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Papst Franziskus fällt verfolgten Christen in den Rücken – „Mir gefällt es nicht, wenn man von Genozid an den Christen spricht“ 20. Juni 2016 0
Papst Franziskus: Geschwätz ist Terrorismus und zerstört mehr als Selbstmordattentäter
(Rom) Am vergangenen 8. Juni startete das katholische Hilfswerk Kirche in Not – Italien (KiN) eine Sensibilisierungskampagne, mit der das Parlament aufgefordert wird, die blutige Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Christen in Syrien und im Irak als Völkermord anzuerkennen. Ganz anders sieht es Papst Franziskus, er desavouierte die Initiative und fiel den verfolgten Christen im Nahen Osten und in anderen Teilen der Welt in den Rücken.
Am vergangenen 29. April wurde der berühmte Trevi-Brunnen in Rom von Kirche in Not in ein blutrotes Licht getaucht, das Blut der christlichen Märtyrer. Mit dieser spektakulären Aktion wollte das Hilfswerk auf das Leiden der verfolgten Christen in der Welt, besonders im Nahen Osten, in Pakistan und in Nigeria, aufmerksam machen. Vertreter der verfolgten Christen, darunter Bischöfe des Nahen Ostens und der Bruder des ermordeten pakistanischen Minderheitenministers Shahbaz Bhatti dankten für diese Solidarität.
Die Kampagne wurde in Zusammenarbeit mit der Tageszeitung Il Foglio gestartet. Im Internet wird die Aktion in den sozialen Netzwerken unter #DefiniamoloGenocidio (Bezeichnen wir es als Völkermord) beworben.
Kardinal Jean-Louis Tauran, der Vorsitzende des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog bestätigte am 10. Juni gegenüber der Presseagentur ADNKronos, daß die Christen im Nahen Osten einem Völkermord ausgesetzt sind. Wörtlich sagte der Kurienkardinal:
„Ja, ich stimme substantiell der Einschätzung zu, das, was den Christen im Nahen Osten – besonders in Syrien und im Irak – geschieht, als Genozid zu bewerten.“ Kardinal Tauran: „Offensichtlich gibt es einen Aktionsplan, das Christentum im Nahen Osten auszulöschen“
Kardinal Tauran: „Aktionsplan zur Auslöschung des Christentums im Nahen Osten“ Gleichzeitig gab der Kardinal bekannt, die Sensibilisierungskampagne von Kirche in Not zu unterstützen. Weiters sagte der Kardinal:
„Im Nahen Osten werden die Christen getötet, bedroht, zum Schweigen gebracht oder vertrieben, und die Kirchen werden zerstört oder riskieren, in Museen umgewandelt zu werden“. Der Kurienkardinal warnte davor, daß das Christentum nach bald 2000 Jahren an den Orten seines Ursprungs zu verschwinden droht.
„1910 waren mehr als 20 Prozent der Bevölkerung des Nahen Ostens Christen. Heute sind es weniger als vier Prozent … Offensichtlich gibt es einen Aktionsplan, das Christentum im Nahen Osten auszulöschen, und das kann man Genozid nennen oder zumindest einem Genozid gleichsetzen.“ Was der Kardinal nicht sagte: Den Westen scheint das Ende des Christentums im Nahen Osten am wenigsten zu kümmern.
Papst-Vertrauter Forte: „Es ist eine Pflicht, den Genozid anzuerkennen“
Am selben Tag schloß sich auch ein enger Mitarbeiter von Papst Franziskus, Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto, dieser Einschätzung an:
„Es ist eine Pflicht, den Genozid anzuerkennen. Man kann nicht schweigen angesichts der Barbarei.“ Die Tageszeitung Il Foglio titelte daher am 10. Juni: „Auch für den Vatikan ist es Völkermord“.
Entsprechende Resolutionen wurden in der jüngsten Vergangenheit bereits vom Repräsentantenhaus des US-Kongresses und dem Unterhaus des britischen Parlaments beschlossen. Mehr als vier Jahre dauerte die Christenverfolgung, bis sich auch das Europäische Parlament durchringen konnte, dieses Verbrechen zumindest teilweise anzuerkennen. Am vergangenen 4. Februar verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, mit der die Verfolgung der religiösen Minderheiten im Irak, darunter namentlich der Christen, als Genozid anerkannt wurde. Schönheitsfehler der Straßburger Genozid-Resolution ist, daß sie sich nur auf den Irak bezieht, nicht aber auf Syrien, obwohl die Christen dort derselben grausamen Verfolgung durch den Islamischen Staat (IS) und andere Islamisten ausgesetzt sind.
