Besuch in Wadowice: Erstmals nicht auf dem päpstlichen Programm
Posted by Michaela Koller on 25 July, 2016
Seit langem ist erstmals Wadowice, Geburtsort Papst Johannes Pauls II., nicht Ziel einer Papstreise. Hier kam der Heilige und große Sohn der polnischen Nation zur Welt am 18. Mai 1920 zur Welt, in einem Bett einer kleinen Zweizimmerwohnung mit Blick auf die Marienkirche gleich nebenan. Zu der Stunde betete die Gemeinde gerade den Rosenkranz. „Er wurde also quasi in das Gebet hineingeboren“, erklärt eine Ordensschwester, die gerade eine Gruppe durch die Räumlichkeiten führt.
Zwei Tage vor Beginn des Weltjugendtags führt keine Besichtigungstour von Krakau aus mehr hierher. „Es ist zu voll“, hieß es. Mindestens viermal in der Stunde fahren Busse vom zentralen Omnibusbahnhof für 1,20 Euro bis zwei Euro 70 bis 80 Minuten lang in die berühmte Geburtsstadt, die einschlägigen Reiseführern jedoch nicht einmal eine Erwähnung wert ist.
Geistlicher Höhepunkt des Ortes ist die Kapelle Johannes Pauls II. im linken Seitenschiff, in der hinter dem Taufbecken eine vergoldete Rose auf der Sitzfläche des hölzernen und weiß gepolsterten Stuhls mit seinem Wappen liegt. Weltjugendtagspilger, erkennbar am farbigen Logo auf weißen T-Shirts, knien vor dem Becken nieder, und legen dabei eine Hand auf den Rand: In gleicher Haltung zeigt eine Aufnahme den großen Sohn der Stadt rechts an der Seite.
Für die Mehrheit der polnischen Gastgeber war der kleine Ort rund 50 Kilometer von Krakau entfernt der Höhepunkt des Besuchs Papst Benedikts XVI. im Mai 2006. Sein eigens für diese Gelegenheit mit seinem Wappen im Barockstil angefertigter Stuhl steht heute rechts im Seitenschiff der Marienbasilika am Marktplatz. Daneben, an dessen rechten Fuß, ist ein Relief des Marktler Geburtshauses aufgestellt.
Es ist wohl eine besondere Fügung, dass beide Stätten in zentraler Lage inmitten überschaubarer Bürgerlichkeit und in einer Umgebung der herausragenden Marienverehrung zu finden sind: Am Internationalen Marienpilgerweg zwischen Tschenstochau und Mariazell liegt das Sanktuarium Kalwaria Zebrzydowska, nur wenige Autominuten von Wadowice Richtung Krakau entfernt. Als die Mutter des kleinen Karol starb, nahm sein Vater ihn mit zu dieser Pilgerstätte und erklärte, dass nun die Kalvarien-Muttergottes seine Mutter sein werde.
Es ist aber nicht bloß das geistige und spirituelle, sondern auch das ganz leibliche Erleben, das den Besucher an den Wurzeln der Geschichte eng mit einander verbundenen Päpste begleitet: Unfreiwillig komisch für die Autorin dieses Beitrags die Erinnerung an die ersten Wochen nach der Wahl des bayerischen Papstes in Marktl, als Besucher cremig-gefüllte süße Teilchen auf dem offenen Platz vor dem Geburtshaus spazierend verschlangen, die sie in der nahegelegenen Konditorei als „Papstschnitte“ verkauften:
Das ging offenbar ursprünglich auf die Vorliebe des polnischen Papstes zurück, vor der polnische Freunde die Besucher gerne schmunzelnd warnen: Auf halbem Weg zum Gymnasium lockte die Konditorei Hagenhuber einst mit den Cremeschnitten, die der junge Karol Wojtyla, der bis 1938 in Wadowice lebte, wohl sehr mochte. Heute wird der „Kremowki Papieskie“ in der ganzen Stadt und rund um auf dem Platz Johannes Paul II. angeboten: üppig-süße Sahnecreme mit einer Note Vanille zwischen zwei Millefeuille-Blätterteig-Platten. So gestärkt kann die große Runde auf den Spuren Johannes Paul II. beschritten werden.
Im Geburtshaus ergänzt eine mit neuester Info- und Lichttechnik ausgestattete Ausstellung den Kern, die Wohnung der Wojtylas, darunter ein digitales Familienfotoalbum mit eingescannten Schriftstücken. Neben Mobilar sind auch Gegenstände aus dem Besitz der Familie, jeweils hinter Glaskästen, präsentiert, darunter die rosa geblümte Essigkaraffe aus dem Familiengeschirr und die aus feinen silbrigen Ketten geknüpfte Handtasche der Mutter. Die Besucher durchschreiten von dort das ganze Leben des Heiligen, begleitet von weltlichen und geistlichen Aspekten: Seine Skier und warmen Jacken, reichlich Aufnahmen von Momenten in den Bergen, in einen Glasboden eingelassene Erde aus den Ländern, die er während seines langen Pontifikats besuchte. Höhepunkte sind zwei Räume. Der Erste erinnert an das Attentat vom 13. Mai 1981, mit einer weltlich präsentierten Blutreliquie, dem Anzug im Hahnentrittmuster eines Sicherheitsmannes, auf den sein Blut nach dem Attentat tropfte. Im zweiten Raum steht in der Mitte eine Replika der Heiligen Pforte, die im Rondell darum herum die verzierten Deckblätter seiner Enzykliken umgeben. Eindrücklich endet die Ausstellung mit einem roten Saal, der Messgewänder der Kardinäle bei seinem Requiem zeigt sowie eine Zweitausgabe des rot eingebundenen Evangeliars, das auf seinem Sarg lag. Im weißen Raum hängen ungezählte Zettel hinter Glas, in denen er um Fürsprache angefleht wurde.
Der Rundgang nach Verlassen der Ausstellung führt vorbei am Haus Nummer 8 auf der linken Seite vom Geburtshaus ausgehend, wo einst Wojtylas Freund Jerzy Kluger lebte. Dessen Vater Wilhelm Kluger war der letzte Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, die 20 Prozent der Einwohner des Ortes ausmachte. Am 10. August 1943 wurden von hier die letzten von ihnen in das Vernichtungslager nach Auschwitz-Birkenau transportiert. ZENIT
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