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  • 11.10.2016 00:38 - Deutschland schuldet ihm späten Dank
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Deutschland schuldet ihm späten Dank
VON CHRISTOPH SCHWENNICKE am 11. Oktober 2016


Vor einem halben Jahr verstarb Guido Westerwelle. Das Vermächtnis des früheren Außenministers wird heute sichtbar. Seine Entscheidung, damals nicht in Libyen einzumarschieren, war mutig und richtig


Der früherere Außenminister Guido Westerwelle
Guido Westerwelle war im Kern ein sensibler Mann, auch wenn er hart austeilen konnte / picture alliance

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vergangene Woche gab es wieder dramatische Bilder von der Küste vor Libyen. Fast 5.000 Flüchtlinge wurden an einem Tag aus Seenot gerettet, eine junge Mutter gebar kurz nach der Rettung noch auf See Zwillinge, die Wehen hatten unter den Strapazen früher eingesetzt.

Libyen, das ist das neue Syrien. Von dort kommt der Strom, dort tobt ein unentwirrbarer Bürgerkrieg, im medialen Schatten des Assad-Reiches, auf dessen Boden sich die USA und Russland zunehmend offen einen Krieg liefern.

In Libyen ist passiert, was so oft im Nahen Osten passiert. Das Muster ist immer das Gleiche: Ein Diktator unterdrückt sein Volk, es beginnt zu brodeln, der Westen greift ein, der Diktator ist irgendwann weg. Dann aber geht das Brodeln erst richtig los. Und ist von nichts und niemandem mehr unter Kontrolle zu kriegen, wie bei einem großen Störfall in einem Kernkraftwerk.

Mutiger Alleingang im UN-Sicherheitsrat
In Libyen nahm das Verhängnis im Frühjahr 2011 seinen Lauf. Diktator Muammar al-Gaddafi hatte das Land seit Jahrzehnten unter Kontrolle, aber zu einem enormen Preis, den die Bevölkerung zu zahlen hatte. Seine Herrschaft wurde zunehmend erratischer und despotischer, ein Bürgerkrieg zog auf. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollte Stärke zeigen, nicht zuletzt um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Die USA, angeführt von Barack Obama, der zu keinem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft im Nahen Osten ein glückliches Händchen hatte, willigten in einen Einsatz ein.

Eine Entscheidung im UN-Sicherheitsrat stand an, dem Deutschland zu jener Zeit turnusmäßig angehörte. Und der deutsche Außenminister wies den deutschen Botschafter in einer spektakulären Aktion zu einer Enthaltung an.

Was war die Empörung groß! Joschka Fischer, ewiger Antipode Westerwelles, dessen Vorgänger als Außenminister und selbsternannter Weltgeist, erkannte in der Aktion „das vielleicht größte Debakel seit Gründung der Bundesrepublik“. Das gesamte außenpolitische Kommentariat Deutschlands und der Welt fiel über den damaligen FDP-Chef her. Die Causa war der letzte Tropfen, den es noch brauchte, um ihn jenen Parteivorsitz zu kosten.

Gerechtigkeit blieb Westerwelle versagt
Westerwelle, der vor gut einem halben Jahr gestorben ist, war im Kern ein sensibler Mann, auch wenn er hart austeilen konnte. Weil das auch seine politischen Gegner wussten, zollten ihm zu seinem frühen Tod auch alle Respekt. Respekt, der ihm zu Lebzeiten meist verwehrt blieb. Die sensible Seite an ihm verwand diese von ihm so empfundene Ungerechtigkeit nicht. Denn obgleich andere ihn einen kalten Neoliberalen schimpften, hatte Westerwelle ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, das sich hier in eigener Sache meldete.

Heute, fünf Jahre nach Westerwelles Libyen-Entscheidung und knapp sieben Monate nach seinem Tod, ist es Zeit, ihm für diese Aktion einen Blumenstrauß aufs Grab in Köln zu legen. Libyen ist kein Staat mehr mit funktionerenden Strukturen, sondern nur mehr eine Region ohne Recht und Ordnung. Eine Brutstätte von Hass, Terror, Gewalt.

So wird im Rückblick immer deutlicher: Das war ein kleiner Schröder, den Westerwelle da hingelegt hatte. Während der Altkanzler für sein „Nein“ zum Irakkrieg nach viel Schelte noch in den Genuss der Genugtuung kam, blieb dem Anti-Interventionisten Westerwelle diese späte Gerechtigkeit zu Lebzeiten versagt.
http://cicero.de/berliner-republik/guido...hm-spaeten-dank
Deshalb, posthum: Danke, Guido Westerwelle. Sie haben mutig und richtig gehandelt. Auch wenn das seinerzeit keiner wahrhaben wollte.



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