08.04.2016
Deutsche Bischöfe würdigen Papstbotschaft zu Ehe und Familie "Ermutigung zum Leben und zur Liebe" Als "Ermutigung zum Leben und zur Liebe" haben die deutschen Bischöfe die am Freitag veröffentlichte Botschaft von Papst Franziskus zu Ehe und Familie gewürdigt. Weitere Reaktionen im Überblick.
Der Text sei "in erster Linie eine herzliche, gleichermaßen tiefgehende wie lebenspraktische Einladung zur Lebensform von Ehe und Familie, die ihre Inspiration aus den Quellen des christlichen Glaubens erfährt", erklärten der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der Berliner Erzbischof Heiner Koch und der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode.
Marx, Koch und Bode gehörten zu den Teilnehmern der beiden von Franziskus einberufenen Weltbischofssynoden 2014 und 2015. Mit seiner jetzt publizierten Botschaft "Amoris laetitia" fasst der Papst die Ergebnisse der Beratungen zusammen. Insgesamt gehe es Franziskus darum, "in positiver und ermutigender Weise Wertoptionen, Möglichkeiten und Perspektiven für das Leben in Ehe und Familie zu eröffnen", so die deutschen Bischöfe. Dabei betone der Papst neben kirchlichen Normen die Bedeutung individueller Gewissensentscheidungen.
Dies habe auch "weitreichende Konsequenzen für den pastoralen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen", denen der Empfang der Kommunion bislang nach kirchlicher Lehre verwehrt bleibt. Die Feststellung, dass eine zweite zivile Verbindung im Widerspruch zur ersten, sakramentalen Ehe und damit im Widerspruch zur objektiven Norm steht, reiche künftig als alleinige Begründung für einen Ausschluss vom Kommunionempfang nicht mehr aus, so die Bischöfe. "Es ist vielmehr notwendig, in jedem einzelnen Fall die besondere Lebenssituation der Betroffenen zu betrachten." Nur im Blick auf die jeweilige Lebensgeschichte und Realität lasse sich "gemeinsam mit den betroffenen Personen klären, ob und wie in ihrer Situation Schuld vorliegt, die einem Empfang der Eucharistie entgegensteht".
Nicht zuletzt seien nun Bischöfe, aber auch Priester und Theologen gefragt, die "vielfältigen Einsichten und Akzentsetzungen" des päpstlichen Schreibens zu durchdringen und in der Verkündigung und Pastoral wirksam werden zu lassen. "Wir bitten besonders die Priester, im Geist dieses Textes auf die Menschen zuzugehen, auf die, die sich auf dem Weg zur Ehe befinden, auf die Eheleute, aber auch auf die, deren eheliche Beziehungen missglückt sind und die sich oft von der Kirche alleingelassen vorkommen", so die Bischöfe. Der Tenor des Schreibens laute: "Niemand darf ausgeschlossen werden von der Barmherzigkeit Gottes."
Bischof Koch betonte als Vorsitzender der Familienkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Franziskus weise jede "kalte Schreibtisch-Moral" zurück. Er setze vielmehr auf Pastoral als "barmherzige Liebe", die immer geneigt sei zu verstehen, zu verzeihen, zu begleiten und vor allem einzugliedern.
Hamburgs Erzbischof Stefan Heße hat die Botschaft des Papstes zu Ehe und Familie als "Herausforderung für die Seelsorge" gewürdigt. Franziskus nehme in dem Schreiben "Amoris Laetitia" (Freude der Liebe) die Lebenswirklichkeit der Menschen von heute in den Blick, sagte er am Freitag in Hamburg. Diese Wirklichkeit habe sich in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich stärker verändert als in den Jahrhunderten zuvor. "Auf der anderen Seite macht Franziskus auch klar: Wir geben unsere Ideale nicht auf. Wir müssen aber neu darüber nachdenken, wie Menschen sie leben können", so der Erzbischof.
Heße warb dafür, "eine begehbare Brücke zwischen Ideal und Wirklichkeit zu bauen". Der Papst habe bewusst keine neuen Regelungen getroffen. Er wolle vielmehr Hilfen geben, "um die Gewissensbildung der Menschen zu fördern".
