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  • 01.03.2016 00:21 - Interview mit Kretschmann "Grenzsicherung gehört schlichtweg dazu"
von esther10 in Kategorie Allgemein.




Montag, 15. Februar 2016
Interview mit Kretschmann
"Grenzsicherung gehört schlichtweg dazu"

Teile der eigenen Partei kritisieren Angela Merkel heftig. Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, gilt dagegen als starker Unterstützer ihrer Flüchtlingspolitik. Und er verteidigt ihren Kurs nicht nur gegen Attacken von rechts, sondern auch gegen grüne Ideologie.

n-tv.de: Abschiebungen nach Afghanistan, ein schmutziger Pakt mit der Türkei, das Militärbündnis Nato spürt Flüchtlinge im Mittelmeer auf. Muss man als Grüner nicht sagen: Der Humanismus von Angela Merkel endet an der EU-Außengrenze?

Winfried Kretschmann: Man muss sich die Haare raufen, wenn man sieht, was die Türkei mit den Kurden im Land macht. Aber wir können uns unsere Partner im Nahen Osten nun mal nicht aussuchen. Mit der Türkei, aber auch mit der Regierung des Libanon und Jordaniens müssen wir verhandeln, damit es den Leuten in den riesigen Flüchtlingslagern dort besser geht, damit es dort genug zu essen gibt, die Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und die Kinder dort Schulbildung bekommen. Dazu werden die Industriestaaten finanziell erheblich mehr beitragen müssen - aus wohlverstandenem Eigeninteresse, damit sich nicht noch mehr Menschen auf den Weg zu uns machen.

Merkels Plan ist, die Außengrenzen zu sichern, Kontingente einzurichten, um Flüchtlinge auf legalem und sicheren Weg nach Europa zu holen und sie dort gerecht zu verteilen. Aber darf man Europa wirklich abschotten, bevor Punkt zwei und drei dieses Plans auch stehen?

Die Bundeskanzlerin arbeitet an einer europäischen Lösung, und das ist richtig. Sie versucht, die Fluchtursachen zu bekämpfen und die Flüchtlingslager zu stabilisieren. Im Inneren setzt sie sich dafür ein, die Menschen mit Bleiberecht zu integrieren und die ohne Bleiberecht zurückführen. Die Sicherung der europäischen Außengrenzen und für geordnete Verfahren zu sorgen, gehört schlichtweg dazu.

Der grüne Boris Palmer, den Teile der eigenen Partei wegen seiner harten Linie verschmähen, sprach sich gerade im "Spiegel" für den Bau neuer Grenzzäune aus. Er sagte: Man müsse aushalten, dass sich im "Burggraben" Europas hässliche Szenen abspielten. Das sehen Sie also auch so?


Boris Palmer tanzt aus den Parteireihen - und erntet dafür viel Kritik, auch von Kretschmann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Oberbürgermeister von Tübingen darf sich, wie jeder Bürger auch, zu allem äußern. Es wäre aber vielleicht geschickter, wenn er sich auf den Bereich konzentrieren würde, für den er zuständig ist: die Kommune. Sicher nimmt Deutschland schon jetzt überproportional viele Flüchtlinge auf. Und dass es hier zu einer Begrenzung kommen muss, wird kaum jemand bestreiten. Es fehlt nicht an deutscher, sondern an europäischer Solidarität.

Keine Bauchschmerzen angesichts der Härten in "Europas Burggraben"?

All das, was Sie jetzt abfragen, sind natürlich schwierige Begleiterscheinungen von Merkels Kurs. Aber nur, wenn wir es schaffen, dass Europa wieder handlungsfähig wird, können wir solche Fragen überhaupt so beantworten, wie wir es wollen.

Dass die Bundesregierung immer mehr Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt, gehört zu diesen "schwierigen Begleiterscheinungen" hinzu. Es kommt im Bundesrat demnächst auf die Stimme Baden-Württembergs an, wenn es um Marokko, Algerien und Tunesien geht...

Uns liegt der Antrag vor, wir prüfen ihn aktuell auf Plausibilität.

Bereits bei den Balkan-Staaten ließen sich die Grünen auf einen pragmatischen Deal ein. Sichere Herkunftsstaaten ja, aber dafür mehr legale Zugangswege. Jetzt will Grünen-Chef Cem Özdemir die Zustimmung von Verbesserungen für geduldete Flüchtlinge abhängig machen.

Die Bedeutung von sicheren Herkunftsländern wird von Befürwortern wie von Kritikern vollkommen überschätzt. Menschen, die aus solchen Staaten kommen, können ja trotzdem erfolgreich Asyl in Deutschland beantragen. Zugleich ist die Auswirkung auf die Zahl der Flüchtlinge, die aus solchen Ländern kommen, nachweisbar gering. Unabhängig davon gilt: Leute zurückzuschicken, die hier schon Wurzeln geschlagen haben, ist unvernünftig - so sieht das auch die Wirtschaft. Darum wäre es durchaus an der Zeit, die Situation von lange geduldeten Menschen in Deutschland mit einer Altfallregelung zu verbessern. Das würde außerdem zu einer Entlastung beim völlig überlasteten Bamf führen.

Das klingt alles sehr unideologisch für einen Grünen und sehr unkritisch, wenn man bedenkt, dass Sie in einer anderen Partei sind als Angela Merkel.

Konflikt ist Alltag in einer Demokratie. Aber in schweren Krisen müssen wir auf Konsens setzen.

Ein entscheidender Baustein im Plan von Kanzlerin Merkel sind Flüchtlingskontingente. Damit umwirbt sie die Türkei. Nur Zahlen nennt die CDU-Chefin bisher nicht. Wie könnte ein Kontingent für Baden-Württemberg ausfallen?

