Minderjährige Flüchtlinge allein: Hilfe ist möglich
Die Jüngsten unter den Flüchtlingen - AFP
19/10/2016 15:16SHARE: Die Zahl ist erschreckend: Mehr als 64.000 Kinder leben momentan in Deutschland, die vor Krieg, Hunger und Armut geflohen sind – alleine, ohne Eltern oder Verwandte. Diese Zahl ist auf Anfrage der Grünen an die Bundesregierung an die Öffentlichkeit gekommen. Bei Papst Franziskus ist das weltweit vorkommende Phänomen schon lange ein Thema, zuletzt hatte er in seiner Botschaft zum kommenden Welttag der Migranten auf das Schicksal der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufmerksam gemacht. Sie seien die verletzlichsten unter den Flüchtlinge und vor allem für sie müsse man Tür und Tor weit aufmachen.
Wie die Lage der minderjährigen Flüchtlinge in Deutschland nun ausschaut, haben wir Ralf Klein-Jung von der Stiftung Kinder- und Jugenddorf Marienpflege gefragt, wo minderjährige Flüchtlinge kurz- und langfristig aufgenommen werden.
Rald Klein-Jung: „Die größte Herausforderung liegt darin, dass das Jugendamt für die Minderjährigen, die ohne erwachsene Begleitpersonen einreisen, unmittelbar fallverantwortlich wird. Deswegen wird keine Unterbringung in den Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen akzeptiert. Wir haben mit anderen Trägern in Deutschland solche Inobhutnahme Plätze geschaffen, in denen die Jugendlichen sich einige Wochen aufhalten, ankommen, von der Flucht erholen können – viele sind auch körperlich nach wochenlanger Flucht erschöpft und sind froh, dass sie ersteinmal ein Dach über den Kopf haben, neue Begleitung bekommen und verpflegt werden.“
Radio Vatikan: Sie haben selber minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in ihrem Jugendzentrum aufgenommen, was sind das für Jugendliche, die zu ihnen kommen?
Klein-Jung: „Die Jugendlichen sind überwiegend 15 Jahre und älter. Viele sind schon 16 oder 17, selten sind wirklich Kinder dabei, die dann ohne Erwachsene einreisen. Wir haben zwei der Wenigen, eine Neunjährige und ihren elfjährigen Bruder. Diese haben auf der Überfahrt auf dem Mittelmeer erleben und aushalten müssen, wie ihre Eltern ertrunken sind. Sie sind dann mit anderen Familien bis nach Deutschland weiter geflüchtet. Hier hat man dann erst gemerkt, dass das nicht die leiblichen Kinder der Familie sind. Das sind natürlich besonders tragische Schicksale. Diese Kinder werden in den kommenden Jahren mit Unterstützung von Kinderheimen gut begleitet, weil sie tatsächlich Waisenkinder sind.“
RV: Wie kommen die überhaupt bis nach Deutschland? Schon für einen Erwachsenen ist die Flucht nach Europa eine enorme Leistung. Klein-Jung: „Sie haben ein großes Maß an Selbstständigkeit, zumindest während der Flucht erlernt, ob sie das in ihrem Heimatland in dieser Qualität schon hatten, weiß ich nicht. Sie haben sich durchschlagen müssen und haben zum Teil während der Flucht vieles aushalten müssen, haben Gewalterfahrungen gemacht, Hunger erlitten. Viele kommen mit Hauterkrankungen bei uns an aufgrund von monatelanger unhygienischer Zustände. Aber sie wollten hierher, sie haben sich ihren Weg gesucht und gefunden, ob mit oder ohne Unterstützung von Schleppern. Die wenigsten kommen im Schlepptau mit Familien. Die meisten waren alleine oder in kleinen Gruppen aus dem gleichen Heimatdorf auf der Flucht und haben sich über einen längeren Zeitraum und durch etliche Länder nach Deutschland durchgebissen.“ RV: Papst Franziskus forderte nun in der aktuellen Botschaft zum nächsten Welttag der Migranten, dass man die Kinder aufnimmt, sie integriert und dauerhafte Lösungen für sie findet. Wie kann die Botschaft umgesetzt werden?
Klein-Jung: „Ich teile diese Botschaft und dieses Vorhaben. Die jungen Leute sind sehr interessiert, gut in Deutschland anzukommen. Die meisten arbeiten intensiv mit bei Bildungsangeboten, sind sehr interessiert, schnell Deutsch zu lernen. Insofern bringen sie sehr gute Vorrausetzung mit für die Integration. Was aus meiner Sicht in unserer Region sehr gut gelungen ist, ist die Schaffung von speziellen Schulklassen, die vor allem den Spracherwerb und aber auch die Vermittlung erster Ausbildungsprofile besonders im Bereich Handwerk im Blick haben. Allein in unserem Landkreis sind innerhalb diesen Jahres sind 19 besondere Klassen entstanden. Wir haben bereits einen jungen Flüchtling, der vergangenes Jahr zu uns kam, ins Gymnasium einschulen können und zwei andere Flüchtlinge in die Realschule. Das wird im kommenden Schuljahr noch häufiger erfolgen, weil dann ein einjähriger Spracherwerb abgeschlossen ist und damit ein Übergang ins normale Bildungssystem besser gelingen kann.
RV: Das klingt nach Erfolgsgeschichten aus Ellwangen.
Klein-Jung: „Ja, bei vielen Jugendlichen sage ich selbstbewusst, wir können ihnen helfen, ein neues, ein anderes Leben in Deutschland zu beginnen. Und von einigen Jugendlichen wissen wir, dass das nicht ihr Lebenstraum ist, sondern dass sie dies als Übergang sehen, um in einigen Jahren mit besserer Qualifikation und Zukunftsperspektiven ins Heimatland zurückzukehren.“ (rv 19.10.2016 pdy http://de.radiovaticana.va/news/2016/10/...B6glich/1266334
Beliebteste Blog-Artikel:
|