Der Schlüssel zum Verständnis der Glaubenskrise – Fatima und die Pflicht der Hirten (1. Teil)
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„Weh euch Gesetzeslehrern! Ihr habt den Schlüssel zur Erkenntnis weggenommen. Ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die, die hineingehen wollten, habt ihr daran gehindert“ (Lk 11, 52).
Im Hinblick auf das Einhundertjahr-Jubiläum der Ereignisse von Fatima im Jahr 2017 und im Anschluß an meinen Nachruf auf Bischof Kurt Krenn, in dem ich kurz auf das praktisch vollständige Fehlen der Fatima-Botschaft im kirchlichen Leben der letzten Jahrzehnte hinwies
(http://www.katholisches.info/2014/01/31/...hof-kurt-krenn/), möchte ich – unter obigem Motto – in drei Teilen einschlägige Informationen und Analysen für die werten Leser von Katholisches.info bieten. Sie richten sich auch an Fernstehende, die von der katholischen Glaubenlehre ein falsches Bild vermittelt bekommen haben. Sie sind für die praktizierenden Katholiken auch als spiritueller Impuls für die vorösterliche Bußzeit gedacht.
Fatima – eine verdeckte Offenbarung
Meiner Einschätzung nach sind die Erscheinungen von 1917, deren Umstände und Inhalte sowie deren Rezeption und deren Konsequenzen, das zentrale übernatürliche Ereignis des 20. Jahrhunderts – dessen Unterdrückung durch die kirchliche Hierarchie mithin der Schlüssel zum Verständnis der seit Jahrzehnten immer schlimmer grassierenden Glaubenskrise mit allen verheerenden Auswirkungen für Kirche und Welt.
Persönlich bin ich erst vor wenigen Jahren mit der Fatima-Botschaft und ihrer Stellung im kirchlichen Leben intensiver vertraut worden. Was etwa die Situation in Österreich betrifft, ist Fatima, abgesehen von einigen wenigen Privatinitiativen, derzeit ja nicht präsent, sachgemäße Information nur schwer aufzutreiben.
Die existierenden, durchschnittlichen „Fatimisten“ erscheinen unter den Umständen des heutigen kirchlichen Lebens als Obskurantisten oder Psychopathen. Andererseits scheinen sich die kirchlichen Autoritäten, einschließlich des emeritierten hl. Vaters Benedikt XVI., seit Jahrzehnten um etwas herumzudrücken, wenn es um Fatima geht. Was hat es also damit auf sich?
Historische Basis
Die Erscheinungen der Muttergottes von Fatima, derer die drei Hirtenkinder Lucia dos Santos und deren Cousins, die Geschwister Jacinta und Francisco Marto, jeweils am 13. der Monate Mai bis Oktober (außer August, in dem die Erscheinung am 19. stattfand) des Jahres 1917 gewürdigt wurden (nach den drei Erscheinungen des „Engels von Portugal“ im Jahr davor), sind vom portugiesischen Episkopat 1930 als übernatürlich anerkannt worden. Augenzeugen, die schon bald aus den verschiedensten Gründen (aus Neugier oder Spottlust oder aus ernsthaften Beweggründen) bei den Visionen zugegen waren, berichteten ebenfalls von außergewöhnlichen Phänomenen.
Das „Sonnenwunder“ vom 13. Oktober 1917 schließlich wurde von etwa 70.000 Menschen beobachtet (auch von kilometerweit entfernt wohnenden) und in den portugiesischen Medien ausführlich berichtet. Es wäre lächerlich, das als kollektive Suggestion o. a. abzutun. Die weiteren Ereignisse entwickelten sich dann wie von der Muttergottes vorhergesagt, besonders bedeutungsvoll der frühe Tod von Jacinta und Francisco nach einem heroischen Leben der Sühne und schwerer Krankheit. Bedeutungsschwer auch der blutrote Nachthimmel, der in der Nacht vom 25. auf den 26. Jänner 1938 in der nördlichen Hemisphäre sichtbar war.1
Theologische Basis
„Fatima“ ist eine kirchlich anerkannte Botschaft2. Daher ist auch die Rede von der „Privatoffenbarung“ irreführend, so als wäre die Botschaft nur für einige wenige Menschen von Relevanz.
Streng theologisch gesehen ist freilich kein Katholik verpflichtet, daran zu glauben. Andererseits wäre es gegenüber dem sich offenbarenden Gott ein Zeichen von Geringschätzung, wenn er sich diese Botschaft nicht zu Herzen nähme.
