Religionspädagoge: Sich auf die Sprache der Schüler einstellen
Der Buchtitel ist eine Provokation. „Der Jargon der Betroffenheit – Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“. In dem 160 Seiten starken Buch fordert Erik Flügge, ein 30jähriger Kommunikationsberater und Katholik aus Köln, die Kirche auf, ihre Sprache stärker an ihren Adressaten auszurichten. „Ich halte es nicht aus, wenn ihr sprecht“, schreibt Flügge, der unter anderem SPD-Spitzenpolitiker berät, in seinem Buch. „Es ist so furchtbar. Verschrobene, gefühlsduselige Wortbilder reiht ihr aneinander und wundert euch, warum das niemand hören will. (…) Wer soll das denn verstehen?“ Für seine Thesen erhielt Flügge viel Zustimmung, aber auch manche Kritik.
Eine die Adressaten erreichende Sprache ist auch ein wichtiges Ziel, wenn nicht sogar die Voraussetzung moderner Religionspädagogik. Der Weingartener katholische Religionspädagoge Professor Herbert Rommel ist im Unterschied zu Flügge der Auffassung, dass dies den Religionslehrern in der Schule im Allgemeinen recht gut gelingt: „Ich würde schon sagen, dass es die heutige Religionslehrerschaft relativ gut versteht, sich auf die Sprache der Schülerinnen und Schüler einzustellen.“
Mit Flügges Thesen hat Professor Rommel so seine Probleme. Sprache, auch diejenige des Religionsunterrichts, müsse freilich mit der Zeit gehen und sich weiterentwickeln. Das sei die eine Seite. „Die andere Seite ist aber auch, dass ich meine, dass die Sprache der Religionspädagogik sozusagen nicht absinken sollte in eine Jugendsprache, die dem Thema nicht angemessen ist. Also, wir bräuchten eine Sprache, die auf der einen Seite alltagstauglich ist, aber Menschen auch irritiert, Menschen zeigt, dass Religion eine andere Dimension bereitstellt als bestimmte Dimensionen im Alltag.“
Eine große Herausforderung sei es, zentrale theologische Begriffe in die Lebenswirklichkeit und in die Sprache der jungen Generation zu übersetzen. „Es gibt sehr traditionelle Begriffe, auch zentrale Begriffe innerhalb des Christentums, mit denen wir uns in der Religionspädagogik noch immer schwer tun. Zum Beispiel der Begriff der Gnade. Aber die Frage ist: Verstehen die Menschen heute noch, was „Gnade“ bedeutet? Oder andere Begriffe wie „Rechtfertigung“. Oder „Lehre vom Reich Gottes“. Oder „Sünde“ und ähnliche Begriffe. Ich glaube, dass wir uns in der modernen Welt heute schwer tun, den guten Sinn, den diese Begriffe haben, noch zu verstehen. Insofern ist es wichtig, solche Begriffe in Übersetzungen in eine neue Sprache zu bringen, die der Sprache heutiger Menschen angeglichener ist.“
Die Herausforderung steige auch deshalb, weil im Religionsunterricht aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen stärker Bezüge zu anderen Religionen hergestellt werden müssen. „Es ist in der Tat so, dass eine Einführung in die biblische Theologie schon große Problem bereitet im Kontext von Schule. Aber jetzt kommt noch die Einführung in den Koran hinzu, es kommen Einführungen in andere Religionen hinzu. Und insofern steht die Religionspädagogik vor dem Problem der Elementarisierung, also der Frage: Wie können wir Theologie so elementarisieren, dass wir der Herausforderung von Differenz gerecht werden auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber nicht in Dilettantismus versinken“, meint Herbert Rommel.
Insgesamt sei die steigende Heterogenität in der Gesellschaft wie auch in den Klassenzimmern die zentrale Herausforderung: „Die Wahrnehmung von Heterogenität beginnt nicht bei den großen Theologien, sondern die Wahrnehmung von Heterogenität beginnt im eigenen Klassenzimmer. Insofern ist die Wahrnehmung dessen, was unter den Schülerinnen und Schülern unterschiedlich ist, doch immer wieder das erste, von dem aus die theologische Reflexion anhebt und diese Unterschiede dann reflektiert.“ (rv 16072016 mch)
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