Schwerbehindertenausweis - wer bekommt ihn? Von Dr. med. Johannes Pichler, Facharzt für Neurologie stift, tabelle © PhotoDisc
Schwerbehinderung in Graden
Jeder Mensch, der einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 Prozent nachweisen kann, gilt als schwerbehindert (nach Sozialgesetzbuch IX) und hat einen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Der GdB wird danach definiert, wie sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alltag auswirken. Er wird in Zehnergraden von 20 bis 100 gestuft. Einzelne Beeinträchtigungen werden nur aufgenommen, wenn sie für sich allein einen GdB von mindestens 10 ausmachen.
Zeigen sich über mehr als sechs Monaten dauerhafte Beeinträchtigungen in allen Bereichen des täglichen Lebens, können Sie die Anerkennung auf Schwerbehinderung beantragen. Dieser Status bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich - finanzieller und praktischer Natur. Deshalb sollte jeder Pflegebedürftige überprüfen, ob er die Voraussetzungen für die Schwerbehinderung erfüllt und ob er vom Ausweis profitieren kann.
Ausweis beantragen
Internet-Tipp Eine Liste der deutschen Versorgungsämter bietet: www.versorgungsaemter.de/ Versorgungsaemter_index.htm Seit dem 1. Januar 2013 kann ein Ausweis im Scheckkartenformat ausgestellt werden. Meist bearbeiten die Versorgungsämter die Anträge auf Schwerbehinderung. Ansonsten gibt es Ansprechpartner bei den örtlichen Fürsorgestellen, Sozialämtern oder kommunalen Bürgerbüros. Versorgungsämter und Gemeinden bieten häufig Merkblätter und Antragsformulare, um den Prozess zu erleichtern. Den Ausweis können Sie in vielen Bundesländern im Internet beantragen.
Theoretisch können Sie den Antrag auch formlos stellen. Sie müssen darin alle bestehenden Behinderungen auflisten. Fügen Sie dem Antrag nach Möglichkeit Kopien der aktuellen Berichte des behandelnden Arztes, der letzten Krankenhausbriefe und möglicher Gutachten bei. Stehen keine medizinischen Unterlagen zur Verfügung, sollten alle Ärzte, Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken angeben werden, die ein Gutachten oder Attest ausstellen könnten. Hierfür müssen die (ehemals) behandelnden Ärzte im Antrag schriftlich von der Schweigepflicht entbunden werden.
Prüfen und entscheiden
Das Versorgungsamt gibt - sofern notwendig - ein Gutachten in Auftrag. Ansonsten beurteilen die Ärzte des Versorgungsamtes auf der Grundlage der vorliegenden Arztberichte. Nach Auswertung aller Dokumente legen sie den GdB fest und entscheiden über die Anerkennung als Schwerbehinderter. Die Gültigkeit des Ausweises ist in der Regel auf fünf Jahre befristet.
Merkzeichen im Ausweis
Neben dem Passfoto, der ausstellenden Behörde, dem Gültigkeitszeitraum und dem GdB stehen auf dem Behindertenausweis auch so genannte Merkzeichen. Sie geben über die praktischen Auswirkungen der Behinderung Auskunft. Pflegebedürftige finden in ihrem Ausweis häufig die Merkzeichen G, aG, B, H, RF, Bl und Gl.
» G: Erhebliche Gehbehinderung: Das Merkzeichen G beschreibt eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Das heißt, dass der Behinderte die Wegstrecken in seinem Stadtteil nicht zu Fuß zurücklegen kann. Es kommt dabei nur auf die Entfernungen an, nicht auf lokale Besonderheiten wie unebene Bodenbeschaffenheit auf den Wegen rund ums Wohnhaus. Altersbedingte Einschränkungen des Gehvermögens werden nicht berücksichtigt.
» aG: Außergewöhnliche Gehbehinderung: Als außergewöhnlich gehbehindert gelten zumeist Rollstuhlfahrer, beispielsweise nach beidseitiger Ober- oder Unterschenkelamputation oder Querschnittslähmung.
» B: Zu ständiger Begleitung berechtigt: Das Merkzeichen B erhalten diejenigen, die ohne ständige Begleitung nicht in der Lage wären, öffentliche Verkehrsmittel ohne Gefahren für sich und andere zu nützen.
» H: Hilflosigkeit: Wer bei lebensnotwendigen Tätigkeiten wie Essen oder Trinken über mindestens sechs Monate dauerhaft fremder Hilfe bedarf, erhält das Merkzeichen H. Die Voraussetzungen sind denen für eine Einstufung in die Pflegestufe 3 der Pflegeversicherung ähnlich.
» RF: Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht: Menschen, die das Haus praktisch nicht mehr verlassen können und über einen GdB von mindestens 80 verfügen, werden von den Rundfunkgebühren befreit. Solange der Besuch öffentlicher Veranstaltungen in Theatern, Kinos, Kirchen, Restaurants oder Sportveranstaltung mit technischen Hilfsmitteln oder der Unterstützung einer Begleitperson möglich ist, wird dieses Merkzeichen nicht eingetragen.
