholiken macht, wie sollen dann katholische Diözesen und Organisationen künftig eine Standesunterscheidung mit Konsequenzen, etwa bei einer Scheidung, aufrechterhalten oder im katholischen Arbeitsrecht einfordern können? http://www.katholisches.info/2016/02/29/...et-geschiedene/ Text: Giuseppe Nardi Bild: La Nacion (Screenshot)
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