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  • 11.04.2016 00:37 - Wie steht es um den katholischen Religionsunterricht?
von esther10 in Kategorie Allgemein.




Wie steht es um den katholischen Religionsunterricht?
Bei Umfragen zeigt sich regelmäßig, dass ein Großteil der Christen die biblischen Ursprünge der kirchlichen Hochfeste wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten nicht mehr kennt. Dabei haben die meisten der Befragten zehn oder dreizehn Jahre an katholischer bzw. evangelischer Religionslehre teilgenommen. Trägt der schulische Religionsunterricht zu der oft beklagten Verdunstung des Glaubens bei?

Eine Bestandsaufnahme von Hubert Hecker.

Die Situation der kirchlichen Glaubensvermittlung ist desaströs …

Kurienerzbischof Georg Gänswein wurde kürzlich bei einem Interview der Deutschen Welle auf die Erosion des Glaubens angesprochen. Die Glaubensverdunstung in der Kirche in Deutschland hatte auch Papst Franziskus beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe beklagt. Ähnliche Diagnosen stellten Bischof Algermissen und Kardinal Woelki in Predigten des letzten Jahres. Woran liegt es, „dass dem Glauben die Wurzeln oder der Wurzelgrund fehlen“ – fragte Prälat Gänswein. „Es stimmt etwas nicht an der Glaubensverkündigung der Kirche.“ Die Verantwortlichen müssten „handeln, um die Leerstellen in der Verkündigung und der Katechese“ aufzufüllen. Die Kirche sollte wieder „mutiger den Glauben bekennen, nicht einiges abstreifen oder leichter machen. Denn ein Glaube light – das geht gar nicht.“

… der schulische Religionsunterricht ein Ausfall

Dann sprach Gänswein die privilegierte Situation in Deutschland an, wo konfessioneller Religionsunterricht in den Schulen gehalten werden kann. „Oft aber ist es so, dass die jungen Leute nach der Schule von ihrer Religion fast gar nichts wissen. Und wenn sie davon nichts wissen, können sie auch mit der Religion nichts anfangen.“

Mit dieser kritischen Aussage hatte der Kurienprälat eine These des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode aufgegriffen, der bei einer Gesprächsrunde mit Eltern während der letztjährigen Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz mit der Klage konfrontiert war: Der Religionsunterricht ist ein kompletter Ausfall. Zur Überraschung der Zuhörer bestätigte der ehemalige Jugend-Bischof dieses Urteil und stellte fest: „Ja, beim Religionsunterricht bleibt nichts hängen.“ Die entwaffnend ehrliche Bilanz kommt einer Bankrott-Erklärung gleich.

„Die andern sind schuld, wir weisen Verantwortung für die Krise des Glaubens zurück“

Gegen diese Einschätzung vom Versagen des Schul-Religionsunterrichts legen zwei Katechetenverbände Widerspruch ein: die Arbeitsgemeinschaft Katholische Religionspädagogik und der Deutsche Katechetenverein (DKV). Sie stimmen zwar mit Gänsweins Diagnose überein, dass es bei der kirchlichen Glaubensverkündigung und Katechese in den Gemeinden Leerstellen gebe. Aber für den Bereich des Religionsunterrichts, den die beiden Verbände vertreten, sehen sie keinerlei Verantwortung für die augenfällige Krise des Glaubens. Zu der konkreten Feststellung von Erzbischof Gänswein und Bischof Bode, dass nach zehn oder dreizehn Jahren Religionsunterricht nichts hängen bleibe, drücken sich die Verbandsvertreter allerdings in ihrer Stellungnahme.

Aus den weiteren Ausführungen der Stellungnahme erklärt sich die Abwehrhaltung der Religionslehrerverbände gegen eine nüchterne Bilanz: Sie sind vollauf zufrieden mit der Form und den Ergebnissen des Religionsunterrichts. Denn der habe sich „in den letzten Jahrzehnten gut entfaltet und behauptet. Religionslehre nehme im Kanon der schulischen Fächer eine geachtete Stellung ein“ und leiste „einen wesentlichen und anerkannten Beitrag zur Allgemeinbildung von Schülerinnen und Schülern.“ Dieses selbstgefällige Eigenlob endet mit der Warnung, dass eine katechetische Kurskorrektur „die Anerkennung des Religionsunterrichts in Schule und Gesellschaft gefährden“ würde.