Inhaltlich stehen die Botschaften von Fatima fest im Zusammenhang von hl. Schrift und Tradition. Für heutige Begriffe klingt manches sehr radikal (Sünde, Hölle, Buße, Genugtuung u. dgl.). Alles das findet sich aber in der Bibel ebenso.
Warum jedoch plötzlich diese Dramatik?
Man muß sich in Erinnerung rufen, daß im Jahr 1917 alle die teuflischen Irrlehren ausgesät worden waren, die nur darauf warteten, von skrupellosen Praktikern in die Praxis umgesetzt zu werden. Das reicht vom Wahnsinn des Kommunismus, dem man heute an die 100 Millionen Todesopfer nachsagt, bis zum Rassenwahn aller Schattierungen. Der Weltkrieg war noch am Toben, die russische Revolution mit ihrem Blutbad stand knapp bevor. Die Widerstandskraft des Guten war durch Sittenlosigkeit geschwächt. Der Glaube durch das Einsickern verheerender Irrtümer bedroht. Eine ernste Warnung war der Kirche bereits 1846 in La Salette gegeben worden. Offensichtlich hat man sie nicht ausreichend beachtet.
Wie bei allen echten Offenbarungen fehlt bei der Fatima-Botschaft der extravagante und überspannte Zug. Die Anweisungen der Muttergottes sind zwar dramatisch, entsprechen aber inhaltlich einem vernünftigen, traditionell katholischen Glaubenssinn. In diesem Zusammenhang soll zur Vorsicht angesichts gewisser aktueller Botschaften aufgerufen werden.
Die Inhalte
Die Inhalte der Fatima-Botschaft sind, wie oben angedeutet, nur einer kleinen Minderheit von Zeitgenossen bekannt.
Für diesmal daher etwas ausführlicher der „erste Teil“ des Geheimnisses, die Hölle.
Die letzte der drei Seher von Fatima, Sr. Lucia dos Santos, schreibt in ihrer Vierten Lebenserinnerung im Dezember 1941 über die Höllenvision vom 13.07.1917:
„Dann fuhr [die Muttergottes, Anm.] fort:
‚Opfert euch auf die Sünder und sagt oft, besonders wenn ihr ein Opfer bringt: O Jesus, das tue ich aus Liebe zu Dir, für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne für die Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens.‘ Bei diesen letzten Worten öffnete sie auf neue die Hände wie in den zwei vorhergehenden Monaten. Der Strahl schien die Erde zu durchdringen, und wir sahen gleichsam ein Feuermeer und eingetaucht in dieses Feuer die Teufel und die Seelen, als ob sie durchscheinend, schwarz und bronzefarbig glühende Kohlen in menschlicher Gestalt waren, die in diesem Feuer schwammen, emporgeschleudert von den Flammen, die mit Rauchwolken aus ihnen selbst hervorschlugen. Sie fielen nach allen Seiten wie Funken bei gewaltigen Bränden, ohne Schwere und Gleichgewicht, unter Schreien und Heulen vor Schmerz und Verzweiflung, was uns erbeben und erstarren ließ. (Ich muß wohl bei diesem Augenblick „ai“ geschrieen haben, wie es einige Leute angeblich gehört haben.) Die Teufel unterschieden sich durch die schreckliche und scheußliche Gestalt widerlicher, unbekannter Tiere. Sie waren aber durchscheinend wie schwarze, glühende Kohle. Erschrocken und wie um Hilfe bittend erhoben wir den Blick zu Unserer Lieben Frau, die voll Güte und Traurigkeit zu uns sprach: ‚Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen. Wenn man tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet werden, und es wird Friede sein.‘“ (Zitat nach: Schwester Lucia spricht über Fatima, Übersetzung und Zusammenstellung von P. Luis Kondor SVD, Einführungen und Anmerkungen von P. Joachim Alonso CMF, Secretariado dos Pastorinhos, Fatima, 10. Auflage 2011, Imprimatur 2007 vom Ortsbischof) Bei der Vision am 13. August 1917 zeigte die Muttergottes den Kindern einen Heilsweg für viele Menschen:
„Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet.“ Diese Mahnung zeigt auch die Verbundenheit der Menschheit auf: Die Bemühungen einzelner kommen vielen anderen zugute, das Schlechte reißt die anderen mit ins Verderben.