Der Deutsche Bundestag erkannte am 3. Juni, 100 Jahre nach dem Verbrechen, den Völkermord an den Armeniern an, und ließ die Beziehungen zur Türkei auf den Nullpunkt fallen. Eine wichtige, wenn auch verspätete Entscheidung zugunsten der historischen Wahrheit. Zur aktuellen Verfolgung der Christen im Nahen Osten nahm der Bundestag noch nicht Stellung. Im Zusammenhang mit der Armenier-Resolution wurde daher die Frage gestellt, ob es auch 100 Jahre dauern werde, bis die gerade stattfindende Christenverfolgung in Syrien und im Irak anerkannt werde.
Papst Franziskus: „Es gefällt mir nicht, wenn man von einem Genozid an den Christen spricht“
Universitätskolleg Villa Nazareth in Rom Die Vorstellung, die Auslöschung der Christen im Irak und in Syrien als Völkermord zu bezeichnen, gefällt aber dem Papst offenbar nicht. Franziskus gab unverhüllt zu verstehen, daß die Stellungnahmen seiner Mitarbeiter nicht seiner Meinung und damit der offiziellen Linie des Heiligen Stuhls entsprechen.
Das gab das katholische Kirchenoberhaupt am vergangenen Samstag zu verstehen, als er das Studentenheim Villa Nazareth in Rom besuchte. Auf die Frage eines Studenten antwortete Papst Franziskus:
„Es gefällt mir nicht, wenn man von einem Genozid an den Christen spricht, zum Beispiel im Nahen Osten.“ Der Papst scheint fest den Mainstream der westlichen Eliten im Blick zu haben. Das Leiden der verfolgten Christen muß dahinter zurückstehen. Den Mainstream gab die New York Times im Herbst 2015 wieder, indem sie es als „hysterisch“ bezeichnete, die Christen des Nahen Ostens als besonders gefährdet und daher besonders schützenswert zu betrachten.
Anfang März bekräftigte die US-Regierung von Präsident Barack Obama, daß für sie die Christenverfolgung in Syrien und im Irak „kein Völkermord“ ist, wie der Sprecher des Weißen Hauses, John Earnest, vor der Presse erklärte.
„Der Kamikaze hat den Mut, daß er stirbt, während das Geschwätz Bomben sind, die andere zerstören“
Über die Begegnung mit den Studenten berichtete die dem Papst sehr wohlgesonnene Internetseite Faro di Roma mit dem Artikel: „Franziskus: ‚Ich mag weder Kirchen mit verschlossenen Toren noch, daß man von Christen-Genozid spricht“.
Der Papst desavouierte nicht nur seine Mitarbeiter, Kurienkardinal Tauran und Erzbischof Bruno Forte. Er distanzierte sich von der Sensibilisierungskampagne von Kirche in Not und fiel, was am schwerwiegendsten ist, den verfolgten Christen im Nahen Osten und in anderen Weltgegenden in den Rücken. Damit nicht genug, banalisierte er in seiner Begründung die Christenverfolgung, den Terror des Islamischen Staates (IS) und die islamischen Selbstmordattentäter, die er mit seiner bereits vielfach geäußerten Kritik an Tratsch und Geschwätz gleichsetzte. Einem kapitalen Denkfehler unterliegt Papst Franziskus in seiner Einschätzung von Selbstmordattentätern, die – wie das Wort bereits sagt – nicht nur Selbstmörder sind, sondern durch ihre Attentate gezielt andere Menschen – manchmal Hunderte – mit in den Tod reißen.
Wörtlich sagte der Papst:
„Die Wahrheit ist, daß wir eine Verfolgung haben, die zu den Christen, zur Fülle ihres Glaubens führt“. Franziskus erinnerte in diesem Zusammenhang an „die 13 ägyptischen Christen, die am Strand in Libyen enthauptet wurden. Alle starben mit den Worten „Jesus hilf mir“. Ich bin mir sicher, daß die Mehrzahl von ihnen nicht lesen konnte. Sie waren Ignoranten, aber Doktoren der christlichen Kohärenz, des Glaubens.“
„Betrügen wir uns aber nicht selbst. Das blutige Martyrium ist nicht die einzige Art, Jesus zu bezeugen. Es gibt auch das Martyrium des Alltags, das Martyrium der Geduld in der Erziehung der Kinder, in der Treue der Liebe, wenn es ganz leicht wäre, einen anderen Weg zu gehen, das Martyrium, nicht an Klatsch und Geschwätz teilzunehmen, die Terrorismus sind. Und immerhin hat der Kamikaze die Tapferkeit, daß er stirbt, während das Geschwätz Bomben sind, die andere zerstören und nicht dich.“ Kirche in Not – Italien veröffentlichte ein Kurzvideo zur Sensibilisierungskampagne über die Christenverfolgung im Nahen Osten.