Die Würzburger Synode wollte keine Vermittlung der kirchlichen Glaubenslehre …

Auffällig ist, dass als Kriterien für den vermeintlichen Erfolg des Religionsunterrichts ausschließlich nicht-kirchliche und nicht-religiöse Bezugspunkte genannt werden: dessen „Beitrag zur Allgemeinbildung“ und damit seine „Anerkennung in Schule und Gesellschaft“. Liegt es vielleicht gerade an der mangelhaften Orientierung zur Glaubenslehre, dass im Religionsunterricht „nichts hängen bleibt“ und so die „Glaubensverdunstung“ forciert wird?

Würzburger Synode 1971-1975: im Religionsunterricht „kein Glaubenswissen vermitteln“
Die bis heute gültigen Leitlinien für die schulische Religionslehre wurden vor vier Jahrzehnten auf der Würzburger Synode aufgestellt. In einer 1975 verabschiedeten Synodenschrift findet man tatsächlich die Richtlinien dafür, dass der Religionsunterricht kein Glaubenswissen vermitteln soll.

Es macht fassungslos, wenn man heute liest, was die Kirchenversammlung damals festlegte: Das Ziel der katholischen Religionslehre sollte ausdrücklich nicht die „Vermittlung von Glaubenswahrheiten der Kirche“ sein. Die Schüler dürften in ihrer Spontaneität nicht „auf Antworten des katholischen Glaubens eingeengt werden“.

… sondern nur zur Identitätsfindung und Lebensbewältigung der Schüler beitragen

Das Hauptlernziel der Religionslehre hat laut Synodenbeschluss darin zu bestehen, den Kindern und Jugendlichen zur „Selbstwerdung zu verhelfen“. Dieses Ziel sollte den Schülern anhand „menschlicher Erfahrungen wie Liebe und Glück“ sowie den sozialen und politischen Dimensionen der Welt erschlossen werden.

Die Beschäftigung mit „biblischen Geschichten und der kirchlichen Überlieferung“ dürfte nur eine untergeordnete Rolle im Religionsunterricht spielen – und auch nur, um damit die „Identitätsfindung und Kritikfähigkeit“ der Schüler zu befördern. Außerdem sollten die biblisch-kirchlichen Wahrheiten nur in Form von „pluriformen Aussagen“ zur Sprache gebracht werden – ergänzt durch eine pluralistische Religionskunde über andere Konfessionen und Religionen.

Das Würzburger Synodenpapier spiegelt den rebellischen Zeitgeist der 68er und 70er Jahre wieder. Bei dem angestrebten Bildungsziel des Religionsunterrichts als diffuse Selbstverwirklichung der Kinder und Jugendlichen stellte man die kritische Distanz zu Glauben und Kirche in den Vordergrund. Mit dieser Methode wurden damals manche katholische Schüler, die noch kirchlich sozialisiert waren, von der Kirche entfremdet. Seither ist der Grundwasserspiegel des Glaubens in Elternhaus und Gemeinde weiter abgesackt. Für das Gros der Schüler hätte der konfessionelle Religionsunterricht seit Jahrzehnten die Aufgabe, bei einer Erstbegegnung mit Religion in den Glauben der Kirche einzuführen und zur Christwerdung der Schüler in katholischer Glaubensidentität beizutragen. Doch dazu ist das oben beschriebene Synoden-Konzept völlig ungeeignet. Der DKV scheint ziemlich realitätsblind zu sein, wenn er diese Diskrepanzen und Widersprüche mit Selbstbelobigungen zu übertünchen versucht.

Umstürzender Paradigmenwechsel: Selbstverwirklichung statt Katechese

Die katholischen Religionslehrer werden zwar von der Kirche ‚gesendet’ (missio canonica), aber sie sollen nicht den Glauben der Kirche und die christliche Lehre vermitteln, sondern soziale und religiöse Themen für die Selbstwerdung und Weltbegegnung der Schüler fruchtbar machen. Das biblisch-christliche Glaubenswissen soll nicht einmal im Sinne einer religionskundlichen Information eingebracht werden. Wenn aber das Grundwissen über die Inhalte der christlichen Religion nicht oder nur marginal gelehrt wird, kann natürlich auch „nichts hängenbleiben“.