» Bl: Blind: Ein Mensch mit diesem Merkzeichen ist blind, hochgradig sehbehindert oder sehgeschädigt aufgrund einer Hirnfunktionsstörung (cerebral blind).
Gl: Gehörlos
Die Voraussetzung für dieses Merkzeichen ist die Taubheit beider Ohren oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, wenn zusätzlich schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Wortschatz) vorliegen.
Vorteile für Schwerbehinderte
Wenn ein Schwerbehindertenausweis erteilt wird, können Patient und Angehörige abhängig vom zuerkannten Merkzeichen und Grad der Behinderung verschiedene Vergünstigungen und Hilfen in Anspruch nehmen. Dazu gehören:
Nach Merkzeichen
» G: Entweder wird ein Zuschuss von 30 Euro zu einer Wertmarke für den öffentlichen Nahverkehr oder wahlweise eine Ermäßigung der Kfz-Steuer von 50 Prozent gewährt. Zusätzlich ist in einigen Fällen ein Nachlass bei der Kfz-Haftpflicht um 12,5 Prozent möglich. Der Behinderte muss allerdings der Halter des Fahrzeugs sein. Ab einem Behinderungsgrad von 80 Prozent ist die Bahncard der Deutschen Bahn nur noch halb so teuer.
» aG: Nur Schwerbehinderte mit diesem Eintrag dürfen auf speziell ausgewiesenen Parkplätzen parken.
» B: Die Begleitperson fährt in Anwesenheit des Betroffenen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr unentgeltlich mit.
» H: Ist der Behinderte Halter eines Fahrzeugs, wird er von der Kfz-Steuer befreit. Die Kosten des KFZ können zudem als außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht geltend gemacht werden. Zusätzlich wird eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr gewährt. Wer einen hilflosen Menschen persönlich in seiner oder der Wohnung des Behinderten pflegt, kann entweder die tatsächlichen Kosten oder einen Pauschalbetrag steuerlich geltend machen.
» RF: Diese Personen sind von der Rundfunkgebührenpflicht befreit und erhalten eine Ermäßigung bei der Grundgebühr fürs Telefon. Die Beitragsbefreiung muss bei der GEZ schriftlich beantragt werden. Über einen Antrag bei der Telekom ist eine Ermäßigung der Telefongebühren möglich.
» Bl: Blinde können Steuervergünstigungen, Freifahrten im öffentlichen Nahverkehr, Befreiung von Rundfunkgebühren und der Hundesteuer für ihren Blindenhund, Ermäßigungen bei Post- und Telefongebühren beantragen. In Bayern kann zusätzlich Blindengeld beantragt werden.
» Gl: Gehörlose Menschen können die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder eine Halbierung der Kfz-Steuer auf das eigene Fahrzeug in Anspruch nehmen. Sie haben das Recht, die Gebärdensprache in Verwaltungsverfahren zu verwenden.
Allgemein
Schon bei der Veranlagung können steuerliche Vorteile geltend gemacht werden. Zusätzliche Aufwendungen, die für die Pflege und Behandlung notwendig sind, werden beim zu versteuernden Einkommen berücksichtigt.
Nach § 574 des BGB haben Mieter einer Wohnung einen verbesserten Kündigungsschutz, falls die Kündigung wegen der Schwerbehinderung eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Bei berufstätigen Personen hat ein solcher Ausweis weitere Vorteile: Jede Kündigung muss von der Hauptfürsorgestelle der Wohnortgemeinde genehmigt werden. Schwerbehinderte haben fünf Tage mehr Urlaub und können ihren Ruhestand schon mit 63 Jahren antreten.
Sonderfall Demenz
Insbesondere Demenzkranke sind ständig auf die Begleitung und Anleitung durch andere angewiesen. In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien wird eine Demenz als Schwerbehinderung anerkannt. Zusätzliche körperliche Erkrankungen sind keine notwendige Voraussetzung.
Die Antragstellung und Beurteilung des Schwerbehindertenstatus erfolgen genauso wie bei körperlichen Behinderungen. Allerdings werden die Merkzeichen an demente Menschen nur unter bestimmten Bedingungen vergeben:
» G: Wenn Störungen der Aufmerksamkeit und Orientierungsfähigkeit beispielsweise zu einer erhöhten Unfallgefahr beim Überqueren der Straße führen.
» aG: Selbst schwerste Orientierungsstörungen bei Demenzkranken reichen nicht aus, um dieses Merkzeichen zu erhalten.
» B: Wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen bestehender Orientierungsstörungen nur mit Hilfe möglich ist. http://www.netdoktor.de/symptome/haarausfall/ » RF: Demenzkranke sind oft noch so bewegungsfähig, dass sie öffentliche Veranstaltungen besuchen können. Wenn sie aber unter einer Bewegungsunruhe leiden oder während einer Vorstellung unvorhersehbar laut sprechen, sodass der Besuch einer Theateraufführung, eines Konzertes oder ähnlicher Anlässe unmöglich wird, werden auch sie von den Rundfunkgebühren befreit. http://www.netdoktor.de/Gesund-Leben/Alt...n&utm_content=3
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