Die „Hure Babylon“ ehrt Martin Luther 21. März 2016
Rom und der Martin-Luther-Platz beim Kolosseum
(Rom) Bald 500 Jahre nach der Verbreitung von Martin Luthers 95 Thesen (1517) und 494 Jahre nach der Exkommunikation des entsprungenen Augustiner-Eremiten von Wittenberg, durch Papst Leo X. mit dem Dekret Romanum Pontificem von 1521, benannte die Stadt Rom einen Park in der Nähe des Kolosseums nach dem Mann, der die protestantische „Reformation“ auslöste.
Die Aufschrift im Ersten Rione lautet „Piazza Martin Lutero. Teologo Tedesco della Riforma (1483-1546)“, übersetzt „Deutscher Theologe der Reformation“. Damit wird Luther von jener Stadt geehrt, die er selbst wenig schmeichelhaft als „Hure Babylon“ beschimpfte. Das Papsttum, die katholische Kirche und Rom wurden gleichermaßen zu diesem Synonym.
Der Park befindet sich im Rione Monti am Viale Serapide, benannt nach der ägyptisch-hellenistischen Göttin Serapis. In der Nähe befindet sich die Domus Aurea von Kaiser Nero.
Mormonen und Lutheraner stellten den Antrag
Der Beschluß der Stadtregierung geht bereits auf das Jahr 2010 zurück. Den Antrag dazu hatten die Mormonen zusammen mit den Lutheranern gestellt. Die Stadtregierung des damaligen römischen Bürgermeisters, des Linkskatholiken Ignazio Marino, ist längst Vergangenheit. Am kommenden 12. Juni finden Neuwahlen statt. Umbenennungen, ob Straßen, Plätze oder Parkanlagen sind dagegen beständiger.
Während der Vatikan die Entscheidung nicht kommentierte, zeigten sich die Lutheraner wegen der symbolischen Bedeutung hocherfreut. Heiner Bludau und Jakob Betz von der Lutherischen Kirche Italiens meinten dazu:
“Es erfüllt uns mit Freude, daß unser Traum vor dem Gedenkjahr 2017 Wirklichkeit geworden ist.“
„Als wird 2010 unsere Erhebungen begannen, haben wir verstanden, daß sein [Luthers] Aufenthalt in Rom Teil der protestantischen Reformation und daher Teil der europäischen Geschichte war. Dem großen Reformator in Rom einen Platz zu widmen, ist ein bedeutungsvoller Schritt: im Licht der Weltgeschichte gesehen entspricht es derselben Ebene wie die europäische Einheit. Daher sind wir sehr zufrieden.“
Erstaunlicherweise fand die Umbenennung kaum Aufmerksamkeit. „Weil Martin Luther ehren, heute unter Laien und Priestern fast zur gängigen Norm geworden ist“, mutmaßte The Catholic World Report, der die heutige Hervorhebung Martin Luthers von deutscher Seite als Versuch sieht, dem 1990 wiedervereinigten Deutschland einen gemeinsamen Nationalstolz zu geben.
Daran tragen auch die deutschen Bischöfe eine Mitverantwortung, so Catholic World Report, weil sie „dem Häresiarchen verstärkt Respekt zollen“ und gleichzeitig jedes kritische Wort vermeiden. Damit entstehe eine einseitige Wahrnehmung, die protestantischen Deutschen den Eindruck vermitteln müsse, im Recht zu sein. Heute nennen katholische Oberhirten Luther einen „großen Theologen“, der „keine Kirchenspaltung“ gewollt habe“. Einen Beweis dafür bleiben sie schuldig.
Marx: „Nach 50 Jahren Dialog kann auch ein Katholik Luthers Schriften mit Gewinn lesen“
Kardinal Reinhard Marx von München-Freising schrieb bereits im Januar 2015: „Nach 50 Jahren des Dialogs“ könne auch ein Katholik die Schriften Luthers mit Gewinn lesen. Kardinal Marx dürfte noch keine Luther-Schriften gelesen haben, um zu einer solchen Schlußfolgerung zu gelangen.