Ein Blick auf den Lehrplan Katholische Religion für die Sekundarstufe I in Hessen bestätigt diesen Befund. Es ergibt sich dort das Paradox, dass bei der Zielsetzung des Religionsunterrichts als „Identitätsfindung und Lebensbewältigung junger Menschen“ die Orientierung auf religiöse Inhalte und Bekenntnisse keine Rolle spielt. Erst bei der Entfaltung des Lehrplans in fünf Themenfeldern werden christliche Inhalte herangezogen. Im Vordergrund stehen aber Lernbereiche mit nicht-christlichen Themen wie „Begegnung mit sich selbst, mit anderen Menschen und der Schöpfung“ sowie „mit anderen Religionen und Weltdeutungen“. Nachgeordnet stehen in den beiden letzten Begegnungsfeldern die „biblische Botschaft und die Kirche“ auf dem Lehrplan. Der Eindruck von Eltern, im Religionsunterricht würde vorwiegend Lebens- und Sozialkunde betrieben, hat hier seine Basis.

Das Würzburger Synodenpapier hatte einen umstürzenden Paradigmenwechsel eingeleitet: Der katholisch-konfessionelle Religionsunterricht sollte nicht mehr der pädagogisch aufbereitete Vermittlungsprozess vom unverkürzten Glaubensgut und dem Leben der Kirche sein (Katechese), sondern allein pädagogisch legitimiert werden aus den Erfahrungen des modernen – d. h. zeitgeistigen – Menschseins hin zu einer Lebensbewältigung. Dabei sollten dann auch biblische und kirchliche Traditionen reflektiert werden.

Existentielle Betroffenheitssprache im Jargon der 70er Jahre

Die zu diesem Ansatz passende Didaktik nannte das Synodenpapier „Konvergenzmodell„: Dort wo pädagogisch-anthropologische Begründungen, Erfahrungen und Zielsetzungen sich mit kirchlich-theologischen überschnitten, habe dieser Unterricht seinen Ort. Später führte man für dieses Verhältnis den Begriff „Korrelation“ ein.

Die Korrelationsdidaktik schreibt vor, die Inhalte von Bibel und Glaubenslehre so zu vermitteln, dass sie sich mit einer temporären gesellschaftlichen „Lebensrelevanz“ gegenseitig erschlössen. Andere Formulierungen dafür: wechselseitige Erschließung zwischen Lebenssituation der Schüler und den Glaubenstraditionen.

Dieses didaktische Konzept ist nicht zu verwechseln mit der anerkannten pädagogischen Methode, bei der Vermittlung von Lehrinhalten auf den Lebens- und Verstehenshorizont der Schüler einzugehen. Ein solches schülergerechtes Vorgehen bedeutet z. B., an bestehendes Wissen und die Interessen der Schüler anzuknüpfen oder einen gänzlich neuen Lerngegenstand vereinfachend und mit Vergleichen einzuführen. Keinesfalls aber darf eine didaktische Methode dazu führen, dass der Lernstoff selbst in seiner Substanz verändert oder verzerrt wird.

Bibel und kirchliche Lehre durch die Brille des Zeitgeistes gefiltert

Genau das geschieht aber bei der Korrelationsdidaktik:

Zum einen wirkt sich der Ansatz selektiv aus: Da mit solchen zentralen Glaubensthemen wie Erbsünde und Erlösung, Dreifaltigkeit und Gottessohnschaft Christi, Gericht und Wiederkunft keine „Lebensrelevanz und Erfahrungsräume der Schüler zu erschließen“ sind, kommen sie in den bischöflich genehmigten Lehrplänen des katholischen Religionsunterrichts nicht oder nur am Rande vor.
Zum anderen biegt man sich weitere Torheiten des Glaubens wie Wunder, Erlösungstod und Auferstehung ins moderne Verstehen zurecht. Wenn sie überhaupt Gegenstand des Unterrichts sind, werden sie in einen konstruierten Zeitgeisthorizont eingepasst, der als Interpretationsfilter der Lebensrelevanz fungiert. Dann wird z. B. der erlösende Kreuzestod Christi auf ein Solidaritätshandeln Jesu reduziert. Die Folge dieser dogmatischen Neu-Lehre ist dann aber, dass die fundamentalen Glaubenswahrheiten verwässert werden und damit erst recht an Lebensbedeutung für die Schüler verlieren.
Biblische Geschichten als Aufhänger für Sozialisationsthemen und …

