„Aktion Neue Nachbarn“: Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln
Kleiner Flüchtling - AFP
04/05/2016 08:00 Auf die „Flüchtlingskrise“ war das Erzbistum Köln schon vorbereitet, als es sie (fast) noch gar nicht gab: Schon im November 2014 lud der neue Erzbischof, Kardinal Woelki, sein Erzbistum zu einer Willkommenskultur für Flüchtlinge ein. „Und danach gab es dann ja erst diese richtig große Flüchtlingsbewegung hin nach Europa – und wir waren, als dann im Sommer 2015 die Flüchtlinge kamen, als katholische Kirche im Erzbistum Köln eigentlich schon gut aufgestellt!“
Das sagt Klaus Hagedorn, der Koordinator für Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln. „Wir hatten damals schon Unterstützungssysteme aufgebaut für die Gemeinden, die ehrenamtlichen und die hauptamtlichen Kräfte, so dass wir schon einigermaßen gerüstet waren für das, was sich 2015 dann abgespielt hat.“
Die neue Massenmigration brachte Zehntausende von Menschen ins Erzbistum, darunter viele aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten. Im Schatten der Domtürme reagierte man darauf mit der „Aktion Neue Nachbarn“: Hier werden die Initiativen für die Ankömmlinge gebündelt. Die Spannweite reicht von Willkommensfesten bis zu Ferienprogrammen, die von den Kirchengemeinden für Flüchtlinge auf die Beine gestellt werden.
„Es gibt Theaterprojekte –in Köln beispielsweise mit einem sehr bekannten Pantomimen, der hier mit Flüchtlingen arbeitet. Es gibt Tanztheaterprojekte, die sehr engagiert über Wochen mit den Flüchtlingen ein Programm einstudieren und dann zu Aufführungen gelangen. Es gibt Gartenbauaktionen – die finde ich auch besonders faszinierend – wo mit Flüchtlingen wirklich im Boden gewühlt, angepflanzt und am Ende des Jahres geerntet wird. Es gibt ganz viele Radfahrprojekte, also Steigerung der Mobilität von Flüchtlingen – und es gibt auch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen, die in eine politische Richtung gehen, um Flüchtlingen in der Öffentlichkeit ein Gesicht zu geben.“ Nach der Silvesternacht: „Jetzt erst recht!“
Nach den Geschehnissen der unseligen Silvesternacht auf der Kölner Domplatte hat sich die Stimmung in den Medien und „in einer plötzlich wahrnehmbaren Öffentlichkeit“ gedreht, sagt Hagedorn. „Die Stimmung hat sich nicht gedreht bei den knapp 20.000 Engagierten in den Kirchengemeinden und nichtkirchlichen Initiativen, die hier im Erzbistum Köln engagierte Flüchtlingshilfe leisten. Die haben gesagt: Jetzt erst recht! Denn sie hatten mit ihren guten Erfahrungen in ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit den Flüchtlingen überhaupt keine Veranlassung, jetzt zurückzustecken und zu sagen: Wir haben jetzt plötzlich eine andere Haltung.“ Wie man mit Flüchtlingen umgehe, das sei eine „Haltungsfrage“, formuliert Hagedorn. „Wir können nur konstatieren, dass unsere Gemeinden und die Ehrenamtlichen in den Gemeinden überhaupt nicht nachgelassen haben, sich zu engagieren!“
Die Angebote und Hilfen für Flüchtlinge richten sich ausdrücklich an alle ohne Unterschied der Religion. Auch muslimische Flüchtlinge nehmen sie offenbar sehr gerne an. „Wir können überhaupt nicht feststellen, dass Menschen irritiert sind, weil wir oder unsere Ehrenamtlichen mit einem christlichen Hintergrund auf alle Menschen gleichermaßen zugehen. Das ist nicht feststellbar.“ Die Offenheit sei auch die erklärte Politik des Kölner Generalvikariats: „Wir haben zum Beispiel selber im letzten Jahr einen Ausbildungsplatz mit einer Flüchtlingsfrau mit muslimischem Hintergrund eingerichtet und besetzt.“
