Ökumene: Setzt Papst Franziskus um, wovor Paul VI. warnte? – Zwei „prophetische“ Aussagen 8. November 2016
Katholische-lutherische Ökumene unter Papst Franziskus
(Rom) Kaum war Papst Franziskus gewählt, wurden Vergleiche bemüht. Besonders häufig wurde er in die Nähe von Johannes XXIII. (1958-1963), dem Konzilspapst gerückt. Franziskus selbst erwähnt weit häufiger Paul VI. (1963-1978), während dessen Amtszeit er zum Priester geweiht wurde. Am 19. Oktober 2014 machte er ihn in seiner Predigt bei der Doppelheiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. „zum demütigen und mutigen ‚Propheten‘ der neuen Zeit der Kirche“. Die Wirklichkeit, so der Vatikanist Sandro Magister, sehe aber anders aus. Papst Franziskus setze heute tatsächlich um, wovon sein Vorgänger gesprochen hat, allerdings das, wovor Paul VI. gewarnt hat. Zwei seiner „Prophezeiungen“ hätten sich unter Franziskus bewahrheitet.
Der namhafte Vatikanist sieht zunächst die Nähe zwischen Paul VI. und Franziskus, wenn er folgende Passage aus einer Katechese zum Thema Ökumene zitiert. Was Papst Franziskus heute praktiziere, habe Paul VI. bei der Generalaudienz vom 22. Januar 1969 angekündigt. Vor 47 Jahren sagte das damalige Kirchenoberhaupt:
„Auf die getrennten Christen müssen wir mit einem neuen Geist schauen. Wir können uns nicht mehr mit den historischen Situationen der Trennung abfinden. Wir müssen demütig jenen Teil der moralischen Schuld anerkennen, den die Katholiken an diesem Trümmerfeld gehabt haben könnten. Wir müssen das würdigen, was sich bei den getrennten Brüdern van Gutem om christlichen Reichtum erhalten hat und gepflegt wird.“
Doch damit seien in dieser Sache die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Päpsten auch schon zu Ende, besonders seit dem „lutherischen Auswärtsspiel“ in Lund. Nur wenige Zeilen später änderte Paul VI. „schlagartig die Musik“, so Magister.
„Gefährliche und schädliche Phänomene in dieser plötzlichen Begeisterung für die Versöhnung“
Wörtlich setzte Paul VI. 1969 fort:
„Doch geben wir acht, nicht den Weg und das Ergebnis einer Sache von höchster Bedeutung, wie der der echten Ökumene, durch oberflächliche, eilfertige und kontraproduktive Vorgehensweisen zu kompromittieren. Es sind nämlich gefährliche und schädliche Phänomene in dieser plötzlichen Begeisterung für die Versöhnung zwischen Katholiken und von uns getrennten Christen festzustellen. Einige Aspekte dieser unbesonnenen, ökumenischen Überstürzung muß man sich vor Augen halten, damit viele gute Wünsche und viele glückliche Möglichkeiten sich nicht in Zweideutigkeit, in Gleichgültigkeit und in falscher Irenik verlieren.“ Und weiter:
„Jene zum Beispiel, die im Lager der getrennten Brüder alles schön finden, und alles drückend und tadelnswert im katholischen Lager, sind nicht mehr in der Lage auf wirksame und nützliche Weise die Sache der Union zu fördern. Einer der besten zeitgenössischen Ökumeniker, ein Protestant, bemerkte mit ironischer Traurigkeit: ‚Die größte Gefahr für die Ökumene ist, daß die Katholiken soweit kommen, sich für alles zu begeistern, was wir als schädlich erkannt haben, während sie alles aufgeben, was wir als wichtig wiederentdeckt haben‘.“ Paul VI. setzte fort:
„So könnten wir es über die so weit verbreitete Haltung sagen, die beansprucht, die Einheit zu Lasten der doktrinellen Wahrheit wiederherzustellen. Jenes Bekenntnis, das uns zu Christen und Katholiken macht, und als solche definiert, scheint auf diese Weise zum unüberwindlichen Hindernis für die Wiederaufrichtung der Einheit zu werden. Diese stellt sicher sehr strenge und viele ernste Anforderungen: Die Lösung der Schwierigkeiten, die daraus folgen, kann aber nicht im Unverständnis für die Wirklichkeit der Dinge, im Verrat der Sache, im Opfern des Glaubens und im illusorischen Vertrauen liegen, daß es zur Wiederherstellung der Einheit nur der Liebe bedürfe, also die empirische Praxis genüge, die sich der dogmatischen Bedenken und der disziplinarischen Normen entledigt.“
Und schließlich:
„Die Episoden der sogenannten ‚Interkommunion‘, die in den vergangenen Monaten registriert wurden, liegen auf dieser Linie, die nicht gut ist, und die wir redlich tadeln müssen. Wir rufen das Konzil in Erinnerung, das ‚die Gläubigen mahnt, jede Leichtfertigkeit wie auch jeden unklugen Eifer zu meiden, die dem wahren Fortschritt der Einheit nur schaden können‘ (Unitatis redintegratio, 24)“.