Von Hans Küng war keine gegenteilige Stellungnahme zu erwarten. Zu den katholischen Luther-Apologeten zählen jedoch auch Kardinal Walter Kasper und Kurt Koch, der ehemalige und der amtierende Vorsitzende des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Einiges deutet darauf hin, daß es sich dabei weniger um eine tatsächliche Martin Luthers Rezeption handelt. Vielmehr scheint es im Rahmen des „ökumenischen Dialog-Prozeß“ darum zu gehen, den heutigen Lutheranern Blumen zu streuen.
The Catholic World Report nennt auch Kardinal Carlo Maria Martini und den Jesuiten Georg Sporschill unter den Kirchenvertretern, die in Luther eine positive Quelle für die nachkonziliaren Umbrüche in der katholischen Kirche sehen. Erst aus einer sicheren zeitlichen Distanz zu diesen Umbrüchen wurde das von den Vertretern dieser Richtung auch ausgesprochen. Eine Richtung, die seit den späten 1960er Jahre unter dem Stichwort „Protestantisierung“ der katholischen Kirche summiert wird.
Papst Franziskus, Luther und die Interkommunion
Den wichtigsten Anstoß zur „geistgeleiteten“, jedoch willkürlich anmutenden Annäherung lieferte Papst Franziskus bei seinem Besuch der römischen Lutherkirche, als er auf die Frage einer Lutheranerin, ob die Interkommunion zwischen Katholiken und Lutheranern möglich sei, sinngemäß antwortet: Nein, Jein, entscheidet selbst.
Sein Gastgeber, Pastor Jens Kruse, wertete die Papst-Worte umgehend als Zustimmung zur Interkommunion als einer Frage des Gewissens, die damit der Entscheidung irgendwelcher kirchlicher Instanzen entzogen sei und keiner Bewilligung bedürfe.
Die Benennung eines römischen Parks nach Martin Luther paßt ins Bild und liefert das entsprechende Zierwerk.
Am 31. Oktober wird Papst Franziskus nach Stockholm reisen, wo ein gemeinsames lutherisch-katholisches Luther-Gedenken stattfindet. Um nicht direkt an den 500-Jahrfeiern teilzunehmen, findet das „ökumenische“ Gedenken ein Jahr früher statt, denn zu diesem Zeitpunkt vor 500 Jahren sei Luther noch Katholik gewesen, wie es in Rom heißt. W
Welchen konkreten Sinngehalt diese kleine Vorverlegung haben könnte, wird von den Worten von Papst Franziskus in Stockholm abhängen. Am 31. Oktober 1516 war Martin Luther nicht nur Katholik, sondern auch Augustiner-Eremit und katholischer Priester. Das würde ausreichend Gelegenheit bieten, deutlich zu machen, welche Versprechen und Gelübde von Luther gebrochen wurden, um die aktuelle Beschwichtigungs-Behauptung einiger katholischer Würdenträger zumindest abschwächen, wenn nicht zu widerlegen, Luther habe „keine Kirchenspaltung“ gewollt.
Der offizielle Festakt zur Umbenennung des Parks fand bereits im September 2015 statt. Damals war Bürgermeister Marino gerade noch für wenige Tage im Amt. Als offizieller Vertreter des Deutschen Bundestages nahm der Abgeordnete Michael Kretschmer daran teil. Kretschmer erinnerte an den „Barmherzigkeitssinn“ Luthers für „die Letzten“ dieser Welt. Bürgermeister Marino deutete die Park-Benennung nach Luther als Beweis „für den Respekt, den Rom für jede Religion und jedes Bekenntnis“ habe.
Die Katholiken, Juden und deutschen Bauern zählten für Luther jedenfalls weder zu den „Letzten“ noch zu jenen, die Barmherzigkeit verdienen würden. http://www.katholisches.info/2016/03/21/...-martin-luther/ Text: Giuseppe Nardi Bild: MiL
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