Leo Baeck, Europas großer Rabbiner, über Jesus, den „jüdischen Bruder“
Veröffentlicht: 16. September 2016 | Autor: Felizitas Küble Von Felizitas Küble
Das monumentale Werk von Leo Baeck mit dem Titel „Das Wesen des Judentums“ ist zwar über hundert Jahre alt, aber in seiner klassisch-großartigen Zusammenschau jüdischen Glaubens und Betens, Lebens und Fühlens, Wirkens und Hoffens von herausragender Höhe des Denkens und Tiefe des Empfindens. cover
Selten hat ein religiöses Buch mich derart beeindruckt, zumal es – bei aller Urtümlichkeit des jüdischen Glaubenszeugnisses – zugleich auch geistige Perlen aus dem deutschen Idealismus und der deutschen Romantik aufgreift und passend in das Gesamtwerk einfügt.
Seine moralische Grundhaltung ist – typisch jüdisch – geprägt von einer „Ethik der Gebote“, einer tiefen Freude, ja geradezu Begeisterung über die Gebote Gottes, über seine Wegweisung für uns Menschen, die zu Dankbarkeit und Ehrfurcht gegenüber dem Schöpfer gemahnen, der zugleich unser „Gesetzgeber“ ist.
Kategorischer Idealismus
Daraus ergibt sich gleichsam ein „kategorischer Idealismus“, der sich gegenüber dem „kategorischen Imperativ“ von Kant insgesamt als überlegen erweist, aber freilich eine andere Ebene umfaßt (der Philosoph Kant spricht auf der Basis der natürlichen Vernunft, der Glaube ruht auf dem Übernatürlichen).
Wer das Judentum, das aus den Urtiefen seiner Geschichte und aus der Erwählung des Ewigen stammt und das – allen Verfolgungen zum Trotz – die Jahrtausende überdauerte, in seinem inneren Selbstverständnis kennenlernen und wahrnehmen möchte, sollte zu diesem Klassiker greifen, den der damals bedeutendste Rabbiner nicht nur Deutschlands, sondern Europas verfaßte:baeck
Leo Baeck, als Sohn eines deutschen Rabbis 1873 in Lissa (Posen) geboren, wirkte später in West- und Mitteldeutschland (Oppeln, Düsseldorf, Berlin), war unter der nationalsozialistischen Diktatur verfolgt (KZ Theresienstadt), ist dann als Überlebender nach London ausgewandert, wobei er weiterhin nach Deutschland reiste, Vorträge hielt und für die jüdisch-christliche Verständigung eintrat.
Durch die Lektüre des Buches „Das Wesen des Judentums“ – das er übrigens seiner „lieben Frau“ gewidmet hat – können auch Christen in mancherlei Hinsicht ihren eigenen Glauben besser verstehen, denn dieser beruht auf dem jüdischen „Mutterboden“, dem Glauben des Volkes Israel.
Das Christentum ist ein – gleichsam selbständig gewordenes – Kind des Alten Bundes, das bei all seiner Unabhängigkeit jedoch seine Wurzeln weder vergessen noch verleugnen sollte.
Zurück zu Leo Baeck, dem großen jüdischen Vordenker der Zwischenkriegszeit (Weimarer Republik) – im Grunde sogar schon früher, denn einige seiner Werke entstanden bereits am Ende des 19. Jahrhunderts.
Für Christen ist nun vor allem die Frage von Interesse: Wie steht diese bedeutende Koryphäe des Judentums zu Jesus aus Nazareth?
„Jesus war ein Jude unter Juden“briefm
Natürlich teilt ein Jude nicht den Glauben an die Gottheit Christi oder den dreieinigen Gott, sonst wäre er ja ein Christ – das ist wohl logisch. Aber wie beurteilt Leo Baeck die Persönlichkeit dessen, der als Jude zugleich der Begründer des Christentums, der Stifter seiner Kirche war und ist?
[img]http://img.homepagemodules.de/ds/static/gaia/picture.png[img] Um dies zu verdeutlichen, wählen wir einige Zitate aus den Werken des jüdischen Gelehrten, der immer wieder betonte, daß Jesus ganz und gar ein Jude gewesen sei. Baeck, der an der Kirchengeschichte verständlicherweise einiges zu kritisieren weiß, läßt auf IHN nichts kommen, bezeichnet IHN als „gottgesandte Persönlichkeit“.
„Er hat das Reine und Gute des Judentums offenbart“
Jesus sei, so schreibt er, „in jedem seiner Züge durchaus ein echt jüdischer Charakter“ gewesen, ein Mann, „wie er nur auf dem Boden des Judentums – nur dort und nirgends anders – erwachsen konnte.
Jesus ist eine echt jüdische Persönlichkeit, all sein Streben und Tun, sein Tragen und Fühlen, sein Sprechen und Schweigen: es trägt den Stempel jüdischer Art, das Gepräge des jüdischen Idealismus, des Besten, was es im Judentum gab und gibt, aber nur im Judentum damals gab. Er war ein Jude unter Juden.“ (1)
Später schreibt der Rabbiner, daß Jesus vor seinem geistigen Auge stehe „mit edlen Zügen“, ein Mann „aus dem jüdischen Volke, auf jüdischen Wegen, im jüdischen Glauben und Hoffen“.
Jesus war aus Baecks Sicht ein Mann, „der in allen Linien und Zeichen seines Wesens das jüdische Gepräge aufzeigt, in ihnen so eigen und so klar das Reine und Gute des Judentums offenbart“.
Der „große Bruder“ aus Nazareth sei einer gewesen, der „in der jüdischen Zuversicht und Sehnsucht, durch sein Leben und in seinen Tod gehen konnte – ein Juden unter Juden.“ (2) https://charismatismus.wordpress.com/201...dischen-bruder/ Quellenangaben: 1.) MGWJ (Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums), 45. Jahrgang, 1901, S. 118 2.) Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte, Leo Baeck, 1938, S. 69
Beliebteste Blog-Artikel:
|