Papst Franziskus hat nach Aussage des Wiener Kardinals Christoph Schönborn in seinem Schreiben zu Ehe und Familie wiederverheirateten Geschiedenen den Weg zum Kommunionempfang geebnet. Der Papst sage mit Blick auf die Betroffenen, dass ein "kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen" Gott wohlgefälliger sein könne "als das äußerlich korrekte Leben dessen, der sein Tage verbringt, ohne nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen", so Schönborn bei der Vorstellung des Dokuments "Amoris laetitiae" am Freitag in Rom.
Franziskus schreibe dann in einer Fußnote, dass auch die Hilfe der Sakramente "in gewissen Fällen" gegeben werde könne. Der Papst biete dafür zwar keine "Kasuistik" und "keine Rezepte". Er erinnere die Priester jedoch daran, dass die Eucharistie nicht die Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen sei. Außerdem verweise Franziskus in diesem Zusammenhang darauf, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein dürfe.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sieht in der Botschaft von Papst Franziskus zu Ehe und Familie neue Spielräume für die Ortskirchen. "Mit seiner Feststellung, dass nicht alles durch lehramtliches Eingreifen entschieden werden muss, verlagert er die Kompetenzen zum Umgang mit Konflikten und Krisen auf die Ebene der Bistümer und Gemeinden", erklärte ZdK-Präsident Thomas Sternberg am Freitag in Bonn.
Franziskus gebe der Gewissensentscheidung der Gläubigen und der Seelsorger neues Gewicht, so Sternberg weiter. Dabei betone der Papst "den Primat der Barmherzigkeit über eine 'kalte Schreibtischmoral'" und bringe kirchliche Lehre und Lebenspraxis der Gläubigen wieder näher zusammen ohne die kirchliche Lehrverkündigung in Zweifel zu ziehen. Die am Freitag im Vatikan vorgestellte Botschaft des Papstes mit dem Titel "Amoris laetitia" fasst die Beratungen der beiden Weltbischofssynoden 2014 und 2015 zu Ehe und Familie zusammen und hat verbindlichen Charakter.
Es gelte jetzt, "menschlich glaubwürdig mit Ehe und Partnerschaft auch in Krisensituationen und im Scheitern umzugehen", so der Präsident des höchsten Gremiums der katholischen Laien in Deutschland. "Der Papst spricht uns allen eine hohe Kompetenz zu, Menschen in Beziehungen, Ehen und Familien zu beraten. Er rät den Klerikern, bei den Laien in Fragen von Ehe und Familie in die Schule zu gehen. Seine dringende Aufforderung zur pastoralen Unterscheidung gilt uns allen gemeinsam, sie ist Sache der einzelnen, der Gemeinden, der Diözesen und der ganzen Kirche in Deutschland."
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sieht in der Papstbotschaft zu Ehe und Familie in erster Linie "eine Hymne auf die von Gott geschenkte Liebe". Es handle sich um ein "werbendes, einladendes Schreiben" ohne Pauschalurteile und -lösungen, erklärte der Bischof am Freitag in einer ersten Stellungnahme. Papst Franziskus verzichte auf lehramtliche Entscheidungen in strittigen Fällen. Er fordere aber eine intensivere kirchliche Begleitung von Paaren vor und nach der Eheschließung, besonders in schwierigen Situationen.
Mit Blick auf die intensive Diskussion über eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion stellte Voderholzer fest, der Papst habe an der bisherigen Lehre nichts verändert. Er schreibe sie aber "angesichts einer noch komplexer gewordenen Situation fort". Die Seelsorger sollten sich dieser Paare annehmen und mit ihnen einen "Weg der persönlichen Reifung" gehen.
Voderholzer sagte, er garantiere jedem, der sich in seinem Bistum in einer "irregulären Situation" befinde und diese gemeinsam mit der Kirche klären wolle, eine "individuell abgestimmte und selbstverständlich kostenlose Beratung und Betreuung".
Auch Bischöfe in Nordrhein-Westfalen haben "Amoris laetitia" begrüßt. Münsters Bischof Felix Genn erklärte, der Papst weite den Blick, ohne die Lehre der Kirche zu verändern. Er bitte darum, die Familien zu stärken. Wenn aber Beziehungen scheiterten, solle "nicht Trennung und Ausschluss" das Handlungsprinzip der Kirche sein, sondern Integration und Liebe sein. "Franziskus lädt uns ein, auf ein Ideal hin zu leben und nicht vom Ideal her die Menschen zu beurteilen."