Theologische Überlegungen
Die Formulierung „weil sich niemand für sie opfert“ ist in diesem Zusammenhang im Deutschen heutzutage leicht mißverständlich. Um zwei biblische Illustrationen zu diesem Thema zu bringen:
Moses will sich, nachdem das Volk das Goldene Kalb gemacht hat, für das Volk opfern, indem er Gott anbietet, ihn aus dem Buch zu streichen: „Mose kehrte zum Herrn zurück und sagte: Ach, dieses Volk hat eine große Sünde begangen. Götter aus Gold haben sie sich gemacht. Doch jetzt nimm ihre Sünde von ihnen! Wenn nicht, dann streich mich aus dem Buch, das du angelegt hast. Der Herr antwortete Mose: Nur den, der gegen mich gesündigt hat, streiche ich aus meinem Buch“ (Ex 32, 32f). Und Paulus sagt in einer vergleichbaren Situation:
„Ich bin voll Trauer, unablässig leidet mein Herz. Ja, ich möchte selber verflucht und von Christus getrennt sein um meiner Brüder willen, die der Abstammung nach mit mir verbunden sind“ (Röm 9, 2f). Er drückt hier aus, gleichsam sein Heil opfern zu wollen – was natürlich widersinnig ist.
Was wir aus diesen beiden Stellen lernen können, ist, daß sowohl Moses als auch Paulus sich mit ihren irrenden Volksgenossen „solidarisch“ machen, sie empfinden – bei aller Kritik – Mitleid mit ihnen und springen sozusagen für sie „in die Bresche“ (vgl. Ps 106, 23). Beide wollen sich in einem bestimmten Sinne für ihre Mitmenschen „opfern“.
Diese Gesinnung wird von der Muttergottes in Fatima wiederum den Gläubigen aufgetragen – ganz biblisch also.
Wenn wir also die Botschaft der Muttergottes von Fatima umsetzen wollen, geht es darum, „Opfer zu bringen“, das „Aufopfern“ alltäglicher Beschwernisse, Unbilden, Krankheiten, Beleidigungen u. dgl. Es geht um selbstauferlegte Opfer wie zusätzliches Gebet, Fasten und Almosengeben. Es geht um die Gottesliebe usque ad contemptum sui, wie der hl. Augustinus sagt, „bis zur Verachtung seiner selbst“, was das Kennzeichen der Civitas Dei ist, die der civitas terrena entgegensteht, in der die Selbstliebe usque ad contemptum Dei, „bis zur Verachtung Gottes“, herrscht.
Diese Glaubensinhalte sind leider seit Jahrzehnten aus der kirchlichen Lehrverkündigung zurückgedrängt worden, nicht zuletzt aus Rücksichtnahme auf den Protestantismus, der das „Opfern“ grundsätzlich ablehnt – und sich auch hier als unbiblisch erweist: Kol 1, 24.
Schlußfolgerungen
Aus dem Gesagten sollen wir für jetzt mindestens drei Schlußfolgerungen ziehen:
1. Fatima ruft in Erinnerung: Es gibt die Hölle. Sie ist der selbstverschuldete Ausschluß vom Heil. An vielen Stellen im Neuen Testament, schon in der Bergpredigt (Mt 5-7), bei den Gleichnissen (Mt 13), in der Gerichtsrede (Mt 25), wird vor ihr gewarnt. Es ist daher falsch, mit dem Evangelium eine Art von harmloser Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität zu verbinden. Ja, es gibt eine Drohbotschaft für diejenigen Menschen, die ausdrücklich nicht guten Willens sind.
Es ist fahrlässig, daß die Kirche die Verkündigung dieser Glaubenswahrheit weitestgehend aufgegeben hat. Sagen wir es ganz brutal: Gäbe es eine gesunde und realistische Angst vor der Hölle, würden viele Verbrechen und Greueltaten nicht passieren. Nach dem, was wir von Fatima wissen, würde die Verkündigung dieser Glaubenswahrheit das ewige Unheil vieler Menschen zu verhindern helfen. Eine schauderregende Einsicht.
2. Es ist illusorisch zu glauben, der Mensch würde immer aus eigenem Antrieb und von selbst gut handeln. Auch gläubige Menschen benötigen manchmal einen heilsamen Schrecken! Der hl. Ignatius von Loyola schreibt in seinem Exerzitienbuch: „Obschon man es über alles schätzen soll, Gott unserem Herrn aus reiner Liebe eifrig zu dienen, müssen wir doch die Furcht vor Seiner Göttlichen Majestät sehr loben; denn nicht allein die kindliche Furcht ist etwas Frommes und sehr Heiliges, sondern auch die knechtliche Furcht; denn wo der Mensch etwas Besseres und Nützlicheres nicht erreicht, verhilft sie viel dazu, daß er aus der Todsünde herauskomme; und hat er sich einmal daraus befreit, so gelangt er leicht zur kindlichen Furcht, die Gott unserem Herrn ganz angenehm und wohlgefällig ist, weil sie eins ist mit der Göttlichen Liebe“3.