EinFach Religion Tochter des Jairus
„EinFach Religion“
An einem Unterrichtswerk soll die Konzeption der religionspädagogischen Korrelationsdidaktik erläutert werden: In der Reihe „EinFach Religion“ werden die beiden biblischen Auferweckungsgeschichten von der Tochter des Jairus und dem Jüngling von Naim zu einer Unterrichtseinheit aufbereitet. Nach der Texterschließung der beiden Evangeliumserzählungen steht die Erarbeitung folgender Themen mit den Schülern an: „geschlechtsspezifische Zugänge zur Pubertät, moderne Geschichten vom Erwachsenwerden“ sowie „Motive des Aufstehens und Erwachens in Lyrik, Popmusik und Märchen“. Die biblische Geschichte wird bei diesem Vorgehen zu einem Aufhänger degradiert, um solche Themenkomplexe wie Sozialisation und Identitätsentwicklung im Kontext heutiger Zeit zu behandeln. Im Nachhinein muss den Schülern die Beschäftigung mit dem biblischen Text wie ein überflüssiger Einstieg vorkommen. Auch die Religionslehrer selbst machen sich mit der genannten Themenableitung überflüssig, denn für solche fachfremden Lehrgegenstände wie moderne Geschichten und Lyrik sind Deutschlehrer besser qualifiziert.

… Hinführung zu einer Verkehrung des Glaubensbekenntnisses

Die Kehrseite von der korrelationsdidaktischen Konzentration auf lebensrelevante Interpretationsmuster zu biblischen Erzählungen besteht darin, dass die theologischen Kernaussagen auf der Strecke bleiben – in diesem Fall die Erörterung von Krankheit und Tod als Folge der Erbsünde oder die Darstellung der Person Jesu Christi als Erlöser von Sünde und Tod. Ebensowenig werden diese Auferweckungswunder Christi als machtvolle Zeichen für die zukünftige Auferstehung gedeutet. Im Gegenteil – laut Lehrplan soll die „Auferstehung der Toten“ aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis in eine „Auferstehung der Lebenden“ verkehrt werden. So werden die großen biblischen Themen und die spezifisch christlichen Inhalte zu Alltagsgeschichten banalisiert nach der Art: „Auferstehung als Lebenskunst, Aufstehen als Lebensprinzip“ – beides Zitate aus dem Mittelstufenlehrplan katholische Religionslehre.

Der Horizont der Transzendenz wird eher verschüttet als geöffnet …

"Auferstehung als Lebenskunst", hier als Buch der Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Bischofskonferenz
„Auferstehung als Lebenskunst“?, hier bspw. als Buch der Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der DBK
Der langjährige Religionslehrer Jakob Knab bezeichnet es als das Spezifische des Religionsunterrichts, die grundlegenden Sinn- und Existenzfragen wachzuhalten – so in der Tagespost vom 1. 8. 2015. Horkheimer zitierend, nennt er als Beispiele die Sehnsucht nach vollendeter Gerechtigkeit, die Hoffnung der Religion, dass das „Unrecht dieser Welt nicht das letzte Wort haben wird“ sowie den Glauben daran, dass „Gott Heil und Frieden bringt, den die Welt nicht geben kann“. Es scheint aber so, dass der Religionsunterricht nach Lehrplan diese Sehnsucht nach einem Leben im Horizont der Transzendenz eher verschüttet als fördert. Jedenfalls werden die biblischen Geschichten nicht wirklich als Türöffner für Gottesglauben und Transzendenzerfahrung vermittelt, sondern eben nur für praktische Lebensrelevanz, Identitätsfindung oder soziale Themen.



… an Ufos glauben mehr Menschen als an das Jüngste Gericht


Ist es bei einem solchen Religionsunterricht verwunderlich, dass nur ein Drittel der Deutschen an die wirkliche Auferstehung Christi glaubt, wie Kardinal Rainer Maria Woelki kürzlich in einer Predigt feststellte? 60 Prozent glaubt nicht an ein ewiges Leben. An Ufos glauben in Deutschland mehr Menschen als an das Jüngste Gericht. Im Religionsunterricht jedenfalls gilt der Glaube an Gottes Gericht korrelationsdidaktisch als nicht vermittelbar. Der Ausfall der Glaubensweitergabe im Reli-Unterricht dürfte eine Basis dafür sein, dass sich „die gemeinsamen Glaubensinhalte (der Kirche) weitgehend in Luft aufgelöst haben“, wie der Kölner Kardinal resümierte.