Der von Paul VI. zitierte „große Ökumeniker“ war Louis Bouyer (1913-2004). Der Theologe Bouyer entstammte einer protestantischen Familie Frankreichs. Er studierte lutherische Theologie und wurde 1936 lutherischer Pastor. Das Studium des heiligen Kirchenvaters Athanasius (+ 373) führte ihn in die katholische Kirche. Nach seiner Bekehrung wurde er zum katholischen Priester geweiht und trat in den Oratorianerorden ein. Am Zweiten Vatikanischen Konzil nahm er als Consultor teil. Fast hätte ihn Paul VI. zum Kardinal erhoben.
„Warum befindet sich die Kirche nach dem Konzil nicht in einem besseren Zustand als vorher?“
Magister verweist noch auf eine andere „prophetische“ Katechese, die Paul VI. eine Woche später, am 29. Januar 1969 hielt. „Sie scheint ein Porträt der heutigen Kirche zu sein“, so der Vatikanist.
Paul VI. sagte damals:
„Warum befindet sich die Kirche, unter bestimmten Gesichtspunkten, nach dem Konzil nicht in einem besseren Zustand als vorher?
Warum gibt es soviel Ungehorsam, soviel Verfall der kanonischen Normen, so viele Versuche der Verweltlichung, soviel Eifer für Spekulationen über Veränderungen der kirchlichen Strukturen, soviel Lust, das katholische Leben dem weltlichen anzupassen, warum wird den soziologischen Überlegungen soviel Glauben geschenkt statt den theologischen und geistlichen?
Wachstumskrise sagen viele. Mag sein. Aber ist es nicht auch Glaubenskrise? Vertrauenskrise einiger Kinder der Kirche in die Kirche selbst?
Es gibt solche, die dieses alarmierende Phänomen studierend von einer Stimmung des systematischen und lähmenden Zweifels in den Reihen des Klerus und der Gläubigen sprechen. Es gibt auch welche, die von mangelnder Vorbereitung, von Schüchternheit und Trägheit sprechen. Und sogar solche, die sowohl die kirchliche Autorität als auch die Gemeinschaft der Guten der Ängstlichkeit bezichtigen, wenn sie, die eine wie die andere, bestimmte Strömungen von offenkundiger Unordnung in unserem Lager überwiegen lassen, ohne zu ermahnen, zurechtzuweisen und ohne zu reagieren, und fast wie durch einen Minderwertigkeitskomplex der durch einflußreiche Kommunikationsmittel erzeugten vorherrschenden öffentlichen Meinung bei umstrittenen Thesen nachgeben, die häufig sogar dem Geist des Konzils widersprechen, nur aus Angst vor Schlimmerem, heißt es, oder um nicht als zu wenig modern oder nicht ausreichend bereit für das Aggiornamento zu erscheinen.“ Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi Bild: Vatican.va (Screenshot) http://www.katholisches.info/2016/11/08/...ische-aussagen/
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