3. Es ist zwar jeder in allerletzter Instanz nur für sich selbst verantwortlich, dennoch hängt die Menschheit bzw. die Kirche auf eine bestimmte, geheimnisvolle Weise zusammen. Daher trägt jeder eine gewisse, graduell abgestufte Mitverantwortung für das Wohl und das Heil seines Nächsten. Nachdem Kain seinen Bruder Abel ermordet hat, fragt ihn Gott: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Kain antwortete: „Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4, 9) Die Gegenfrage ist aus der Lüge im Satz zuvor geboren: Kain wußte ja, wo sein Bruder geblieben war. In gewisser Hinsicht sind wir sehr wohl Hüter unseres Mitmenschen und tragen eben eine gewisse Mitverantwortung.
Papst Pius XII. schrieb in seiner Enzyklika Mystici Corporis Christi 1943 zu genau diesem Thema:
„Überdies will unser Erlöser, soweit Er persönlich auf unsichtbare Weise die Kirche regiert, die Mitwirkung der Glieder seines mystischen Leibes bei der Ausführung des Erlösungswerkes. (…) Während Er nämlich am Kreuze starb, hat Er den unermeßlichen Schatz der Erlösung seiner Kirche vermacht, ohne daß sie ihrerseits dazu beitrug. Wo es sich aber darum handelt, den Schatz auszuteilen, läßt Er seine unbefleckte Braut an diesem Werke der Heiligung nicht nur teilnehmen, sondern will, daß dies sogar in gewissem Sinne durch ihre Tätigkeit bewirkt werde. Ein wahrhaft schaudererregendes Mysterium, das man niemals genug betrachten kann: daß nämlich das Heil vieler abhängig ist von den Gebeten und freiwilligen Bußübungen der Glieder des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi, die sie zu diesem Zweck auf sich nehmen; und von der Mitwirkung, die die Hirten und Gläubigen, besonders die Familienväter und -mütter, unserem göttlichen Erlöser zu leisten haben“4.
Unsere Taten und Unterlassungen haben Auswirkungen auf die anderen – im Guten wie im Schlechten. In Fatima wird deutlich gesagt, daß es an den Gläubigen liegt, andere durch Gebet und Opfer zum Heil zu führen. Wie das im einzelnen wirkt, bleibt ein Geheimnis. Daß es wirkt, soll uns Ansporn sein.
Fazit
Daß die Situation in Kirche und Welt fast 97 Jahre nach den Erscheinungen in Fatima auf dramatische Weise schlechter geworden ist, sollte – der x-te Appell an die Bischöfe – die kirchlichen Autoritäten dazu veranlassen, zu regelrechten Gebetskreuzzügen und zum Fasten in den Anliegen von Fatima aufzurufen – immerhin leben wir in Zeiten, in denen auch Bischöfe und Kardinäle in aller Offenheit der überlieferten Lehre in Glauben und Moral widersprechen.
Im Gegenteil wird den Gläubigen diese heilsame Botschaft jedoch vorenthalten.
Was muß man zudem gerade in der Fastenzeit nicht alles an Klimbim aus diözesanen Kanzleien über sich ergehen lassen – bis hin zu dem albernen „Autofasten“5!
Was für ein schreiender Kontrast: Hier der flächendeckende Glaubensabfall, das Abtreibungselend, die zerbrochenen Familien, das auseinanderbrechende Gemeinschaftsgefüge in Kirche und Welt – dort das „Autofasten“ als hilflose Ausflucht von kirchlichen Stellen, die nichts anderes mehr zu sagen haben.
Das Zentrale im Glauben, „das Eine, das not tut“ (Lk 10, 42), muß man mit der Lupe suchen.
Es ist derzeit ganz offensichtlich so, wie in der eingangs zitierten Drohung ausgesagt: Die modernen „Gesetzeslehrer“ haben die clavis scientiae, den Schlüssel zur Erkenntnis, weggenommen.
Das ist aber kein rein lokalkirchliches Phänomen. Es hängt von weiterreichenden Weichenstellungen ab, von einer höheren Ebene. Und es hängt mit der Botschaft von Fatima als ganzer zusammen.
http://www.katholisches.info/2014/03/21/...-hirten-1-teil/ Dazu mehr im geplanten zweiten Teil.
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