Die Themen Wiederverheiratung, Zulassung zu den Sakramenten und Umgang mit Homosexuellen werden laut Genn nicht ausgespart. Im "einfühlsamen Kapitel 8" fänden gescheiterte Beziehungen Berücksichtigung mit dem Satz: "Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden und eingliedern." Franziskus bitte darum, jedes Beziehungsgeflecht genau und mit den Augen der Barmherzigkeit anzuschauen. "Er erteilt allen einfachen Lösungen eine Absage", so Genn.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sprach in Essen von einem "äußerst beeindruckenden" Schreiben. Der Text orientiere sich an der oft sehr schwierigen Alltagsrealität des heutigen Familienlebens, ohne das Ideal und die Bedeutung von Ehe und Familie zu verdunkeln. "Der Papst zeigt sich in dem Text als ein wirklicher Seel-Sorger, der die komplexen Lebenssituationen und -verhältnisse wahrnimmt und weiß, dass sie nicht pauschal beurteilt werden können und differenziert zu betrachten sind." Die Aufforderung, Menschen in unterschiedlichen Lebensverhältnissen zu integrieren, sei "die herausfordernde Botschaft des Papstes".
Der Übergangsverwalter des Bistums Aachen, Weihbischof Karl Borsch, lobte den "positiven Grundton" des Schreibens. Dieses sehe nicht zuerst das Ideal einer Familie, sondern betone "ihre reiche und komplexe Realität", erklärte der Diözesanadministrator. Das Schreiben verbinde die Wertschätzung der Familie mit der pastoralen Realität.
Zwar fälle der Papst keine lehramtliche Entscheidung zu konkreten Fällen wie die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion, so Borsch. Wichtige Stichworte des Umgangs mit allen schwierigen Situationen seien aber "begleiten, unterscheiden und eingliedern".
Der Vorsitzende der Nordischen Bischofskonferenz, Bischof Czeslaw Kozon, hat das Synodenpapier des Papstes zu Ehe und Familie als wichtigen Beitrag zur Glaubensverkündigung an Familien in Skandinavien begrüßt. Gerade in den stark säkularisierten nordischen Ländern eröffne das Schreiben die Möglichkeit zum Dialog, erklärte Kozon zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Nordischen Bischofskonferenz am Freitag im österreichischen Klosterneuburg.
Kozon begrüßte, dass der Papst Themen wie die Situation wiederverheirateter Geschiedener, Familienplanung oder den Umgang mit Homosexuellen nicht ausklammere, sondern sie "offen und mit der Haltung eines wahren Hirten" angehe. Dass der Papst an der Ehe als einzig gültiger Verbindung zwischen Mann und Frau festhalte, sei gerade in den Ländern des Nordens eine Aussage von großer Bedeutung.
Das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie bietet nach Einschätzung des Passauer Bischofs Stefan Oster wichtige Anstöße zu einer pastoralen Neuorientierung. Franziskus wolle, "dass die Kirche und alle, die in der Seelsorge tätig sind, auf den einzelnen Menschen schauen", schrieb Oster am Freitag auf Facebook. Das Papier gehe von einer Perspektive der Inklusion aus, nicht des Ausschlusses. "Amoris laetitia" war am Mittag im Vatikan veröffentlicht worden.
"Keiner wird verloren gegeben, keiner soll zurück bleiben", so Oster. "Ausnahmslos jeder soll das barmherzige Handeln der Kirche erfahren dürfen." Der Papst fordere in dem Text dazu auf, Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder gescheiterten Beziehungen intensiv zu begleiten, «sie ins Leben der Kirche zu integrieren und immer gut den Einzelfall zu unterscheiden». Dadurch gewinne die Seelsorge neuen Spielraum. Dringlicher sei für das Kirchenoberhaupt aber die Stärkung bestehender Ehen und Familien. https://www.domradio.de/themen/papst-fra...ehe-und-familie Hinweis: Der Überblick über die Reaktionen wird laufend ergänzt.
(KNA)
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