29.05.2016
Tausende Gäste beim Abschlussgottesdienst des 100. Katholikentages © Jan Woitas (dpa)
Sachsens Ministerpräsident zieht positive Bilanz zum Katholikentag "Leipziger sind wachgeküsst worden"
Unmittelbar nach dem Abschlussgottesdienst des Katholikentages in Leipzig hat Sachsens Landesvater, Ministerpräsident Stanislaw Tillich, im domradio.de-Interview seine Bilanz gezogen - "ein großes Fest der Freude".
domradio.de: Herr Ministerpräsident, Sie sind ja selbst katholisch. Wie haben Sie das denn wahrgenommen in den letzten Tagen? Was war Ihr persönliches Highlight?
Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Es war ein großes Fest der Freude. Der Eröffnungsgottesdienst genauso wie der Abschlussgottesdienst waren sicherlich für jeden Katholiken das Highlight. Aber auch die vielen Gespräche und Begegnungen, die vielen fröhlichen und lockeren Menschen, die sich einfach darauf freuen, andere zu treffen und mit ihnen zu diskutieren - natürlich auch streitig über die Themen, die uns alle bewegen.
domradio.de: Das war naürlich etwas ganz Besonderes mit dem 100. Katholikentag ausgerechnet nach Leipzig zu gehen. Hier ist nur jeder Fünfte überhaupt Christ und die Katholiken machen einen noch geringeren Anteil aus. Wie haben Sie das Aufeinandertreffen einer überwiegend säkularen Gesellschaft mit den Katholiken wahrgenommen?
Tillich: Das ist natürlich eine Tatsache, dass so wenig Menschen katholisch oder evangelisch sind. Aber wir dürfen nicht vergessen: Es gab 40 Jahre DDR, 40 Jahre Sozialismus und eine Kirche, die unterdrückt wurde. Und manch ein Leipziger ist wieder wachgeküsst worden und hat Interesse gefunden an dem, was Katholiken oder auch Christen überhaupt tun, wie sie leben und was sie an und für sich in ihrem Leben führt. Vielleicht kommt jetzt der ein oder andere jetzt öfter zum Gottesdienst.
domradio.de: Was würden Sie sagen unter dem Eindruck der letzten Tage: Welche gesellschaftliche Kraft hat Kirche oder sollte Kirche haben?
Tillich: Kirche muss immer wieder aktuell sein. Das ist sie auch letztendlich gewesen, wenn man sich anschaut, was hier in den Diskussionen stattgefunden hat. Das Thema Flüchtlinge ist eines der wichtigen Themen, aber auch dass wir viel über Dialog geredet haben. Nämlich die Fähigkeit miteinander zu sprechen, einander zuzuhören, Themen auszudiskutieren und sich dann auf einen gemeinsamen Weg zu verständigen. Das ist etwas, was in der Gesellschaft in den letzten Wochen und Monaten etwas kürzer gekommen ist und dazu hat der Katholikentag auch eine deutliche Botschaft gesendet: Wir können es.
domradio.de: Sie sprechen die Dialogbereitschaft an. Im Vorfeld hat für Gesprächsstoff gesorgt, dass die AfD ausgeladen wurde. Wie bewerten Sie das?
Tillich: Es ist eine Entscheidung, die getroffen worden ist. Und wenn man diese Entscheidung einmal getroffen hat, dann muss man auch zu ihr stehen. Wir sagen immer: Man muss mit denjenigen, die die AfD wählen natürlich in die Diskussion gehen. Ansonsten ist für mich als Politiker die AfD natürlich ein politischer Wettbewerber, mit der ich mich auch auseinandersetze. Und der Katholikentag ist nicht dafür da, sich über politische Programme auseinanderzusetzen. Von daher ist es eine Entscheidung, die man respektieren muss.
Das Interview führte Martin Korden.
Hintergrund: Katholikentag
Deutsche Katholikentage sind Treffen, bei denen sich die Kirche mit ihren Verbänden und Institutionen über mehrere Tage der Öffentlichkeit präsentiert. Sie finden in der Regel alle zwei Jahre in wechselnden Städten statt. Zuletzt war 2014 Regensburg an der Reihe, den 100. Katholikentag wird es Ende Mai in Leipzig geben, der 101. Katholikentag soll 2018 in Münster stattfinden.
Bei Katholikentagen diskutieren zehntausende Christen über kirchliche und gesellschaftspolitische Themen und feiern Gottesdienste. Veranstalter ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Gastgeber ist das jeweilige Bistum des Austragungsortes, in Leipzig also das Bistum Dresden-Meißen.
Die Geschichte der Katholikentage reicht bis 1848 zurück. Von ihnen gingen immer wieder Impulse aus, etwa für die Entwicklung einer katholisch-sozialen Bewegung oder für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. In nationalsozialistischer Zeit gab es keine Katholikentage. Das 1933 geplante Treffen wurde abgesagt, nachdem es von einer "Treueerklärung für Führer und Reich" abhängig gemacht worden war. Zuletzt prägten zahlreiche Teilnehmer mit ihrem Eintreten für Frieden und Umweltschutz sowie für ökumenische Fragen die Treffen.
Neben den Katholikentagen und den Evangelischen Kirchentagen - ebenfalls im Zwei-Jahres-Rhythmus - gab es bisher zwei Ökumenische Kirchentage: 2003 in Berlin und 2010 in München. Der nächste wird nach aktuellem Stand der Planungen vermutlich erst im Jahr 2021 stattfinden. (kna/Stand 23.05.16)
(dr)
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