Die große Leere nach dem Weltjugendtag Aufatmen, aufräumen, Abschied nehmen Von Marion Kretz-Mangold
Monatelang haben sie auf diese Tage hingearbeitet, zum Schluss kamen sie kaum noch zum Schlafen - und jetzt: vorbei. Gott sei Dank? Oder doch eher schade? Im Kölner Weltjugendtags-Büro kämpfen die Organisatoren mit dem "Loch danach".
"Ciao ragazzi! Habt ihr geschlafen?" In der Gereonstraße 1 scheint es zwei Tage nach dem Abflug des Papstes nur ein Thema zu geben: die Müdigkeit. Die meisten Mitarbeiter sehen mitgenommen aus, selbst die ganz jungen, und reiben sich vor dem Computer die Augen. Einmal rund um die Uhr schlafen, das wär's. Aber der Weltjugendtag ist nur für die Pilger gelaufen. Im Büro heißt es jetzt "Aufatmen und Aufräumen".
Immerhin klingeln die Telefone nicht mehr so hektisch. Hier, wo in den vergangenen Wochen alle Fäden zusammenliefen, herrscht eine fast gediegene Hotel-Atmosphäre - trotz der Kartons voller Prospekte, Plastikflaschen und Pilgerhandbücher, die sich in den Gängen stapeln. "Nur fünf Anrufe heute Morgen", wundert man sich im Pressebüro. Keine Interviewwünsche mehr, keine besorgten Anfragen von Gastgebern, keine Akkreditierungen in letzter Minute. Auch in den Nachbarräumen: die Ruhe nach dem Sturm. Nur vorne, am Empfang, geht das Telefon ständig:
"Nein, wir haben wirklich keine Pilgerrucksäcke mehr, tut uns leid. Auch keine T-Shirts." Die ersten Pilgerflaschen sollen inzwischen im Internet versteigert worden sein, erzählt der Freiwillige zwischen zwei Anrufen. "Leer, wohlgemerkt."
Angst vor der "Vollbremsung"
140 junge Menschen aus 42 Nationen waren mit dem Mammut-Projekt beschäftigt, meist ehrenamtlich; dazu kamen in der Schlussphase 25.000 Kurzzeitfreiwillige, die draußen eingesetzt wurden. Marienfeld, Pressezentrum und Domwallfahrt, Herbergssuche, Katechese und Security: Geistliches und Weltliches mischten sich, machten die Vorbereitungen zu einem Projekt ganz eigener Art. Manche waren zwei Jahre in Köln dabei, wie Josef Funk, Pfarrer aus Eichstätt. Als "Bereichsleiter Verkündigung" war er zuständig für Katechese und Domwallfahrt, musste mit elf Mitarbeitern dafür sorgen, dass es genügend Hostienschalen und die richtigen Messgewänder gab und dass im Dom angesichts der Pilgermassen kein Chaos ausbrach. "Ich bin heilfroh, dass es vorbei ist und so gut vorbei ist", resümiert er, "die Bischöfe sind alle gekommen, die Musikgruppen waren alle da."
Jetzt steht er im Flur, vor sich einen Karton "mit Akten und der Weltjugendtagstasse", und hat ein wenig Sorge vor der "Vollbremsung". Die Freiwilligen gehen, er bleibt mit zwei Mitarbeitern zurück, bis Ende September der "Bereich Verkündigung" endgültig aufgelöst wird und er eine Pfarrei in Bayern übernimmt. Viel zu tun bleibt ihm nicht mehr: "Zeugnisse für die Freiwilligen schreiben, Abschlussberichte schreiben, dann kommen auch noch Rechnungen für die Banner und Spritkosten." Aussichten, die ihn offenkundig wenig begeistern. Dossier
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"Wir sind hin und weg"
"Das ist halt der unangenehme Teil des Weltjugendtages." Hermann-Josef Johanns lehnt sich in seinem Stuhl zurück - sehr entspannt und, wie er zugibt, auch sehr müde ("Auf dem Marienfeld habe ich eine Stunde geschlafen.") Der Geschäftsführer des Büros hat schon andere Großprojekte geleitet und kennt das Loch, in das man dann fällt. Wobei das Loch in seinem Fall angefüllt ist mit Beschwerden: über das Essen und die Unterbringung, über die Transporte und die Toiletten. "Ich habe mich in Köln geschämt, eine Deutsche zu sein", schimpfte etwa eine Pilgerin per E-Mail. Johanns liest die lange Liste und kontert: "Das Areal zu klein? Drei Millionen Quadratmeter! Und es gab zu wenig zu essen? Da gehen Sie jetzt mal übers Marienfeld, was da an Brotbelag liegt, das ist traurig." Johanns findet für jeden Punkt ein Gegenargument und will mit der Pilgerin Kontakt aufnehmen: "Das sind Einzelfälle, die man aufarbeiten muss."
Aber sonst: "Wir haben viele tolle Mails bekommen, die Polizei hat uns ein Riesenkompliment gemacht und wir haben es geschafft, ein Stück Freude an alle weiterzugeben." Kurz: "Wir sind hin und weg." Aber jetzt muss er weiter, zu den Handwerkern aufs Marienfeld, Danke sagen. "Ich brauche die 'Wir sind Papst'-Buttons!", ruft er nach draußen - irgendwo im Karton sind welche.
"Hast du geschlafen?"
Drei Türen weiter sitzt Veronika Dickert in ihrem Noch-Büro. Der Schreibtisch sieht schon sehr kahl aus, hinter ihr an der Wand hängt nur noch ein großer Stadtplan von Köln, überall stehen Kartons voller Prospekte und Pilgerhandbücher. "Das ist schon verdammt gut gelaufen, dafür, dass da mehr als eine Million Menschen waren," findet sie. Man merkt, dass die 20-Jährige viel Herzblut in den Job gesteckt hat. Veronika hat im "Bereich Öffentlichkeitsarbeit" ihr Freiwilliges Soziales Jahr gemacht, dafür 170 Euro Taschengeld bekommen, ein Bett im Kloster und die Gewissheit, in der Kommunikation weitermachen zu wollen. Stress war es, sagt sie, während sie zum Fenster hinausblickt, aber sie ist auch traurig, dass es vorbei ist. Die ersten "Kollegen" sind schon abgereist, und "wir haben ja nicht nur zusammengearbeitet, sondern auch zusammen gelebt." Und jetzt? "Akten zusammenstellen, sehen, was wir für die Dokumentation brauchen." Da platzt ein Kollege in den Raum: "Hallo, wie geht's?! Hast du geschlafen?"