Was soll hängen bleiben, wenn kaum Kirchlich-Religiöses gelehrt wird?

Ähnlich sieht es bei den kirchlichen Themen im Begegnungsfeld V aus. Nicht vorgesehen im Religionsunterricht sind die Behandlung des Kreuzzeichens als Kurzformel vom dreieinen Gott, des Glaubensbekenntnisses, der Zehn Gebote, des Vater unsers, der sieben Sakramente oder des Aufbaus der hl. Messe. Die kirchlichen Hochfeste Weihnachten, Ostern und Pfingsten sollen nur in ihrem kulturellen Niederschlag als Brauchtum mit Riten und Symbolen erläutert werden, nicht in ihrem biblisch-kirchlichen Gehalt. Damit wird auch die Eingangsfeststellung erklärlich, warum den meisten Absolventen des Religionsunterrichts die biblischen Grundlagen der Hochfeste nicht bewusst ist. Die Sakramente der Taufe und Firmung sollen nur als „Symbole für die Aufnahme in die Gemeinschaft“, also als Initiationsriten gelehrt werden. Verkürzt werden das Ehesakrament und die kirchliche Ehelehre dargestellt.

Bischof Heinz Josef Algermissen von Fulda sagte vor einiger Zeit in einem Interview zu dem „Drama der Kirchenaustritte„: „Bei meinen Besuchen und Gesprächen stelle ich fest: Das Glaubenswissen ist auf einem erschreckend niedrigen Niveau angekommen. Ich bin seit 46 Jahre Priester und muss sagen: Der Grundwasserspiegel des Glaubens war noch nie so tief wie im Augenblick.“ Die grundlegenden Glaubenswahrheiten müssten neu vermittelt werden. Mit dem Interviewer stimmte er darin überein, dass es bei dem schleichenden Glaubensverlust keine Therapie geben könne ohne die Vermittlung von Glaubensinhalten, also Katechese. An der Glaubensverdunstung hat sicherlich auch der oben beschriebene Religionsunterricht ihren Anteil. Und bei der Therapie wird man um eine Rückbesinnung in der schulischen Religionslehre auf die Kernthemen des Glaubens nicht umhin kommen.


Die Verdunstung des Glaubens wird im RU konzeptionell betrieben

Als Resümee ist festzuhalten: Bei den biblischen und kirchlichen Themenfeldern vermittelt der Religionsunterricht wenig religiöses Glaubenswissen im Bezugsrahmen des kirchlichen Glaubensbekenntnisses. Es findet keine Vertiefung der Glaubenslehre statt. Die Themen biblischer und kirchlicher Tradition werden vielfach zum Ausgangsmaterial abgewertet, um den Kindern und Jugendlichen zu Selbstwerdung zu verhelfen. Durch diese instrumentelle Form der Religionsvermittlung werden die Schüler eher vom Glauben der Kirche weg- als hingeführt. Bei den drei weiteren, nicht spezifisch christlichen Themenfeldern strebt man die Zielsetzung der anthropologischen Identitätsfindung direkt an. Die Erfahrung, dass nach zehn oder dreizehn Jahren Religionsunterricht nichts hängen bleibt, beruht also darauf, dass erstens religiöses Grundwissen nur marginal vermittelt wird. Darüber hinaus werden die Kernaussagen des Christentums in sozial-anthropologische Dimensionen aufgehoben im doppelten Sinne. Die oft beklagte „Verdunstung des Glaubens“ wird im Religionsunterricht konzeptionell betrieben. Denn der Religionsunterricht ist entkernt, er ist hohl bezüglich seines christlich-religiösen Zentrums. Diese Aussagen gelten für die strikte Anwendung des Lehrplans – einzelne Lehrpersonen mögen entgegen den Vorgaben durchaus einen glaubens- und kirchentreuen Religionsunterricht halten.

Christliche Schüler sind gegenüber muslimischen Jugendlichen die Dummen

Man fragt sich, wie die christlichen Schüler angesichts des Mangels an Grundwissen über ihren Glauben etwa im Dialog mit gebildeten Muslimen bestehen sollen. Bei Zunahme des islamischen Religionsunterrichts an Schulen werden muslimische Schüler bald deutlich gefestigter in ihrer Glaubenslehre stehen als christliche. Wenn dann Muslime Christen (entsprechend von Koranaussagen) damit konfrontieren, dass sie drei Götter anbeten würden, werden die Christen-Schüler ratlos dastehen. Sie können über ihren Glauben keine Rechenschaft abgeben. Denn das Glaubensbekenntnis und die Lehre vom dreieinigen Gott waren und sind keine offiziellen Themen in 13 Jahren Religionsunterricht.

