Kirchenhistoriker29. Oktober 20165 Spielt die Bibel beim Reformationsjubiläum keine große Rolle?
Der Göttinger Kirchenhistoriker Prof. Thomas Kaufmann. Foto: Theologische Fakultät, Georg-August Universität Göttingen
Göttingen (idea) – Kritik an den Vorbereitungen der EKD auf das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017 hat der Göttinger Kirchenhistoriker Prof. Thomas Kaufmann geübt. In den Werbekampagnen für das Jubiläum scheine die Rückbindung an die Bibel keine große Rolle zu spielen, sagte er in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Es fehlten ernsthafte Themen wie die Botschaft von Sünde, Schuld, Tod und Hölle sowie Gottes Liebe und Gnade. Im Zentrum des evangelischen Glaubens stehe das Evangelium vom gekreuzigten und auferweckten Jesus Christus. Diese Botschaft sei von „elementarer Widerborstigkeit“. In der evangelischen Kirche gebe es dagegen eine „übermäßige Anpassungsbereitschaft“. Das Herzensanliegen des Reformators Martin Luther (1483–1546) sei es gewesen, „dass unser Herr Jesus im Wort Gottes zu uns kommt“. Offensichtlich sei dieser Glaubensimpuls aber gesellschaftlich nicht konsensfähig: „Die evangelische Kirche ist gefallsüchtig, deshalb geht sie einen anderen Weg. Im Grunde sagt sie: Hey Leute, das, was ihr ohnehin schon toll findet – genau dafür stehen wir auch.“ Es sei nicht akzeptabel, dass die Kirche ständig verunklare, wofür sie stehe. Kaufmann: „Diese selbstgefällige, weichgespülte Sittlichkeit, wie sie die evangelische Kirche repräsentiert, geht mir gewaltig auf die Nerven.“
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„Mit Pomp“ wird eine Selbstverständlichkeit gefeiert
Als „grotesk“ bezeichnete es Kaufmann, die Reformation als „Christusfest“ zu feiern. Jeder evangelische Gottesdienst werde im Namen von Jesus Christus gefeiert und sei somit ein Christusfest. Kaufmann: „Die evangelische Kirche will jede Anstößigkeit vermeiden und inszeniert um des schönen ökumenischen Scheins willen mit Pomp eine Selbstverständlichkeit.“ Absurd sei ebenso die Vorstellung, dass man das Reformationsfest nicht uneingeschränkt feiern könne, da es eine evangelische Schuldgeschichte gebe. Er feiere ja auch seinen 60. Geburtstag, obwohl er um seine Sündhaftigkeit wisse, so Kaufmann.
Die Teilung der Kirche ist „unumkehrbar“
Zur Frage, ob es noch Chancen für die Einheit der Kirchen gebe, sagte Kaufmann, die Teilung sei unumkehrbar. Angesichts gegenwärtiger ökumenischer Tendenzen sei es aber denkbar, dass sich ein Teil der lutherischen Kirchen „unter Roms Joch beugt“: „Das wäre dann ein weiteres Kapitel der Spaltungsgeschichte innerhalb des Protestantismus.“
Warum vertreibt die EKD „solchen Schrott“?
Anstoß nimmt Kaufmann auch daran, dass man auf dem Internetportal www.r2017.org der EKD zum Reformationsjubiläum Luther als Playmobilfigur, Ausstechform und als Räuchermännchen kaufen könne. Diese „Luther-Devotionalien“ seien „fürchterlich“. Kaufmann: „Ich verstehe nicht, warum die evangelische Kirche solchen Schrott vertreibt.“ Dass Kaufleute damit ein Geschäft machen, könne man nicht verhindern. Es gehöre jedoch nicht zur Aufgabe der Kirche. Kaufmann verfasste eine „Geschichte der Reformation in Deutschland“, die als Standardwerk gilt. Er setzte sich in „Luthers Juden“ mit dem Antisemitismus des Reformators auseinander; 2016 veröffentlichte er unter dem Titel „Erlöste und Verdammte“ eine Geschichte der Reformation in Europa. http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/s...olle-98729.html +++ http://cicero.de/salon/reformationstag-p...des-zeitgeistes
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