In unserem Interview mit Klaus Hagedorn haben wir ihn natürlich auch zur Papstreise auf die griechische Insel Lesbos befragt. Es hat innerkirchlich auch etwas Unmut gegeben, dass Franziskus nur muslimische und keine christlichen Flüchtlinge mit nach Rom zurückgebracht hat. Hagedorn sieht das anders. „Als ich das gehört habe, habe ich gedacht: Was für ein tolles Statement!“ Das liege auf einer Linie mit der Einstellung des Kölner Erzbistums, dass man eben „nicht nur für christliche Flüchtlinge“ da sei. „Wir sorgen uns sehr um christliche Flüchtlinge;
es gibt hier Arbeitskreise, die daran arbeiten, wie wir Kontaktmöglichkeiten für Christen in Großunterkünften noch besser gestalten können, als wir das bisher machen. Wie können wir auch fremdsprachliche Angebote zu den Glaubensgemeinschaften tragen, die hier in Deutschland existieren, um dort Kontakte herzustellen?“ Trotzdem, das Signal des Papstes finde er „toll“, sagt Hagedorn: „Einfach als Christen offen auf alle Menschen zuzugehen, egal welcher Abstammung, Religion, sexuellen Orientierung oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen.“ „Na klar – macht mit!“
Insgesamt sei die katholische Kirche in den letzten Monaten angesichts der sogenannten Flüchtlingskrise „lebendiger geworden“, stellt Hagedorn fest: „Es gibt viele Leute, die sich den gemeindlichen Initiativen anschließen und die bei uns anrufen und sagen: Ich bin vor zwei Jahren aus der Kirche ausgetreten, aber das, war ihr in der Flüchtlingskrise macht, finden wir sensationell, und da wollen wir mitmachen! Und wir sagen: Na klar – macht mit!“ Die Kirche erreiche hier eine „Lebendigkeit, die ihr bei vielen Menschen vielleicht längerfristig ein „gutes Gesicht“
zurückgebe. Und es zeige sich auch „eine neue Form der Ehrenamtlichkeit“: Die Menschen engagierten sich mit ihren jeweiligen Kompetenzen. „Es gibt die, die ehrenamtlich Sprachkurse anbieten; andere, die als Übersetzungshelfer tätig sind; wieder andere, die technisch versiert sind und schlicht und einfach eine Homepage für eine Flüchtlingsinitiative aufbauen und die betreuen.“ Manchmal sei die Arbeit der Ehrenamtlichen ganz schön fordernd – dafür hat das Erzbistum unter anderem ein Angebot spiritueller Begleitung für sie entwickelt.
Hagedorn ist nicht nur Koordinator für Flüchtlingshilfe: Er arbeitet im „Bischofsvikariat für die Armen und Caritas“. Und es ist ihm ein Anliegen, dass bei bedürftigen Deutschen jetzt nicht Neid aufkommt nach dem Motto: Für Flüchtlinge tun die alles, und für uns ist kein Geld da. „Wir achten darauf, dass wir beim Thema Wohnraumversorgung nicht nur Flüchtlinge in die Lage versetzen, ordentlichen Wohnraum beziehen zu können, sondern durchaus auch andere Personengruppen in den Blick nehmen, die am Rande der Gesellschaft stehen.“
Bei der in Deutschland tobenden Flüchtlingsdebatte wird Hagedorn „immer dann allergisch, wenn es Pauschalierungen gibt“. „Wenn man auf Flüchtlinge schaut, dann muss man auch immer die einzelnen Personen sehen. Sobald ein Mensch einen Flüchtling persönlich in seinem Umfeld kennenlernt, als Mensch kennenlernt, verfliegen sämtliche Vorurteile, die man gegenüber einer Masse möglicherweise hat.“ (rv 03.05.2016 sk) http://de.radiovaticana.va/news/2016/05/...C3%B6ln/1227144
Beliebteste Blog-Artikel:
|