Im krassen Gegensatz zum Konzil

Mit dem Ansatz, die Glaubenslehre der Kirche nur marginal und in distanziert-pluralistischer Sichtweise zu vermitteln, steht das Synodenpapier auch im krassen Gegensatz zu den entsprechenden Konzilsdokumenten. Mit der Erklärung „Gravissimum educationis“ hatte das Vaticanum II eine Instruktion über die christliche Erziehung verabschiedet. In dem Papier sind die Prinzipien der Katechese entfaltet. Diese Konzilserklärung wurde in dem Würzbürger Synodenpapier nicht einmal erwähnt, geschweige denn berücksichtigt.

Im Jahre 1982 analysierte Kardinal Joseph Ratzinger in einem Vortrag vor französischen Bischöfen „die Krise der Katechese“ und zeigte „Wege zu ihrer Überwindung“ auf. Damals kritisierte der Glaubenspräfekt die Abschaffung des Katechismus und drängte darauf, den Glauben an die junge Generation unverkürzt weiterzugeben. Ausgehend vom Glaubensbekenntnis zum dreieinen Gott sowie in der heilsgeschichtlichen Entfaltung von Schöpfung, Sündenfall, Erlösung und Vollendung müsste wieder größerer Wert auf die Vermittlung von Glaubensinhalten gelegt werden. Mit dem Jugendkatechismus YOUCAT liegt inzwischen ein Orientierungsrahmen dafür vor. Der aber wird für den Religionsunterricht weitgehend boykottiert.



Päpstliche Richtlinien gegen die Glaubensverdunstung …

Papst Benedikt XVI. gab nach diesen Überlegungen beim Ad-limina-Besuch im November 2006 den deutschen Bischöfen einige Instruktionen mit auf den Weg:

Die Curricula für den Religionsunterricht sind an der Lehre der Kirche auszurichten, wie sie im Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt ist.

Ziel muss es sein, im Laufe der Schulzeit das Ganze des Glaubens und der Lebensvollzüge der Kirche schülergerecht zu vermitteln.

Die ganzheitliche und verständliche Darstellung der Glaubensinhalte muss der wesentliche Entscheidungspunkt bei der Genehmigung von Lehrbüchern sein.

Der Inhalt der Katechese darf gegenüber der didaktischen Methode nicht in den Hintergrund treten. (Gemeint ist die Methode der Korrelationsdidaktik.)

Diese päpstlichen Kriterien waren deutliche Ermahnungen, den Religionsunterricht künftig an der Glaubensweitergabe zu orientieren und eine entsprechende Kurskorrektur einzuleiten.

… von den deutschen Bischöfe in den Wind geschlagen


Die deutschen Bischöfe dagegen haben weder die päpstlichen Weisungen aufgenommen noch irgendwelche Überarbeitungen eingeleitet. Im Gegenteil. Man boykottierte auch in diesem Fall die päpstlichen Instruktionen. Bischof Bode hatte schon im Vorfeld in einem Interview mit Radio Vatikan dem Papst vorschreiben wollen: „Wir erwarten Ermutigung durch den Papst und keine Diskussionen über Probleme„. Das Wort „Ermutigung„ gebrauchten auch andere Bischöfe in ihren anschließenden Presseerklärungen, um damit die Papstansprache zu konterkarieren.

Besonders schlitzohrig äußerte sich der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann von Mainz:
Die Ansprache des Papstes sei als „Ermutigung zu verstehen, unseren Einsatz für den konfessionellen Religionsunterricht in der Schule konsequent fortzusetzen“. Damit wurde die Kritik Benedikts an einem nicht-katechetischen Religionsunterricht mit nur marginaler Vermittlung der Glaubenslehre in eine Ermutigung zum „Weiter so wie bisher“ umgedeutet.


Geschehen ist seit dem vorletzten Ad-limina-Besuch in Rom nichts. Der glaubens- und kirchendistanzierte Religionsunterricht wird ohne Korrekturen weitergeführt. Seit der päpstlichen Anregung sind wieder zehn Jahrgänge von katholischen Schülern entlassen worden, die nur rudimentäre Kenntnisse von ihrem Glauben haben.