Wie groß die Kontingente für einzelne Staaten werden, müsste dann ausgehandelt werden. Ansonsten gilt für Deutschland ein fester Schlüssel, nach dem die Flüchtlinge auf die Länder verteilt werden.

Wie viele Flüchtlinge kann Baden-Württemberg aufnehmen und integrieren?

Es geht da mehr um die Geschwindigkeit. Die ist derzeit viel zu hoch. Über 100.000 Menschen haben bei uns allein 2015 Asyl beantragt. Aber jetzt fängt die Integration erst richtig an. Wir brauchen Lehrer, wir brauchen Erzieher, Wohnungen, Arbeitsplätze. Das geht alles nicht von heut' auf morgen.

Der französische Premierminister Manuel Valls hat sich gerade gegen neue Kontingente ausgesprochen. Was passiert, wenn Kanzlerin Merkel sich mit ihrer Flüchtlingspolitik in Europa nicht durchsetzen kann?


"Die Krise europäisch lösen": Merkels Mantra stößt auf Gegenliebe.
(Foto: picture alliance / dpa)
Was ich an der Kanzlerin besonders unterstütze, ist, dass sie sagt: Wir müssen diese Krise europäisch lösen. Das ist zwingend, wenn auch schwierig. Aber Merkel ist eine erfahrene Krisenmanagerin, ich traue ihr das zu. Und wer sollte es auch sonst machen? Die polnische Ministerpräsidentin etwa? François Hollande mit seinen Problemen mit der Front National? Matteo Renzi mit seiner Bankenkrise? Wir müssen jetzt alle Leidenschaft und Kraft in eine europäische Lösung legen.

Solange klar ist, dass die Bundesrepublik im Prinzip unbegrenzt Flüchtlinge aufnimmt, erscheint es Staaten wie Ungarn aber nun mal lukrativer, sich einer Gemeinschaftslösung und damit einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge zu widersetzen.

Wir nehmen nicht unbegrenzt Flüchtlinge auf. Das ist ein Mythos. Wir nehmen die Flüchtlinge auf, die des Schutzes bedürfen. Die anderen werden zurückgeschickt. Die Grenzöffnung, auf die sie anspielen, war eine humanitäre Aktion für wenige Tausend Menschen, die in Ungarn auf der Straße standen.

Aber Ungarns Ministerpräsident weiß doch sehr genau, dass Deutschland im Zweifelsfall auch in Zukunft helfen wird.

In einer Brachiallösung die eigenen Grenzen dichtzumachen, bringt uns nicht weiter. Wir müssen berücksichtigen, dass es ein Unterschied wie Tag und Nacht ist, ob wir oder ob ein Land wie Ungarn so einen Schritt macht. Ungarn ist ein kleines Land am Rande Europas. Wenn wir als zentrale Wirtschaftsmacht in der Mitte Europas unsere Grenzen schließen, wäre das ein schwerer Schlag gegen den Schengenraum. Dann beginnt ein Zersetzungsprozess der EU.

Wie lassen sich die vielen europäischen Staaten, die sich derzeit unsolidarisch zeigen, überzeugen?

Issio Ehrich
Issio Ehrich ist Redakteur im Ressort Politik. Er schreibt unter anderem über Zuwanderung und die Türkei, die Grünen sowie Außen- und Sicherheitspolitik.

Neben der besagten Sicherung der Außengrenzen sind sicherlich einige Kompromisse notwendig. So ist es in Europa ja oft der Fall. Die Staaten, die weniger Flüchtlinge aufnehmen wollen, könnten mehr Geld für die Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten Syriens zahlen. Wenn die Slowakei keine Muslime im Land haben will, dann soll sie eben Christen aufnehmen.

Sie stecken voll im Landtagswahlkampf. Kommen sie eigentlich noch dazu, neben der Flüchtlingskrise über andere Themen zu reden, die für Baden-Württemberg wichtig sind?

Die Krise verdrängt natürlich viele andere Themen. Aber von der Flüchtlingsfrage und der notwendigen europäischen Lösung kommt man auch schnell zur Wirtschaft. Wenn Europa zerbricht, hätte das dramatische Auswirkungen. Der Versuch der Renationalisierung ist nicht nur illusionär, er ist auch gefährlich, es geht sofort an die Substanz. Baden-Württemberg ist ein exportorientiertes Land, zwei Drittel unserer Güter gehen ins Ausland.

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Großes Engagement in der Asyl- und Flüchtlingspolitik stecken gewissermaßen in der DNA der Grünen. Kann die Partei derzeit politisch auch davon profitieren?

Wir haben gezeigt, dass wir dort, wo wir Verantwortung tragen, einen guten Job machen - bei der Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge und in der Kooperation mit den Kommunen. Wir haben mit der zentralen Registrierungsstelle in Heidelberg ein Modellprojekt eingerichtet und gezeigt, dass wir Asylverfahren in wenigen Wochen zum Abschluss führen können. Wir zeigen, dass wir auch Krise können. Aber dieser riesige Ansturm an Flüchtlingen ist nichts, wovon wir oder andere Parteien profitieren könnten. Die Leute erwarten doch, dass die Politik die Probleme sofort löst, das können wir aber nicht. Könnte man Krisen planen, gäbe es sie nicht. In einer Krise kann man die Probleme nur schrittweise angehen. Von der Flüchtlingskrise profitieren deshalb nur die, die Ängste und Hass schüren, die Leute der AfD.
http://www.n-tv.de/politik/Junge-Union-a...le17114411.html
Mit Winfried Kretschmann sprach Issio Ehrich



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