Deutsche Bischofskonferenz....DBK-Parole: Weiter so wie seit 40 Jahren

Auf der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda 2012 wurde das verfehlte Konzept des glaubensfernen Religionsunterrichts als Nicht-Katechese noch einmal bekräftigt: Man schwelgte im Jargon der 70er Jahre und betete die längst überholten Thesen von Betroffenheits- und Erschließungspädagogik nach.

Offensichtlich ist bei den deutschen Bischöfen die Einsicht in die Krise des Religionsunterrichts noch gar nicht angekommen. Oder verschließen sie bewusst die Augen vor der desaströsen Bilanz in der Vermittlung von Glaubenswissen und -treue bei der katholischen Schuljugend?

Gebt dem Synodenpapier endlich den Abschied

Schulbischof Becker sollte einmal mit dem realistischen Blick seines Mitbruders Bode den Religionsunterricht wahrnehmen: „Es bleibt nichts hängen“. Nach dieser Bankrott-Erklärung müsste die Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Religionsunterricht eine ähnlich schonungslose Analyse und Bilanz erstellen, wie sie die Bischöfe Woelki und Algermissen für das Glaubenswissen der Katholiken umrissen haben (siehe oben).

Nach der Ursachenforschung werden die Bischöfe nicht umhin kommen, dem schon lange überholten Synodenpapier seinen Abschied zu geben. Damit dürfte auch klar sein, dass man das religionspädagogische Dogma des nicht-katechetischen Unterrichts hinterfragen muss. Denn das veraltete Synoden-Konzept der 70er Jahr ist der Wurzelgrund für den kompletten Ausfall des katholischen Religionsunterrichts als Vermittlung der Glaubenslehre. Danach sollte man unter Berücksichtigung der konziliaren und päpstlichen Orientierungen der letzten Jahrzehnte …

„Glaube und Leben“ von Bischof Andreas Laun
einige schlichte Wahrheiten als Grundprinzipien aufstellen:

Das Ziel des katholischen Religionsunterrichts ist die Einführung in die biblisch fundierte Glaubenslehre der Kirche – und nicht die glaubensferne Identitätsfindung der Kinder und Jugendlichen wie etwa im Fach Ethik.

Das Curriculum für die 10 bzw. 13jährige Schulzeit sollte das Ganze des Glaubens und der Lebensvollzüge der Kirche umfassen – etwa orientiert am Jugendkatechismus YOUCAT.

Der Lehr- und Lernstoff des Religionsunterrichts ist zu vermitteln nach den anerkannten pädagogischen Prinzipien einer schülergerechten und jahrgangsgemäßen Didaktik, die den Lebens- und Verstehenshorizont der Schüler und Schülerinnen berücksichtigt. Damit sollte dann auch das Kapitel Korrelationsdidaktik begraben werden.

Auf dieser Basis müsste dann die bischöfliche Schulkommission einen neuen Grundlagenplan erstellen, von dem aus die Curricula für die einzelnen Schulstufen und –formen entwickelt werden. Das Synodenpapier war in der Theologie der Bibel an Rudolf Bultmann orientiert; das neue Konzept könnte sich etwa auf die Jesus-Bücher von Papst Benedikt stützen. Es ist ein Glücksfall, dass für diese Kurskorrektur schon eine erste erprobte Schulbuchreihe existiert, nämlich das achtbändige Werk Glaube und Leben, konzipiert und herausgegeben vom Salzburger Weihbischof Andreas Laun.

Die Bischöfe dürfen ihre Verantwortung nicht abschieben

Bei diesem Vorgehen müssen die Fehler der Vergangenheit korrigiert werden: Das Synodenpapier von 1974 hatten Professoren erstellt – ohne Rücksicht auf Konzil, Kirche und Glaubenslehre. Die mehrheitlich von Laien besetzte Synode erteilte dann den Bischöfen den Auftrag zur Umsetzung. Die ihrerseits schoben ihre Verantwortung auf Lehrplan-Kommissionen, Schulbuchexperten und Schulabteilungsleiter ab. Was die vorlegten, haben die Bischöfe dann meistens „durchgewunken“.

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… statt Hubertus Halbfas.
Bis zur Jahrtausendwende hatten die Bischöfe die Genehmigung von Reli-Büchern gänzlich auf eine Kommission delegiert. Aber auch seither nehmen die Bischöfe ihre aufgetragene Verantwortung nicht ausreichend wahr. Das lässt sich an dem Beispiel nachweisen, wie die ungläubigen Halbfas-Religionsbücher in den meisten deutschen Diözesen den Genehmigungsstempel erhielten. Ein Ordinariatsleiter gab unumwunden zu, er habe das – auch nach seiner Ansicht – bedenkliche Unterrichtswerk durchgewunken. Ein Erzbischof jammerte nach seiner Unterschrift, er könne doch seiner Schulabteilung nicht in den Rücken fallen. Wenn sich aber die bischöflichen Sekretariate selbst ernsthaft mit dem Buch beschäftigt hätten, dann wären sie zu einem anderen Urteil gekommen – wie der Generalvikar des Bistums Fulda: Wenn man auf dem Boden der Kirche steht, kann man dieses Buch in der Sekundarstufe I nicht benutzen. Es ist geeignet, den Kindern jeglichen Glauben auszutreiben. Das Buch vertritt nicht die Lehre der Kirche. Bischof Algermissen verweigerte daher seine Unterschrift zur Neuauflage des Halbfas-Buches. Doch da man es bei den anderen drei Diözesen des Landes Hessen (Mainz, Limburg, Paderborn) durchwinkte, war Fulda überstimmt. Das Buch konnte als bischöflich genehmigt gelistet werden.

Bei der notwendigen Neuausrichtung des Religionsunterrichts wird es entscheidend sein, dass die Bischöfe das Konzept in der Hand behalten und nicht an vermeintliche Experten-Kommissionen abgeben. Die bischöflichen Glaubenswächter sind sowohl von Seiten des Staates wie auch der Kirche für Lehrplan, Lehrbücher und Einstellung der Religionslehrer allein zuständig. Sie müssen die Direktiven für die genannten Bereiche ausgeben und tragen die Verantwortung für deren Umsetzung. Das gilt für die einzelnen Diözesen und ihre Schulabteilungen, die Bischöfe der Bundesländer bezüglich der Lehrpläne sowie die Deutsche Bischofskonferenz. Deren dringende Aufgabe wird es sein, den Grundlagenplan für den schulischen Religionsunterricht zu revidieren. Erst wenn die Bischöfe Inhalt, Umfang und Leitlinien der katholischen Religionslehre bestimmt haben, sollten die Experten für Didaktik und Religionspädagogik einbezogen werden.

Gegen eine glaubenstreue Neuausrichtung des Religionsunterrichts wird Widerstand zu erwarten sein, insbesondere von Professoren für Religionspädagogik. Seit der betont kirchen- und glaubensfernen Fundamentalkatechetik von Hubertus Halbfas haben sich viele Theologen in der existentialen Religionspädagogik des Synodenpapiers selbstzufrieden eingerichtet – ähnlich wie der DKV, der Halbfas jahrzehntelang als Mentor ansah.

Auch von den Schulabteilungen der bischöflichen Ordinariate wird Gegenwind kommen. Die personell gut ausgestatteten Schulressorts sehen gewöhnlich im System des gegenwärtigen Religionsunterrichts keinen Reformbedarf. Zu einer kritischen Anfrage bei dem Schuldezernat des Schulbischofs der Deutschen Bischofskonferenz kam die Antwort: Der Religionsunterricht sei nur dazu da, „Sinnangebote“ zu machen. Von einem Vertreter der Münchner Schulabteilung wurde ein Religionslehrer angeherrscht, er solle seinen Unterricht nicht so jesuszentriert gestalten.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich mehrfach optimistisch zur Zukunft der Kirche geäußert, sogar die Vision einer großen Zukunft vorgestellt. Wenn aber die katholische Jugend keine tragende Basis in Glauben und Kirche hat, dann wird er seine Träume begraben müssen. Marx steht daher als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in der Verantwortung, die unumgängliche Kurskorrektur beim katholischen Religionsunterricht einzuleiten.


*Hubert Hecker, pensionierter Oberstudienrat mit dreißig Jahren Unterrichtserfahrung in katholischer Religionslehre an allen Klassenstufen eines hessischen Gymnasiums.
http://www.katholisches.info/2016/04/11/...s-eine-analyse/
Bild: DKV/Wikicommons/Verlage (Screenshots)





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